Das Kinoplakat tönt gar wundervoll: „Die erregendste Verfolgungsjagd, die je auf Motorrädern gedreht wurde“, wird da angepriesen, dicht gefolgt von „Das blutigste Massaker der Filmgeschichte“. Und außerdem handelt es sich beim Bikerepos BLACK ANGELS, als ob die genannten Sensationen noch nicht Anreiz genug wären, um einen „Film der Jugend für junge Menschen“ – und ich bin mir nicht sicher, ob es Absicht ist, dass der deutsche (Unter-)Titel … DIE SICH SELBST ZERFLEISCHEN dann in derselben Farbe und Schriftart folgt, als wär’s derselbe Satz.
Zerfleischen tun sich die jungen Menschen und wüsten Motorradfahrer dieses Films aber natürlich nicht selbst, sondern gegenseitig. Da gibt es nämlich im schönen Kalifornien eine weiße Bikergang namens „Satan’s Serpents“ und eine schwarze Gang namens „Choppers“, und die hegen wenig Sympathien füreinander. Gleich zu Beginn schlägt ein junger Rocker, der bei den Choppers aufsteigen will, bei Serpents-Chef Chainer (Des Roberts) ein Fenster ein – aber bei der anschließenden Verfolgungsjagd stürzt er leider in eine Schlucht. Chainer (der als Waffe eine Kette bei sich trägt) pilgert zu den Choppers, um deren Anführer Knifer (dessen Waffe ebenfalls zum Namen passt) über den Tod ihres Gefährten zu unterrichten. Die Choppers sind freilich nicht begeistert, aber zumindest respektieren sie die Tatsache, dass Chainer sie extra dafür aufgesucht hat. Aber lange währt der Frieden zwischen den Gangs dann doch nicht – zwei Polizisten, die Black Angels des Titels, streuen bei beiden Gangs Hinweise, dass die jeweils andere Truppe einen Angriff planen könnte, und so endet der ganze Spaß in einem blutigen Kampf.
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Der roh und preiswert produzierte Film ist wohl vor allem wegen Regisseur Laurence Merrick bekannt. Er inszenierte kurz nach BLACK ANGELS als Co-Regisseur die oscarnominierte Doku MANSON, die dann nach dem Attentatsversuch auf Gerald Ford durch Manson-Family-Mitglied „Squeaky“ Fromme verboten wurde, um ein faires Verfahren sicherzustellen. Davor drehte Merrick die Horrorkomödie DRACULAS LÜSTERNE VAMPIRE, ebenfalls mit Des Roberts. Er leitete zusammen mit seiner Frau Joan Huntington eine leistbare Schauspielschule in Hollywood, an der unter anderem Sharon Tate studierte. In einem Artikel vom Register-Guard aus Oregon heißt es, dass Merrick nach ihrer Ermordung die Arbeit an der Doku begann, aber Schauspieler Channon Scot erzählte offenbar, dass sie während des 14-tägigen Drehs von BLACK ANGELS Mitglieder der Manson-Family kennenlernten und die Filmemacher diese daraufhin auf der Spahn Ranch interviewten. Nur wenige Jahre später wurde Merrick von einem geistig verwirrten arbeitslosen Schauspieler erschossen, der behauptete, dass er bei einem Vorsprechen in Merricks Studio mit schwarzer Magie belegt wurde.
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Ob es erregendere Verfolgungsjagden auf Motorrädern in der Filmgeschichte gibt, dürfen andere Filmfreunde debattieren – BLACK ANGELS macht mit seiner Anfangssequenz jedenfalls durchaus Laune. Merrick (der auch das Drehbuch geschrieben, produziert und die Kamera geführt hat) schneidet in rasantem Tempo, das Filmmaterial wird teils im Zeitraffer abgespult, und weil man nicht von langen Erklärungen belastet wird und ein paar Flashbacks auch nicht gerade für Klarheit sorgen, kommt der Film zunächst wie eine Art Collage aus Zeitgeist, Popkultur und Biker-Fetisch daher. Nach ungefähr einer halben Stunde wirft Merrick sogar diverse Photographien der Zeit in den Topf, wo uns Bilder von Kennedy, King, Aufständen und anderem Zeitgeschehen weismachen wollen, die räudige Biker-Action wäre ein hochpolitisches Anliegen.
Aber zwischen der erregenden Verfolgungsjagd am Anfang und dem blutigsten Massaker am Ende verbringen wir dann doch sehr viel Zeit damit, den Motorradfreunden dabei zuzusehen, wie sie sich rüpelhaft benehmen. Einer der Serpents pinkelt einen anderen an, weswegen die Fäuste sprechen, während die Choppers sich an einer blonden Lady vergehen. Die Serpents mischen eine Bar auf, überfahren beinahe zwei Nonnen, führen eine große Wildkatze spazieren (die natürlich während des Finales einen Biker zerfleischen darf) und halten sich aus nicht näher erläuterten Gründen einen Waschbären als Haustier (der während des Finales leider überhaupt niemanden auch nur anknabbert). Noch mehr Zeit verbringt der Film damit, die Jungs beim Motorradfahren zu zeigen – immer wieder gibt es malerische Aufnahmen zu voll ausgespielten Liedern, in denen die Buben das schöne kalifornische Land erkunden.
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Am Ende des Massakers dürfen wir ganz nach EASY-RIDER-Vorbild noch nachdenklich werden. Während die Kamera über die zahlreichen toten Körper der Biker fährt, singt Alan Brackett von der Psychedelik-Band The Peanut Butter Conspiracy den gewichtigen Song „Lord Give Us Peace“: „But now a change has got to come / No more fighting, and no more guns / We’ve got to live with one another / We’ve got to learn to sing together“. Und dann zeigt die Kamera noch das Schild, das am gerade angekommenen Polizeiwagen angebracht ist – „Support your local police“ – aber was genau da nun eigentlich schiefgelaufen ist, müssen wir uns leider selbst ausknobeln.
Black Angels … die sich selbst zerfleischen (USA 1970)
Originaltitel: Black Angels
Regie: Laurence Merrick
Buch: Laurence Merrick
Kamera: Laurence Merrick, Jack Beckett (ungenannt)
Musik: Morgan Cavett
Darsteller: Des Roberts, John King III, Linda Jackson, James Whitworth, Beverly Gardner, Bobby Johnson
Die Screenshots stammen von der DVD von MIG.