Roger Corman weiß, wie man einen Film anpreist. Auf der Rückseite der Laserdisc zu CURSE OF THE CRYSTAL EYE ist eine eigene Box mit seinem Konterfei, und darin wird er wie folgt zitiert: „I think what struck a chord with audiences who loved Indiana Jones and Romancing the Stone is that it appeals to the American pioneer spirit for adventure. CURSE OF THE CRYSTAL EYE takes you on that same exciting journey.“ Mit Signatur besiegelt! Unnötig zu erwähnen, dass der von den Indy-Abenteuern inspirierte Film nicht gar so üppig und aufwendig inszeniert ist wie die Vorbilder. Gedreht wurde der Streifen offenbar 1988, aber veröffentlicht wurde er dann erst 1991 in Deutschland (unter dem verkürzten Titel CRYSTAL EYE, beworben als „Die größte Abenteuer-Jagd der Neuzeit“!) und 1993 in den USA (mit dem Corman-Gütesiegel).
Gejagt wird hier nach dem sagenumwobenen Schatz von Ali Baba, der im Prolog mit seinen circa 40 Räubern in eine Schlacht gerät und dann den Rückzug ins Höhlenversteck antritt, das natürlich mit den traditionsreichen Worten „Sesam, öffne dich“ und „Sesam, schließe dich“ auf- und zugemacht werden kann. Sprung in die Jetztzeit: Ein wackerer Söldner namens Luke (Jameson Parker, bekannt aus Carpenters DIE FÜRSTEN DER DUNKELHEIT und der Krimiserie SIMON UND SIMON) rettet während eines Afghanistan-Einsatzes ein kleines Mädchen und wird dafür vom dankbaren Vater mit Hinweisen auf besagten Schatz belohnt. Die führen ihn nach Bombay, wo er das titelgebende Juwel erhält und sich mit dem italienischen Kryptologen Emilio Ferrari (David Sherwood) zusammentut, um die legendäre Höhle finden zu können. Außerdem bandelt er mit der Diplomatentochter Vickie (Cynthia Rhodes, FLASHDANCE, STAYING ALIVE, DIRTY DANCING!) an, die er zwar nicht als Begleitung in sein Abenteuer mitnehmen will, aber die trotzdem hartnäckig dabeibleibt. Trotz diverser Konfrontationen mit Wüstenschurken und Waffenschiebern findet das Team schließlich die Höhle – aber der Schatz ist mit zahlreichen tödlichen Fallen gesichert …
Produziert wurde der Abenteuerstreifen von Maurice Smith (SCREWBALLS), als Regisseur und Story-Autor leitete Joe Tornatore das Projekt (der 1988 auch mit Smith das Horror-Kuriosum GROTESQUE mit Linda Blair aufstellte) – und das Ergebnis fühlt sich genauso an wie jeder Indiana-Jones-Film, wenn man sich mal den ganzen Stress wegdenkt. Sehr gemütlich stehen die Protagonisten in jeder Szenerie herum, diskutieren ihre Optionen, verhandeln ein bisschen, bewegen sich gemächlich zur nächsten Sequenz weiter und kriegen nicht einmal bei etwaigen Action-Einlagen richtige Eile. Dazu passt, dass Jameson Parker in der Hauptrolle permanent unterreagiert, seine Zeilen mit stoischer Unterkühlung brummt und überhaupt in der Wüstensonne auf allzu schnelle Bewegungen lieber verzichtet. Wenn ihm Vickie bei einem vermeintlichen Abschied eröffnet, „Take care of yourself! I want to see you soon“, und er dann mit ewiger Verzögerung und völlig emotionslosem Murmeln regungslos „I’d like that, too“ erwidert, ist nicht so ganz klar, ob das intendierte Comedy ist.
Wobei sich der Film schon durchaus auch etwas Augenzwinkern erlaubt – beispielsweise, wenn Ferrari versucht, die Höhle zu öffnen, und sich derweil Luke und Vickie im Zelt miteinander vergnügen: Da hört sie dann Ferraris „Sesam, öffne dich“ von außen und schaut den auf ihr liegenden Luke ungläubig an, „Was hast du gerade gesagt?“. Schön und vergnüglich wird der Film dann vor allem in seiner zweiten Hälfte, wenn die Abenteurer durch Ali Babas Höhle stapfen – komplett mit höchst offensichtlichen Sets, kunterbunter Beleuchtung, Seilbrücken über Treibsand, einer Art fliegendem Teppich, Blutregen, bodenlosen Abgründen, komplizierten technischen Vorrichtungen und allem, was sonst so zu einem solchen B-Movie-Trip gehört. Es ist, als hätte Tornatore die Spielberg-Eröffnung zu JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES nach hinten in den Film gepackt und zum halben Spielfilm ausgeweitet – freilich auf weit erschwinglicherem Budget-Level.
Aber eigentlich war wohl Indiana Jones gar nicht so sehr das Vorbild, abgesehen vom Produktions- und Vermarktungsimpuls: Tatsächlich scheinen eher die alten Abenteuerstreifen der Dreißiger und Vierziger die Blaupause zu sein, wie ja auch beim Spielberg-Film. Aber wo der diese Motive modern aufbereitete und zur atemlosen Achterbahnfahrt spann, fühlt sich CRYSTAL EYE eher wie ein ganz aus der Zeit gefallener alter B-Film an, der nur zufällig in Farbe gedreht ist – mit sichtbaren Studiobauten, etwas hüftsteifem Schauspiel, Typen wie im damaligen Kino und einer nun wirklich nicht modernen Bildsprache. Damit hat das Abenteuer auch einen durchaus sympathischen Charme, und die gemächliche Erzählweise trägt zum sehr bodenständigen Flair dieses kleinen Ablegers bei.
Aber natürlich kann ich auch nie im Leben einem Film böse sein, in dem erwachsene Männer vor einem Fels stehen, wiederholt bei Tag und Nacht „Sesam, öffne dich“ aufsagen und sich dann wundern, dass nichts passiert. Davon fühlt sich nicht nur mein amerikanischer Pioniergeist angesprochen.
Crystal Eye (USA/Südafrika 1988)
Regie: Joe Tornatore
Buch: Joe Tornatore (Story), Mike Angel (Buch)
Kamera: Thomas De Nove
Musik: Tony Roman & Chris Squire
Produktion: Robert Patterson & Maurice Smith
Darsteller: Jameson Parker, Cynthia Rhodes, Mike Lane, David Sherwood, André Jacobs, Johnny Nobel
Die Screenshots stammen von der UK-DVD © Avatar Vision Ltd.
Die DVD kann über Amazon bezogen werden – wer über meinen Link einkauft (egal, was), unterstützt den Dachboden!