William Shatner spielt Paintball, 82 Minuten lang: Man muss wohl entweder unsterblicher STAR-TREK-Verehrer oder Hardcore-Paintball-Fan sein, um sich das bis zum Ende anzusehen. Oder man betreibt eine Website, auf der man allerlei Merkwürdigkeiten der Filmwelt bespricht, und das Bedürfnis, einen Text zu verfassen, steigt mit dem Absurditätsgrad des Werks. Sagen wir es mal so: Mit Paintball kann ich nicht allzu viel anfangen.
SPPLAT ATTACK wurde 2002 beim gleichnamigen Event aufgenommen: Circa 1500 Paintball-Spieler kamen hier zusammen, um über den langen Tag hinweg in drei Teams gegeneinander anzutreten. Dass ausgerechnet William Shatner eins der Teams leitet, liegt nicht etwa daran, dass er hier einer bislang verborgenen Leidenschaft nachgeht – nein, es handelt sich um eine Benefiz-Veranstaltung, bei der Geld für Shatners Organisation The Hollywood Charity Horse Show gesammelt wird. Diese jährliche Pferdeschau ist eine wohltätige Stiftung, die Gelder für verschiedene karitative Einrichtungen aufstellt, hauptsächlich für behinderte Kinder. Pferdefreund Shatner lernte einen Reiter kennen, der begeisterter Paintball-Spieler war – und so wurde die Idee zu der Veranstaltung geboren. („Spplat“ steht übrigens für „Society for Paintball Players and Teams“.)
Wenn Shatner an Bord ist, muss die gute alte Enterprise wohl auch eine Rolle spielen. Ergo ist das Event wie eine Art STAR-TREK-LARP aufgezogen: „Captain Shatner“ leitet das Team der Föderation, die anderen beiden Teams sind die Klingonen und die Borg. (Die Klingonen werden vom Chicagoer Radiomoderator Mancow angeführt, die Borg von Profi-Paintballer Tom Kaye.) Aufhänger des Szenarios ist ein von einem Alien namens „Big Giant Head“ eingefädeltes intergalaktisches Spiel, dessen Gewinner das Universum beherrschen wird und ganz schmucke Waffen erhält.
Das war es dann aber auch schon wieder mit Science-Fiction- oder STAR-TREK-Bezug: Wenn die Teams die Namen „Justus“, „Peter“ und „Bob“ tragen würden, sähe das Spiel genauso aus. Die roten Föderations-Westen kann man noch als „Red Shirt“-Witz verstehen, die Borg und Klingonen heißen halt einfach so. Die Spieler ballern im Wald, auf der Wiese und zwischen extra errichteten Gebäuden aufeinander, die Spielziele sind übliche „Capture the Flag“-Varianten.
Aber natürlich bemühen sich alle, so zu tun, als hätte das Farbenschießen etwas mit der Enterprise zu tun. Kaye und seine Borg reden gerne vom Assimilieren, Mancow und seine Klingonen schnalzen entsprechend kriegerische Sätze in die Kamera. Das ist ein wenig albern, aber vergleichsweise weniger peinlich als kernige Aussagen wie „Das ist wie Vietnam, Korea und der Zweite Weltkrieg an einem Tag“, die nach dem Spiel geäußert werden. Shatner selbst darf das Vorgehen auch per Voiceover begleiten und erklärt dann beispielsweise, dass er die klingonische Mentalität durch seine vielen Begegnungen schon versteht, die Borg ihm aber noch ein Rätsel sind. Tack-tack-tack, schon fliegen die nächsten Farbbälle durch die Luft.
Gefilmt wurden die Ereignisse mit diversen MiniDV-Kameras. 2002 sahen die Bilder von Digitalkameras ja ohnehin noch reichlich unattraktiv aus, die kleinen Camcorder geben dem Prozedere aber natürlich nochmal mehr Amateur-Flair. Wobei der Look gar nicht schlimm wäre, wenn man dem Geschehen wenigstens folgen könnte – aber das Event ist so gefilmt und zusammengeschnitten, dass es völlig unklar bleibt, wo sich gerade wer befindet, welche Taktik gerade wie zum Einsatz kommt, oder wie der Punktestand, der regelmäßig für die Teams eingeblendet wird, überhaupt zustande kommt. Gelegentlich treffen sich Anführer zur Verhandlung, und Shatner wird da als trickreiches Schlitzohr gezeigt, das alle gegeneinander ausspielen kann – aber worin genau die Finten bestehen, ist schwer zu greifen, wenn dann doch nur wieder endlose Bilder gezeigt werden, in denen Leute aufeinander schießen.
Shatners Frau Elisabeth und seine Tochter Lisabeth sind auch mit an Bord – die Ehefrau entpuppt sich als versierter Scharfschützin, die Tochter begleitet das Event als „war correspondent“. An einer Stelle interviewt sie ein paar der Teilnehmer und stellt dabei zum Beispiel einen Geistlichen vor, der schon mehrfach Spieler, die sich beim Paintball kennengelernt haben, auf dem Feld getraut hat. Man kriegt eine vage Idee, dass es wohl interessanter gewesen wäre, eine tatsächliche Doku über das Ereignis zu drehen, in der die Menschen auch über ihr Hobby sprechen können – das dezent paramilitärisch angehauchte Spektakel (irgendwann rollt sogar ein Panzer mit Farbkanone an!) hätte dann vielleicht etwas weniger befremdlich gewirkt. Stattdessen sieht man endlose, verwackelte Spielsequenzen – mit wuchtiger Musik, die so tut, als würden wir spannender Action zusehen.
Beeindruckend ist an dem Spektakel einzig Shatners Sportsgeist: Dass da ein 71-jähriger Mann per Fallschirmsprung auf dem Spielfeld eintrifft und dann stundenlang durch Wald und Wiesen hetzt, ist durchaus bewundernswert. Der Mann macht wirklich jeden Spaß mit („Say Yes“ lautet eine seiner Regeln im Buch SHATNER RULES) – und so ist es auch kein Wunder, dass er alle paar Jahre wieder neue Memoiren schreibt: Er füllt sein Leben mit Abenteuern und interessanten Unternehmungen und hat entsprechend viel zu erzählen. Es hat ihm sicherlich Spaß gemacht, mal mit den anderen Kindern im Wald Cowboy und Indianer zu spielen – immerhin hat er im Folgejahr das Event auch wiederholt (diesmal ohne Spielfilm, aber trotzdem mit 43-minütiger Dokumentation: HIER auf YouTube). Schade, dass der Spaß nicht bis in den Film vordringt.
Spplat Attack (USA 2002)
Regie: Kathy Weiss
Darsteller: William Shatner, Mancow, Tom Kaye, Elisabeth Shatner, Lizabeth Shatner
Die Screenshots stammen von der deutschen DVD (C) 2004 Marketing Film.