FilmWühlkiste

WITCHCRAFT IV – VIRGIN HEART: Ein No-Budget-Deal mit dem Teufel

Bei einem zünftigen Videoabend deutete der hartgesottene Don Arrigone umgehend auf die VHS-Box von WITCHCRAFT IV – VIRGIN HEART, die ihn beinahe magisch anzog. Ungefähr bei Minute 12 musste er sich gelangweilt eingestehen, dass die Wahl keinesfalls weise war. Aber das Wort „aufgeben“ existiert nicht im Vokabular eines Videothekentauchers – und dafür kann unser hochgeschätzter Gastautor umfassend von dem, räusper, Vergnügen berichten.


HEAVY-METAL-Ikone und B-Movie-Königin Julie Strain, Gott hab‘ sie selig, sitzt leicht bekleidet und dezent nach vorne gebeugt auf einem Motorrad und leckt sich lasziv die Lippen. Im Hintergrund jagen Blitze aus einem Pentagramm. Der Text verspricht uns, daß WITCHCRAFT IV – VIRGIN HEART nicht nur furchteinflößend, sondern auch noch erotisch ist. Was kann da noch schiefgehen? Erfahrene Leser wissen, dass es sich um eine rein rhetorische Frage handelt und es nur eine vernünftige Antwort gibt: so ziemlich alles.

Dabei beginnt der Film verhältnismäßig vielversprechend. Also, die erste Minute. Ein Auto jagt einen Berg hinauf. Die schnellen Schnitte versprechen ordentliches Tempo. Doch kaum oben auf dem Berg angekommen, schaltet der Film ein paar Gänge runter, bzw. kommt er eigentlich fast gänzlich zum Stillstand, und die beiden Teenies aus dem Auto diskutieren ausgiebig über die Vor- und Nachteile vorehelichen Geschlechtsverkehrs, bevor sich das Mädchen, welches die Debatte offensichtlich nach Punkten gewann, versteckt und sich der Junge auf der Suche nach ihr den Schädel anhaut und bewusstlos wird. Ein Zustand, der jenem des Zusehers auf jeden Fall vorzuziehen ist. Jegliche Hoffnung, dass sie spektakulär aus dem Leben treten, zerstreut sich, als das Mädchen um Hilfe telefoniert, aber aus irgendeinem Grund nur eine schwerhörige alte Dame erreicht, der sie mehrfach vergeblich ihr Anliegen vorbringt, und dann von einem vorbeikommenden Mann mitgenommen wird, der sie aber nicht zurück in die Stadt bringt, sondern ihr das Herz rauschneidet. Wir sehen allerdings nur ihren aufgeschnittenen Brustkorb und dann das Herz danebenliegen, alles andere wäre viel zu aufregend. Sie hat es hinter sich, das Publikum darf weiter leiden.

Ähnlich flott wie die ersten 15 Minuten verläuft auch der restliche Film, nur dass die Handlung hier etwas dünner wird. Charles Solomon Jr. spielt zum dritten und letzten Mal den übernatürlich begabten Anwalt Will Spanner – und ja, ich bin ein wenig betroffen, dass entsprechende Wortspiele unter dem Niveau dieses Blogs sind. Wie im klassischen Film Noir sitzt er rauchend in seinem Büro und wird von einer jungen Frau in Nöten, Lily, aufgesucht, deren letzte Hoffnung er ist. Ihr Bruder Pete, sagt sie, ist nämlich der junge Mann, der statt Beischlaf mit Bewusstlosigkeit vorliebnehmen musste, und dem nun, so führt Lily dann weiter aus, der Mord an seiner Freundin sowie zahlreichen anderen jungen Damen vorgeworfen wird. Spanner erklärt ihr zuerst, dass er solche Fälle nicht annimmt. Sie bringt ihr Anliegen noch einmal vor und bittet ihn ganz nett. Spanner holt weiter aus und versucht sie weiter abzuwimmeln. Nachdem die entschlossene Lady noch ein paar Argumente vorgebracht hat, gibt Spanner schließlich klein bei und sagt zu. Während sich im Film weit und breit kein Falke findet, sieht man im Büro von Spanner übrigens die Statue einer Ente, deren sprichwörtliche Lahmheit sie zum perfekten Sinnbild dieses Films macht.

Eine Spur in Form einer Streichholzschachtel führt ihn in einen Stripclub namens Coven, in dem Julie Strains Charakter Belladonna genauso eingeführt wird, wie man sich das vorstellt, allerdings nur zwei Minuten lang. Spanner betrachtet ihren Tanz mit Interesse und folgt der Frau, deren körperliche Reize auf dem Klappentext der Videokassette exzessiv gelobt werden, in eine Bluesbar. Im Film handelt es sich um ein anderes Lokal, aber ob tatsächlich an einem anderen Ort gedreht wurde, lässt sich für mich nicht beurteilen – es könnte auch einfach andere Beleuchtung verwendet worden sein. Überhaupt sind die Szenerien von WITCHCRAFT IV spärlicher als die Kleidung von Ms. Strain, und es würde mich wenig wundern, wenn zumindest einzelne Szenen im Wohnzimmer des Regisseurs gedreht wurden, um noch ein paar Dollar zu sparen.

In der Bluesbar stellt sich heraus, dass Belladonna nicht nur über offensichtliche Talente verfügt, sondern auch ganz bezaubernd singen kann. Laut besagtem Klappentext verlieben sich nun Spanner und Belladonna ineinander, nur leider will zwischen Herrn Solomon und Frau Strain so gar kein Knistern aufkommen. Dem Plot ist die fehlende Chemie egal, Spanner folgt Belladonna in deren Wohnung. Er will nur reden – in dem Film wird ohnehin sehr viel geredet –, Belladonna hat allerdings einen Fetisch für Anwälte mit gelangweiltem Gesichtsausdruck und findet daher in dem vermutlich valiumsüchtigen Spanner ihren Traummann. Doch bevor sie ihn vernaschen kann, hört sie ihren Manager kommen. Das personifizierte Schlafmittel Spanner versteckt sich im Schrank und muss zusehen, wie Manager Santara Belladonna vergewaltigt. Danach gesteht Belladonna dem menschgewordenen Schäfchenzählen Spanner, dass ihr Manager ihr verboten hat zu, singen, und ihr jederzeit alles nehmen kann. Plottwist, ick hör dir trapsen.

Wir haben knapp die Hälfte des Filmes geschafft, und jetzt mäandert die Handlung wirklich nur noch gemächlich vor sich hin. Spanner streitet mit dem ermittelnden Polizisten, da dieser weiterhin Pete verdächtigt und sich nicht Belladonnas Manager vornehmen will, den man zugegebenermaßen nur mit sehr viel Fantasie mit dem Mord in Verbindung bringen kann. Spanner und Belladonna reden, haben Sex, reden wieder, beschließen, sich nicht mehr zu treffen, treffen sich wieder, um zu reden. Spanner Spanner sieht Lily durch ein Fenster beim Ausziehen zu – liebe Leser, gebt es zu, ihr habt fast so sehr wie ich auf diesen Satz gewartet. Schließlich wird auch die Blueslegende eingeführt: Der Musiker Robert Johnson hat angeblich dem Teufel seine Seele im Tausch gegen Gitarrenkünste verkauft. Ich habe genug Vertrauen in meine Leserschaft, um die Parallele SAnTAra – Louis Cypher (ANGEL HEART) – Mephistopheles (FAUST) nicht auszubuchstabieren, WITCHCRAFT lässt hier nicht mehr viel Interpretationsspielraum. Wirklich lukrativ dürfte der Pakt mit dem Gehörnten hier aber nicht sein, wenn man für den Verkauf seiner Seele nur in Low-Budget-Spelunken mit drei Statisten-Zuhörern landet.

In den letzten zehn Minuten spielt dann die Vorgeschichte eventuell eine Rolle. Eventuell, da ich WITCHCRAFT I bis III, Gott sei Dank, bisher noch nicht gesehen habe. Zumindest ist Spanner wieder auf seine übernatürlichen Kräfte angewiesen, denen die Reihe ihren Titel verdankt und die er eigentlich nicht mehr einsetzen wollte. Nur soviel sei verraten: Eigentlich hätte er es sich sparen können. Ein hochdramatisches Ende später haben wir WITCHCRAFT IV endlich überstanden, und zumindest ich hatte so gar kein Bedürfnis, mir gleich die Fortsetzung anzusehen. Oder deren Fortsetzung. Oder die Fortsetzung der Fortsetzung der Fortsetzung: Die Reihe hat es tatsächlich auf 16 Teile gebracht. Sofern WITCHCRAFT IV nicht einfach ein Ausrutscher war – und diese These möchte ich nur aus Gründen der seriösen Wissenschaftlichkeit nicht gleich wieder verwerfen – kann es sich eigentlich nur um einen elaborierten Steuerplan à la Uwe Boll handeln. Eine Reihe wie WITCHCRAFT hätte die Videotheken nie überleben dürfen.

Beim Cover hoffte ich auf amüsantes, wenn auch ein wenig einfältiges Videothekenfutter. Ein bisschen Horror, ein bisschen Gewalt, ein bisschen Sex. Bekommen habe ich über 90 Minuten miese Dialoge und eine Handlung, die man nur aufgrund des dahinkriechenden Tempos erst nach 45 Minuten gänzlich erraten hat. Der Kameramann wusste vermutlich, wo vorne und hinten bei der Kamera ist, der Soundtechniker der Synchronfassung war nach WITCHCRAFT IV hoffentlich seinen Job los (oder schon zuvor): Zumindest bei meiner Video-Version war die Tonspur derart verwaschen, dass man den Dialogen kaum folgen konnte. Nicht, dass mich das groß gestört hat. Der Soundtrack war zum Vergessen wie der Film selbst, was wenig verwunderlich ist, aber immerhin ging es in dem Film um Musik. Eines ist sicher: Regisseur James Merendino hat nicht für einen guten Film seine Seele verkauft.

Oder Satan ist echt kein Cineast.

 

Witchcraft IV – Virgin Heart (USA 1992)
Originaltitel: Witchcraft IV: The Virgin Heart
Regie: James Merendino
Buch: James Merendino, Michael Paul Girard
Kamera: Kevin Morrisey
Musik: Miriam Cutler
Darsteller: Charles Solomon, Julie Strain, Clive Pearson, Lisa Jay Harrigton

Photo: Christian Genzel

Don Arrigone
Als Kind ausgesetzt und im Kloster zum Heiligen Massacesi aufgezogen. Zeigte schon in jungen Jahren Interesse an jeglicher Art von Film, insbesondere aber an den Genres Horror und Thriller. Studium der Theologie, Magisterarbeit zur Darstellung der Nonne im italienischen Film des 20. Jahrhunderts. Priesterweihe, und Beitritt zum Geheimorden der Fratri Rossi. Tod während einer nächtlichen Orgie, aufgrund seines sündigen Lebenswandels hinabgefahren in die Hölle. Gefangen im 9. Zirkel der Unterwelt und somit gezwungen, bis zum jüngsten Tag Videothekenfutter zu rezensieren.

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