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EIN NACKTER PO IM SCHNEE: Urlaub in Italien

Als ich letzte Woche über Robert Zemeckis‘ packendes Alkoholikerdrama FLIGHT geschrieben habe, hatte ich anschließend den Gedanken, dass ich mehr über Ausnahmefilme schreiben sollte: die wirklich wichtigen, die komplexen, die filmisch brillanten, jene, die mir besonders am Herzen liegen. Jaja, ein schönes Vorhaben. Diese Woche sitze ich im Sessel und schreibe über die italienische Sexkomödie EIN NACKTER PO IM SCHNEE.

Wer da den Einwand hervorbringen mag, dass dieser nackte Po woanders vielleicht besser aufgehoben wäre als in der Kälte, soll beruhigt sein: Es ist Unterwäsche im Spiel. Im englischen Sprachraum nennt sich der Film übrigens GIRLS WILL BE GIRLS – da mag man kaum widersprechen – während das italienische Original schlicht LA SETTIMANA BIANCA heißt: wörtlich „die weiße Woche“, gemeint ist ganz banal der Skiurlaub.

Auf einem solchen befindet sich hier die Belegschaft einer Firma, die ihre Zeit entsprechend mit Skifahren, Rodeln und Essen verbringt – und mit dem Versuch, bei den anwesenden Grazien landen zu können. Wie in jeder solchen italienischen Komödie sind die Damen ansehnlich, die Männer dagegen hoffnungslose Hampelmänner, die in ihren Bemühungen auch stets scheitern – weshalb auch EIN NACKTER PO IM SCHNEE weniger Sexkomödie als vielmehr eine Kein-Sex-Komödie ist.

Da wäre beispielsweise Chef Piergallini (Gianfranco D’Angelo, bekannt aus mehreren FLOTTE-TEENS-Streifen), der es auf die bezaubernde Angela (Annamaria Rizzoli) abgesehen hat. Jeder Versuch, mit ihr mal Zeit alleine verbringen zu können, ist ein Schlag ins Wasser: Da führt er die hübsche Blondine schon mit viel Aufwand in die örtliche Disco – nur um feststellen zu müssen, dass der komplette Rest der Belegschaft ebenfalls an diesem Abend dort ist. Später bemüht sich Piergallini, Angela unter dem Vorwand zum Essen auszuführen, dass er mit ihr über ein Buchhaltungsproblem reden will, aber die Kollegen sitzen natürlich ebenso im Restaurant und sabotieren seine Annäherungsversuche. (Angela ist freilich auch gar nicht an ihrem albernen Chef interessiert, sondern lässt sich lieber von Skilehrer Fabio umsorgen.)

Ähnliche Probleme hat Enzo (Enzo Cannavale, bekannt als Kommissar in den PLATTFUSS-Filmen neben Bud Spencer): Er will doch nur einmal mit dem adretten Zimmermädchen Orchidea (Carmen Russo) zusammenkommen können. Die bietet nämlich einen besonderen Service: Nur wenige Sekunden, nachdem man nach ihr geklingelt hat, steht sie schon im Zimmer, entblättert sich bis auf die Unterwäsche und stürzt sich liebeshungrig auf den Gast („Stets zur Stelle, auch auf die Schnelle!“). Enzo findet das heraus, als leider seine Ehefrau gerade im Badezimmer ist, also muss er Orchidea erstmal wieder loswerden. Als er nach mühsamem Plan später mal im Zimmer alleine sein kann und seine Frau beschäftigt ist, darf er beim Klingeln feststellen, dass Orchidea wohl gerade frei hat – stattdessen kommt nämlich ein netter Page ins Zimmer. Später wird das Kuddelmuddel um das versäumte Schäferstündchen dazu führen, dass sich Orchidea im Schrank verstecken muss, während Enzo und seine Kumpanen der Ehefrau verklickern, sie würden in einer Wahnvorstellung eine nackte Frau sehen („Jetzt sehe ich sie auch“, keucht die Gattin entsetzt, als Orchidea dann aus dem Schrank kullert). Die eigene Frau ist für Enzo offenbar keine Option, auch wenn die reizvolle Kniestiefel trägt: Während sie sich verführerisch auf dem Bett räkelt, liest er Zeitung und fragt sie dann: „Bist du krank?“

Die vorangegangenen Absätze suggerieren eine Handlung, die EIN NACKTER PO IM SCHNEE natürlich nie hat: Es ist eine lose Ansammlung von Vignetten. Da ist zum Beispiel Cesare (Bombolo, der trottelige Gehilfe von Tomas Milian in den SUPERBULLE-Streifen), der sich jede Gefälligkeit ein ordentliches Sümmchen kosten lässt. Wir sehen ihn beispielsweise dabei, wie er einen beinahe blinden Gast des Hotels mit einem Kartenspiel abzockt. (An einer Stelle geben die Herren dem blinden Kerl auch Vortritt in den Fahrstuhl – und leiten ihn in die Besenkammer.) Dann ist da eine alte, schielende Jungfer (Jimmy il Fenomeno in Frauenkleidern!), die sich vergeblich an Piergallini heranmacht. Und Enzo kann irgendwann eine hübsche Kollegin namens Matilde (Graziella Polesinanti) zur trauten Zweisamkeit in einer Skihütte überreden, aber kurz bevor er zum Zuge kommt, kracht Piergallini durchs Fenster, der gerade … ach, ist es überhaupt wichtig?

Inszeniert wurde der Streifen von Mariano Laurenti, der nicht nur völlig grenzdebile Komödien mit Franco & Cicchio gedreht hat (ZWEI TROTTEL ALS BRUCHPILOTEN), sondern auch völlig grenzdebile Komödien mit ganz anderen Leuten (DER IDIOTENZWINGER). Wie üblich gibt es Albernheiten, bis der Arzt kommt: Piergallini beispielsweise rutscht bei der Ankunft vor dem Hotel aus und gleitet auf dem Eis Richtung Tal. Später bringen zwei Polizisten den steifgefrorenen Mann zurück und erklären, dass er über die Grenze rutschen wollte – und das ohne Pass. Tusch!

Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Klamotten dieser Machart fristet EIN NACKTER PO IM SCHNEE noch sein Dasein im VHS-Archiv, nur in Italien hat er es auf eine DVD geschafft. Zur Hochzeit meines Italo-Komödien-Konsums, also in den Jahren 1998 bis 2003, empfand ich den Streifen als überdurchschnittlich – was man wohl so verstehen darf, dass in dem Genre jeder neue Film stets Luft nach unten aufzeigt. Wahrscheinlich wurde das milde Urteil aber hauptsächlich durch die reizende Annamaria Rizzoli angeregt, die auch in verwandten Filmen wie DIE SCHULSCHWÄNZERIN oder DIE MAUSEFALLE IM STUNDENHOTEL ihr wunderschönes Gesicht in die Kamera hielt (und einen nur leichtbekleideten Popsch). Man versteht angesichts dieses zauberhaften Geschöpfs ja durchaus die nimmermüden Anstrengungen von Piergallini und würde es dem kleinen Männlein doch wünschen, wenigstens einmal zum Zuge kommen zu können.

 

Ein nackter Po im Schnee (Italien 1980)
Originaltitel: La settimana bianca
Englischer Titel: Girls Will Be Girls
Regie & Buch: Mariano Laurenti
Kamera: Maurizio Maggi
Musik: Gianni Ferrio
Darsteller: Annamaria Rizzoli, Gianfranco D’Angelo, Enzo Cannavale, Bombolo, Graziella Polesinanti, Jimmy il Fenomeno

Coverphoto: Christian Genzel

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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