Ein Retro-Jump’n’Run mit Fantasy-Setting, dämonischen Gegnern und Metal-Flair: genau das Richtige für unseren Gastautoren Don Arrigone, der hier von SLAIN: BACK FROM HELL berichtet.
Im Schein des Vollmonds steht ein Mann mit bluttriefendem Schwert auf einem Berg von Leichen, im Hintergrund können wir schemenhaft eine düstere Ruine erkennen. Sein Umhang und das lange, weiße Haar werden von einem Sturm auffallend elegant zur Seite geweht. Den linken Arm hat er zum Himmel gestreckt und formt mit seinen Fingern die manu cornata oder das devil sign (vulgo auch als „Pommesgabel“ bekannt), Blitze zucken aus seiner Hand gen Nachthimmel. Man könnte berechtigt annehmen, dass es sich hierbei um das Cover eines Metal-Albums handelt, designt von einer Band, die einfach nicht akzeptieren will, dass die frühen neunziger Jahre schon lange vorbei sind. Aber das stimmt so nicht ganz: Vielmehr handelt es sich bei SLAIN: BACK FROM HELL um das Computerspiel, das jeder Metaler der frühen neunziger Jahre gerne gespielt hätte. Die Chance dazu bekamen wir allerdings erst 2016.
Dabei begann die Geschichte so enttäuschend wie ein modernes Metallica-Album: Die ursprüngliche Version von SLAIN!, erschienen im März 2016, soll den damaligen Rezensionen zufolge banal und eintönig gewesen sein und nicht frei von Kinderkrankheiten. Glücklicherweise ließen sich die Entwickler von Wolf Brew Games nicht einschüchtern und überarbeiteten das Spiel grundlegend. Bereits im August 2016 erschien ein umfangreicher Patch, und SLAIN! wurde mit dem Zusatz BACK FROM HELL neu aufgelegt. Die Mühe hat sich gelohnt, BACK FROM HELL ist ein mehr als nur solides Erstlingswerk.
Das Spiel beginnt, als unser Held, der frei jeglicher Subtilität auf den Namen Bathoryn hört, gegen seinen Willen von den Toten auferweckt wird, um gegen das Böse vorzugehen, personifiziert im dämonischen Fürsten Vroll. Ein paar Dialoge voller Klischees („May the might of fire, ice and steel be with you“) später beugt sich Bathoryn dem Willen des Great Horned Metal God und macht sich auf den Weg, seinen Feinden im blutigen Zweikampf gegenüberzutreten.
Das eigentliche Spiel ist dann am ehesten mit Klassikern wie CASTLEVANIA, GHOSTS ‚N GOBLINS oder DEMON’S CREST vergleichbar: In klassischer 2D-Manier hüpft, kämpft und stirbt man durch Levels im liebevollen, detailreichen Pixel-Look. Dabei wird graphisch kein Klischee ausgelassen: Weder düstere Ruinen, unheilige Berglandschaften, unheimliche Wälder noch die obligatorische Kanalisation fehlen. Da all diese Gegenden abwechslungsreich gestaltet sind, kann man sich auf visueller Ebene nicht über aufkommende Langeweile beschweren.
Kritischer hinsehen muss man beim Leveldesign: Hier hätte auf Dauer etwas mehr Abwechslung nicht geschadet. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf dem Kampfsystem, wirklich anspruchsvolle und innovative Jump’n’Run-Sequenzen vermisst man ebenso wie einfallsreiche Fallen – normalerweise gilt es nur, bestimmte Stellen zu vermeiden. Die Gegner lassen sich zudem mit einer überschaubaren Anzahl an Taktiken in Schach halten, oft besteht die Herausforderung mehr in Quantität denn Qualität. Einfallsreiche Auflockerungen wie die Passage, in der man in einen Wolf verwandelt wird und sich einem Rennen auf Leben und Tod stellen muss, sind leider die Ausnahme. Auch an Geheimnissen gibt es im linearen SLAIN: BACK FROM HELL nicht viel zu entdecken, nur die Bestandteile eines im Endeffekt recht nutzlosen Talismans lassen sich über die Level verstreut finden.
Dafür glänzt SLAIN bei den Bosskämpfen. Einerseits können hier wieder in den Gesprächen ordentlich Gemeinplätze aufgearbeitet werden, wie die Verbrüderung mit dem großen Wolfsgeist oder der ehrenvolle Sieg über den verfluchten Krieger, andererseits braucht fast jeder Kampf eine ganz eigene Taktik. Zudem war der Schwierigkeitsgrad für mich fast perfekt: hart und fair und fast keine Chance auf einen Sieg im ersten Anlauf, aber gerade noch im Rahmen, so dass man motiviert ist, einen weiteren Versuch zu wagen, und sich über jeden noch so kleinen Fortschritt freut. Dass man nach gewonnener Schlacht headbangend dem Great Horned Metal God huldigen darf, ist natürlich eine mehr als angenehme Dreingabe. Mein einziger Kritikpunkt ist, dass die Kämpfe gegen Ende sogar etwas leichter ausfallen – gerade der letzte Boss ist in seiner ersten Phase am herausforderndsten.
Dass man sich solch harten Levels und Kämpfen stellen kann, verlangt natürlich nach guter Steuerung. Hier gibt’s in der BACK-FROM-HELL-Fassung nichts zu meckern: Held Bathoryn lässt sich 1A manövrieren, trotz der steilen Lernkurve hätte ich keinen meiner unzähligen Tode auf die Steuerung schieben können. Die Komplexität ist angesichts von drei Waffen, die sich nur im Schaden gegen bestimmte Gegner unterscheiden, und zwei Zaubersprüchen überschaubar, hier hätte man das Spiel durchaus noch aufpeppen können. Dafür eröffnen Funktionen wie Ausweichen, Blocken, Konter und aufladbare Attacken einiges an taktischem Spielraum, den man auch schon bei normalen Gegner nutzen muss. Blindes Draufhauen hat meist nur meinen Hauptcharakter das Leben gekostet.
Zusammengehalten wird das ganze Spiel von dem genialen Soundtrack, für den Curt Victor Bryant, Ex-Bassist und -Gitarrist von Celtic Frost (wenn auch zu COLD-LAKE-Zeiten) verantwortlich zeichnet. Die Musik ist äußerst atmosphärisch und trägt maßgeblich zum Old-School-Metal-Thema von SLAIN! bei; gerade wegen der vielen Anläufe, die ein Level braucht, hört man einige Nummern dann aber doch recht oft. Zudem hätte man für meinen Geschmack bei den Bosskämpfen das Pathos noch auf 11 raufdrehen können – zumal das Spiel ja sonst kein Klischee auslässt (selbst ein Achievement namens „Man O War“ ist enthalten).
Alles in allem ist SLAIN ein knackig schwerer, kurzweiliger Plattformer, der in der BACK-FROM-HELL-Fassung auch im Vergleich zu Genregrößen wie CASTLEVANIA noch gut abschneidet, selbst wenn noch Luft nach oben besteht. Spezielle Zielgruppe sind natürlich Heavy-Metal-Fans, die den Soundtrack und den bewusst klischeebeladenen Humor zu würdigen wissen. Persönlich hoffe ich auf jeden Fall, dass trotz der Rückschläge mit der ersten Version das am Ende angekündigte „to be continued“ eingelöst werden kann.
Die Screenshots stammen von www.mobygames.com.