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Die blutigen Anfänge von MORTAL KOMBAT

Im Zuge unseres Schwerpunkts zum Thema „Die Spieleverfilmungen der Neunziger“ hat sich unser kampflustiger Gastautor Don Arrigone nicht nur DOUBLE DRAGON, sondern auch MORTAL KOMBAT noch einmal vorgenommen.

MORTAL KOMBAT – ein Spiel wie ein Ausrufezeichen. 2019 bei Teil 11 angekommen, zählt die Reihe immer noch zu den härtesten und brutalsten Fightern auf dem Markt. Und jetzt stelle man sich bitte vor, was ein adrenalintreibender Techno-Soundtrack, revolutionäre Grafik und a bit of the old ultra violence vor 27 Jahren bei Teenagern auslösten. Vor dem Internet, vor spielerischen Schockern wie DOOM, und als man Horrorfilme nur von dreimal kopierten, vollkommen verwaschenen VHS-Tapes kannte. Wenn man MORTAL KOMBAT einmal irgendwie in die Finger bekam, musste man es einfach spielen. So erging es mir dann auch wieder, als ich mich nicht nur auf meine Erinnerung verlassen wollte und deshalb kurzerhand zu meinem Kumpel Casi nach Leipzig fuhr, um den ersten Teil gemeinsam auf seinem SNES Revue passieren zu lassen. Bei Fighting-Games reist man ja auch immer um die halbe Welt, um seinen Opponenten zu verprügeln.

Als MORTAL KOMBAT die Bildfläche bzw. Bildschirme betrat, war der Fighter-Markt schon umkämpft. STREET FIGHTER war bereits 1987 erschienen, die wesentlich bekanntere Fortsetzung 1991. Ebenfalls 1991 war der erste Teil der FATAL-FURY-Reihe veröffentlicht worden. Die Konkurrenz war 1992, im Erscheinungsjahr von MORTAL KOMBAT, (noch) überschaubar, aber dennoch hart – nicht umsonst gelten die genannten Spiele bis heute als Klassiker des Genres. Insbesondere STREET FIGHTER II hatte die Latte durch die nahezu perfekte Steuerung und das einprägsame Charakterdesign ganz schön hoch gelegt. Was also tun, um sich durchzusetzen? MORTAL KOMBAT setzte auf Innovation, und das in mehr als einer Hinsicht.

Von der Brücke konnte man in eine Stachelgrube gestoßen werden.

Das erste, woran ich bei MORTAL KOMBAT denke, ist die Gewalt, aber das geht uns wohl allen so. Zumindest auch Casi. MORTAL KOMBAT war 1992 der mit Abstand brutalste Fighter und eines der blutigsten Spiele überhaupt. Die SNES-Version des ersten Teiles färbte das Blut zwar blau ein und wollte es als „Schweiß“ verkaufen, aber auch Jugendlichen war klar, dass Transpiration das kleinste Problem ist, wenn man gerade von einer Brücke herab gestoßen wird, in einer Stachelgrube landet und von einer Lanze aufgespießt wird. So wie es meinem Charakter gerade erging, nachdem mich Casi zum zweiten Mal in Folge besiegte, weil er sich doch noch vereinzelt an Special Moves erinnerte. Hinzu kamen die sogenannten „Fatalities“: Wenn man einen Gegner besiegt hatte, dann wankte dieser noch einige Sekunden benommen. In diesem Zeitraum konnte man spezielle Moves ausführen, die einen besonders spektakulären Tod zur Folge hatten. Scorpion beispielsweise zog sich seine Maske ab, präsentierte den darunter verborgenen Totenschädel und verbrannte seine Feinde mit Feuerhauch. Kano riss seinen Opponenten kurzerhand das Herz raus, Sub-Zero den Schädel samt Wirbelsäule. Leider, wie wir wieder merken mussten, sind die Fatalities recht schwierig auszuführen, und so bekamen wir sie diesmal nur zu Gesicht, wenn wir von einem Computergegner niedergemetztelt wurden. Bei dem happigen Schwierigkeitsgrad leider kein Einzelfall, aber zumindest freut man sich über den ebenso kreativen wie einprägsamen Abtritt.

MORTAL KOMBAT war und ist allerdings mehr als seine Gewalt. Der Look war zu seiner Zeit ebenso einzigartig: Die Sprites wurden nicht, wie bei der Konkurrenz üblich, von Hand gezeichnet, sondern basieren auf digitalen Aufnahmen echter Schauspieler. Das vierarmige Monster Goro, der vorletzte Boss und einer der ikonischsten Charaktere des Spiels, wurde per Stop-Motion-Technik animiert. Dementsprechend hatte MORTAL KOMBAT einen realistischeren Look als die Konkurrenz, selbst bei abgefahrenen Kämpfern wie dem Donnergott Raiden, den Ninjas Scorpion und Sub-Zero oder besagtem Ungetüm Goro. Wiedererkennungswert war auf den ersten Blick gegeben.

Aufgrund der coolen Designs war es gar nicht so einfach, einen Lieblingscharakter zu wählen. Spielerisch waren sie bis auf die Special Moves identisch, also musste man auf äußere Werte setzen. So war mein Favorit der mysteriöse Scorpion. Einerseits war er ein Ninja und damit per se cool, andererseits konnte er per Move seinen Gegner mit einem Messer an einem Seil an sich heranziehen, um ihnen dann im Nahkampf ordentlich einzuheizen. Casi zog Raiden vor, aufgrund der vielen Blitze und des schicken Reishuts. Dementsprechend unterstelle ich ihm, bösartig wie ich bin, insgeheim ein großer Christopher-Lambert-Fan zu sein, auch wenn er dies ausdrücklich leugnete. Erinnerungswürdig waren die Figuren auf jeden Fall – wirklich Probleme, alle Charaktere zu benennen, hatten wir bei den Recherchen erst ab dem dritten Teil. Das hängt auch damit zusammen, dass die sogenannten Palette-Swaps, bei denen eigentlich identische Figuren in verschiedenen Färbungen auftreten, immer mehr zunahmen: Gerade die Ninja-Charaktere waren davon betroffen. Und so gab es neben Scorpion (gelb) und Sub-Zero (blau) schon im ersten Teil Reptile (grün) als geheimen Boss und ab Teil II noch Noob Saibot (schwarz).

Sub-Zero war nur einer von drei fast identischen Ninjas im ersten Teil.

Viel Gewalt, super Grafik, toller Techno-Soundtrack – aber wie spielt sich das Ganze? Nun, gut. Nachdem mich Casi einige Male mit wiederholten Special Moves vernichtete, ging ich zu Button-Mashing, Sprungkicks und Uppercuts über und konnte so einige Siege einstreichen bzw. Wutanfälle provozieren. Kurz gesagt spielte ich wie das letzte Arschloch. Gegner in die Ecke drängen und dann ja nicht mehr rauslassen. Ein Könner hätte mich natürlich trotzdem oder gerade deswegen vernichtet, aber zum Glück waren wir gleichermaßen außer Übung. Und zwei, drei Special Moves lernte man doch durch Zufall wieder, sollte der Gegner mal aus seiner Ecke kommen. Für die Computergegner von Teil II reichte das trotzdem nicht, aber ich habe ja auch nie behauptet, gut in dem Spiel zu sein. Hinsichtlich Abwechslung und Gameplay war die Konkurrenz MORTAL KOMBAT allerdings einen Schritt voraus: Die Charaktere in STREET FIGHTER II unterschieden sich durch mehr als nur ihre Spezialattacken, zudem steuerte es sich doch noch einmal deutlich flüssiger.

Spätestens aber, als ich Casis Charakter in einen Säurefluss stieß, das ausgelöste Skelett noch einmal an die Oberfläche schwamm und die Wutschreie meines Opponenten die Musik übertönten, war das alles vergessen. Dann machte MORTAL KOMBAT genauso Spaß wie damals.

Der Text gehört zu unserem „Deep Focus“-Schwerpunkt zu den Spieleverfilmungen der Neunziger.

Alle Screenshots: Don Arrigone.
Das Coverbild der amerikanischen SNES-Fassung stammt von der Seite www.mobygames.com.

Don Arrigone
Als Kind ausgesetzt und im Kloster zum Heiligen Massacesi aufgezogen. Zeigte schon in jungen Jahren Interesse an jeglicher Art von Film, insbesondere aber an den Genres Horror und Thriller. Studium der Theologie, Magisterarbeit zur Darstellung der Nonne im italienischen Film des 20. Jahrhunderts. Priesterweihe, und Beitritt zum Geheimorden der Fratri Rossi. Tod während einer nächtlichen Orgie, aufgrund seines sündigen Lebenswandels hinabgefahren in die Hölle. Gefangen im 9. Zirkel der Unterwelt und somit gezwungen, bis zum jüngsten Tag Videothekenfutter zu rezensieren.

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