Im Zuge unseres Schwerpunkts zum Thema „Die Spieleverfilmungen der Neunziger“ hat sich unser rauflustiger Gastautor die Spiele DOUBLE DRAGON und MORTAL KOMBAT noch einmal vorgenommen. Hier sein Bericht zum Kampf-Klassiker DOUBLE DRAGON.
DOUBLE DRAGON ist für mich in gewisser Hinsicht wie Shakespeare. Weder über das eine noch über das andere glaube ich viel Neues sagen zu können. Allerdings habe ich bei DOUBLE DRAGON den Vorteil, dabei gewesen zu sein, im Gegensatz zur Uraufführung von HAMLET. Und so kann ich über DOUBLE DRAGON zumindest reden wie der Großvater vom Krieg.
DOUBLE DRAGON erschien 1987 für Automaten, was für mich fast vollkommen egal war, kannte man Spielhallen doch nur aus dem Italien-Urlaub. Damals ist man noch nach Italien auf Urlaub gefahren, nicht nach Ibiza oder so. Aufgrund des Erfolges ließ die Adaption für das NES allerdings nicht lange auf sich warten. 1988 konnte man sich bereits durch die kriminalitätsverseuchten Straßen einer amerikanischen Großstadt prügeln, ohne extra seine Couch verlassen zu müssen. Es sei denn, man hatte noch keinen Nintendo zu Hause, dann musste man auf das Exemplar im lokalen Einkaufszentrum ausweichen.
Aber mal altersgemäß langsam. Millenials (oder Zoomer, oder wie sich junge Menschen heutzutage nennen) wissen vielleicht gar nicht mehr, was DOUBLE DRAGON eigentlich ist. Also, in eurer Sprache: DOUBLE DRAGON, das war damals lit as fuck, der Babo unter den Beat’em Ups (oder so…). Man spielte den Ehrenmann Billy Lee, im Zweispielermodus auch seinen Bruder Jimmy, ging von links nach rechts und verprügelte Azzlacken. Dass in den Straßen der Stadt nur halbnackte Muskelpakete beiderlei Geschlechts unterwegs waren, wunderte damals niemanden. So waren New York und Co. halt. Kannte man so auch aus den ganzen Filmen. Persönlich glaube ich ja, dass das immer noch so ist, weswegen ich ja nie ins Ausland reisen würde, außer vielleicht nach Italien. Gibt’s dort diese schönen Spielhallen noch?
Ziel des Spieles ist es, alle Gangster zu verprügeln und seine Freundin Marian zu retten. Frauen durften damals halt noch einfach das hilflose Opfer sein, das auf die Hilfe des Mannes angewiesen war. Heutzutage darf man das ja so nicht mehr sagen, aber es waren andere Zeiten. Heute muss man wohl froh sein, wenn Princess Peach nicht Mario retten muss. Das wird man wohl noch sagen dürfen!
DOUBLE DRAGON war also verdammt simpel, vor allem verglichen mit heutigen Hochglanz-Beat’em Ups à la DEVIL MAY CRY oder GOD OF WAR. Aber es waren auch simplere Zeiten, und wir kannten nichts anderes. Und wir waren halt immer hungrig, hungrig auf neue Spiele. Zudem hat sich außer der Präsentation am grundlegenden Spielprinzip – immer mitten rein in die Fresse – seit Brawler-Urvater KUNG-FU MASTER von 1984 nicht wirklich viel geändert.
DOUBLE DRAGON hat massiv zum Erfolg des ganzen Genres beigetragen. Coole Cover waren wir damals von NES-Spielen und Videokasseten gewohnt, aber gerade DOUBLE DRAGON II und III legten hier die Latte noch einmal ein gutes Stückchen höher. Nur Fabio (Lanzoni, aber den kennt ihr jungen Leute sicher nicht mehr!) fehlte noch zum vollkommenen Glück. Das coole, urbane Setting und der eingängige Soundtrack haben auch ihren Teil zum Erfolg beigetragen. Und ganz wichtig: der Zwei-Spieler-Modus, damals in Beat’em Ups eine völlige Neuheit und inzwischen leider auch keine Selbstverständlichkeit mehr. Man bedenke: Damals gab es ja auch dieses komische Internet noch nicht wirklich!
Gerade der zweite und der dritte Teil boten auch hinsichtlich des simplen Spielprinzips einige spannende Abwechslungen. In Teil II wird beispielsweise ein Kampf in einem Hubschrauber bestritten, dessen Türe sich regelmäßig öffnet. Dann gilt es, bloß nicht aus dem Fluggefährt gesaugt zu werden und in den sicheren Tod zu stürzen. Wir wussten ja damals noch nicht, dass man selbst aus der Stratosphäre springen kann! Und in Teil III, in dessen Verlauf man sogar jenseits der Mauer reiste (und nach Italien!), konnte man auch andere Charaktere freispielen. Falls man so weit kam, denn das Teil war nicht nur extra knackig, man hatte auch sage und schreibe ein Leben und keine Continues. Da galt es dann, auf die bewährte Sprungkicks zu setzen, das Allheilmittel so ziemlich aller damaligen Brawler. Aber man hatte ja auch einen längeren Atem als die Kids von heute und war froh, wenn man nach Wochen einmal den dritten Level erreichte.
Und irgendwann, viele Wochen, einige Controller und unzählige Sprungkicks später, war man dann am Ziel und hatte auch dem letzten Boss die Fresse poliert. Und da zeigte sich dann auch der große Unterschied zu Shakespeare: Am Ende waren nicht alle tot, der Rest war nicht Schweigen. Denn egal wie abstrus der Weg zum Abschluss war, am Ende hatte man Marian gerettet, auch wenn sie zwischenzeitlich mal tot war (DOUBLE DRAGON II). Ende gut, alles gut, so war das damals vor diesem postmodernen Nihilismus. Und weil ihr so brav zugehört habt, gibt’s jetzt noch ein Werthers Echte, aber dann ab ins Bett!
Der Text gehört zu unserem „Deep Focus“-Schwerpunkt zu den Spieleverfilmungen der Neunziger.
Alle Screenshots: Don Arrigone.
Das Photo des japanischen NES-Moduls stammt von der Website www.mobygames.com.