Ich hätte ein grundlegendes Problem, wenn ich Mitglied bei einer Geheimgesellschaft sein sollte: Man darf ja niemandem davon erzählen. Wenn man schon in so elitäre und einflußreiche Kreise aufgenommen wird, möchte man doch, daß das Umfeld auch darüber Bescheid weiß! Wieviel Spaß macht es wohl, zum Großmeisterlogenumtrunk eingeladen zu sein und den Freunden dann lahm vorzuschwindeln, daß man schon wieder den Abend auf der Couch verbracht und die Continuity-Probleme von AMERICAN FIGHTER 5 studiert hat?
Die Geheimgesellschaft „The Skulls“ im gleichnamigen Film hat wohl ein ähnliches Problem. Idealerweise wüßte ja gar niemand von der bloßen Existenz eines Zusammenschlusses, der so mächtig ist, daß daraus schon mehrere US-Präsidenten und die Gründung der CIA hervorgegangen sind – aber das bremst das Vergnügen am rituellen Herrenabend ja dann doch zu sehr. Also besitzt die Skulls-Gesellschaft ein großes Gebäude am Campus, innen wie eine Krypta eingerichtet, außen mit großem Logo des Bundes gekennzeichnet (natürlich: der Totenschädel). An der Tür hängt womöglich noch ein Schild: „Hier befindet sich kein Sitz irgendeiner geheimen Gesellschaft“.
Ein anheimelndes Kennelernritual bei den Skulls: Caleb (Paul Walker, links) und Luke (Joshua Jackson). |
So hat sich die Existenz der Skulls also doch schon ein wenig herumgesprochen, weswegen die Studenten am Campus auch schon darüber Bescheid wissen, daß der Clan jedes Jahr fünfzehn neue Studenten in seine Reihen aufnimmt. Das machen sie mit einem schwer geheimen Aufnahmeritual, wie Luke McNamara (Joshua Jackson) feststellen muß: Er erhält einen Telefonanruf, in dem er instruiert wird, innerhalb von 40 Sekunden an einem bestimmten Ort am Campus zu sein. Dort steht ein öffentliches Telefon, an dem er den nächsten Punkt der Schnitzeljagd erfährt. Am Ziel angekommen soll Luke ein komisches Gebräu mit der Aufschrift „Drink Me“ zu sich nehmen, das ihn nicht zu Alice ins Wunderland katapultiert, sondern bewußtlos macht. Wenig später wacht er in einem Sarg im Hauptquartier der Skulls auf, zusammen mit einigen weiteren Anwärtern.
Wie jede anständige Kino-Geheimgesellschaft pflegen auch die Skulls ihre einschüchternden Rituale. Der Club ist eine Mischung aus Sekte und Burschenschaft: Für die Aufnahme muß eine dezent gefährliche Mutprobe bestanden werden, dafür erhalten die Mitglieder dann ein bibelähnliches Regelbuch, das, wie es heißt, für jede Situation die passenden Vorschriften parat hält. Vielleicht steht dann auch darin, wie man der Freundin am schonendsten beibringt, dass der neue gelbe Hut ein Fehlkauf war.
„Steht da auch drin, was man tun soll, wenn das Skript nicht so richtig gut ist?“ |
Als neuer Skull erhält Luke sämtliche Annehmlichkeiten zur Verfügung gestellt, die so ein junger Mann sich wünschen kann (wenn er nicht gerade darauf spezialisiert ist, 35mm-Kopien von alten Shaolinfilmen zu sammeln). Beim großen Empfang in der Festhalle lernt er wichtige Leute kennen und kriegt eine hübsche Frau für den Abend spendiert (die vorher ausführlich über ihn unterrichtet wurde – wahrscheinlich, um beim Smalltalk nicht etwa ein heikles Thema wie Lücken in der hauseigenen Shaolinfilmsammlung anzuschneiden). Plötzlich befindet sich jede Menge Geld auf dem Konto, außerdem wird ein neuer Sportwagen spendiert. Luke kriegt sogar ein Dokument in die Hand gedrückt, daß er auf einer Universität seiner Wahl zum Jurastudium zugelassen wurde – obwohl er sich noch nirgendwo beworben hat! Bei einer solch herzlichen Aufnahme im Kreis solch lieber Menschen darf man einige Momente lang mutmaßen, ob der Konflikt des Films darin bestehen wird, daß Luke doch viel lieber zum Gesangsstudium an die Pop-Akademie nach Mannheim gehen möchte.
Aber nein, die wahren Probleme von Luke liegen ganz woanders: Sobald sein Freund Will und seine platonische Freundin Chloe (die viel zu hübsch ist und außerdem viel zu wenig andere Figuren kennt, um nicht bis Filmende doch noch mit dem schönen Luke anzubandeln) vermuten, daß er nun Mitglied einer Geheimgesellschaft ist, herrscht miese Stimmung. Vor allem Will ist prompt schwer beleidigt, daß Luke ab sofort Geheimnisse vor ihm haben wird.
Voll platonisch: Luke (Joshua Jackson) und Chloe (Leslie Bibb). |
Zum Glück kriegt Luke aber einen neuen Freund zur Seite gestellt: den auch sehr schönen Caleb Mandrake (Paul Walker, bevor er aufs Gaspedal stieg). Bei den Skulls kriegt nämlich jeder einen „Seelenverwandten“ verpaßt, mit dem er über wirklich alles reden kann – außer vielleicht, wenn man gerade den besten Freund seines neuen Seelenverwandten auf dem Gewissen hat, wie es Caleb mit Luke bzw. Will gerade passiert ist. Der Journalismus-Student Will arbeitete nämlich an einem aufrüttelnden Exposé über die Skulls (die sich angesichts ihres Bekanntheitsgrades überlegen sollten, einfach gleich eine PR-Firma anzuheuern). Dafür hat er Calebs Regelbuch und seinen Schlüssel zum Skulls-Hauptquartier geklaut – und bei den dortigen Recherchen kam es durch Calebs plötzliches Auftreten zu einem Unfall, bei dem Will leider kopfüber auf den Marmorboden gekracht ist.
Die Skulls regeln das natürlich: Der Vorfall wird schnell als Selbstmord getarnt, damit das angenehme Skull-Dasein weitergehen kann. Nur ein lästiger Inspektor stellt Luke penetrant unangenehme Fragen – und so darf der frischgebackene Geheimgesellschaftsjüngling schon bald die Wahrheit über seine neuen Brüder erfahren und sich überlegen, wie er aus dem Verein wieder austreten kann. Sie machen es einem ungefähr genauso schwer wie Facebook, wenn man sein Konto löschen will.
Im restlichen Film gibt es Verfolgungsjagden, ein Duell nach dem Regelbuch, Paul Walker mit nacktem Oberkörper beim Boxtraining, einen von Chloe gebauten Kunstroboter und geheimnisvoll gelöschte Sicherheitskameraaufnahmen. Zweimal sitzt Student Luke sogar in einem Seminar, das fast so hübsch photographiert ist wie der ganze Rest vom Film.
The Skulls – Alle Macht der Welt (Kanada/USA 2000)
Originaltitel: The Skulls
Regie: Rob Cohen
Buch: John Pogue
Kamera: Shane Hurlbut
Musik: Randy Edelman
Darsteller: Joshua Jackson, Paul Walker, Hill Harper, Leslie Bibb, Christopher McDonald, Steve Harris, William Petersen, Craig T. Nelson
Die Screenshots stammen von der DVD (C) Kinowelt.