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WONDER WOMAN: Eine Comicfigur wird erwachsen

Gal Gadot als WONDER WOMAN

Im folgenden Gastbeitrag berichtet Podcast-Kollege Dr. Wily von der Comicverfilmung WONDER WOMAN: Die Geschichte eines Kindes, das erwachsen wird.

Auf Themyscira, der Insel, auf der das Kriegervolk der Amazonen lebt und die im Ozean unserer Welt hinter einer Nebelwand verborgen liegt, gibt es einen Mythos: Die Amazonen seien von Göttervater Zeus geschaffen worden, um die Welt vor dem Kriegsgott Ares zu schützen. Sollte Ares wiederkehren, ist es Aufgabe der Amazonen, ihn zu töten und damit seine Macht und Herrschaft zu beenden. Dieser Mythos ist identitätsstiftend für die Amazonen, vor allem aber für Diana (Gal Gadot), die Tochter der Königin. Daß Diana aufgrund ihrer Herkunft etwas Besonderes ist, erfahren wir als Zuschauer sehr bald. Diana selbst weiß nichts davon und wird erst am Ende des Films mit dieser Wahrheit konfrontiert. Ihre Mutter will sie aber deshalb von allen Gefahren fernhalten und verweigert ihr zunächst sogar die bei den Amazonen obligatorische Kampfausbildung – nur um dann doch unter der Bedingung einzuwilligen, daß Diana härter trainiert wird als jede Amazone zuvor.

Der Ruf der Heldin erfolgt durch den Absturz des Piloten Steve (Chris Pine) auf Themyscira. Wir und die Amazonen erfahren, daß wir uns im Jahre 1917 befinden und außerhalb des Inselparadieses der erste Weltkrieg tobt. Steve, ein britischer Pilot, konnte den Deutschen geheime Pläne über deren neue Gaswunderwaffe abluchsen. Diana erkennt, daß dieser Krieg, von dem die Amazonen nichts mitbekommen haben, die vom Mythos prophezeihte Rückkehr von Ares ist, und daß die Zeit gekommen ist, die Aufgabe der Amazonen zu erfüllen. Sie beschließt, mit Steve mitzugehen und sich dem Kriegsgott zu stellen.

Gal Gadot als "Wonder Woman" Diana
Im Kampf gegen Kriegsgott Ares: „Wonder Woman“ Diana (Gal Gadot).

WONDER WOMAN ist im Kern die Geschichte eines Kindes, das erwachsen wird. Wir erzählen Kindern Märchen und Geschichten vom bösen Wolf oder der Hexe, in denen das Böse in einer Figur lokalisiert ist und durch das Ausschalten dieser Person das Böse aus der Welt geschafft werden kann. Meistens leben dann alle „glücklich bis an ihr Lebensende“. Je älter wir werden, desto mehr lernen wir, daß es so einfach nicht ist.

Dianas Entwicklung ist dieselbe. Sie zieht mit der Weltsicht eines Kindes aus und muß am Ende der Geschichte feststellen, daß die Welt nicht so einfach zu fassen und das Böse nicht so einfach zu besiegen ist, wie es der Mythos ihr glauben machte. Der Ares, den sie bekämpfen muss, ist in WONDER WOMAN eine diabolische Figur, der die Menschen verführt und manipuliert, mit dem Ziel, deren wahren, zutiefst menschlichen Kern herauszuschälen und sie sich selbst vernichten zu lassen.

Robin Wright als Amazone Antiope
Eine Amazone auf dem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs: Antiope (Robin Wright).

Der Kontext des Ersten Weltkrieges paßt hier sehr gut. Während zum Beispiel das Dritte Reich ein sehr gut faßbares Feindbild ist, ist es beim Ersten Weltkrieg bis heute schwer, das Geschehene in bekannte Kategorien wie Gut, Böse, Richtig, Falsch, Gerecht, Gerechtfertigt, Schuldig oder Unschuldig zu fassen. Ein gemeinsames Narrativ darüber zu entwickeln scheint fast unmöglich. Selbst Sigmund Freud hat damals seine Libidotheorie um den Todestrieb erweitert, weil er sich diesen ganzen sinn- und zwecklosen Wahnsinn beim besten Willen nicht anders erklären konnte als mit einem der Psyche innewohnenden Trieb.

Diana ist da optimistischer als Freud, und Ares und der Film über sie damit auch optimistischer als ihre nächsten Verwandten aus dem DC Cinematic Universe. Sie lernt, auch in der Beziehung und Auseinandersetzung mit ihrem Partner Steve, daß die Menschen beides in sich tragen und daß sie sich sowohl für das Gute als auch für das Schlechte entscheiden können. Es ist zum Schluß auch ihre eigene, ganz persönliche Entscheidung, als sie erfährt, daß Ares und sie den gleichen Vater haben.

Auch in diesem Glauben und der Hoffnung in die Menschen unterscheidet sie sich von anderen aktuellen zynischen und ironischen Superheldenkollegen. Sie kommt im letzten Satz zu dem Schluß, daß nur die Hinwendung zum Anderen Kriege verhindern kann.



Wonder Woman (USA/China/Hong Kong 2017)
Regie: Patty Jenkins
Buch: Allan Heinberg
Musik: Rupert Gregson-Williams
Kamera: Matthew Jensen
Darsteller: Gal Gadot, Chris Pine, Connie Nielsen, Robin Wright, Danny Huston, David Thewlis, Ewen Bremner

Alle Bilder: © 2017 Warner Bros. Entertainment Inc. and Ratpac Entertainment, LLC

Dr. Wily
Dr. Wily mag das Alte. Selbst aktuellen Entwicklungen in Musik, Film, Literatur und Computerspiel gibt er oft Monate bis Jahre Zeit, um sich von ihnen einnehmen zu lassen. Mit zunehmendem Lebensalter zieht es ihn vermehrt zu Horror- und Mysterygeschichten hin, nur um sich dann seine Seele doch wieder von Richard Linklater, Jim Jarmusch, Jack Kerouac, Jackson Browne, Paul Simon oder J.D. Salinger streicheln zu lassen. Außerdem kann er nach 15 Jahren Spielpause MEGA MAN 2 aus dem Stand bis ins vorletzte Level durchspielen.

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