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Das Comic-Abenteuer der liebenswerten GOBLIIINS

Goblinkönig Angoulafre ist verrückt geworden! Er schreit unter Phantomschmerzen, bricht plötzlich in irres Gelächter aus und fürchtet sich im nächsten Moment zu Tode – obwohl überhaupt nichts im Raum zu sehen ist. Was seine besorgte Hofgesellschaft nicht weiß: Ein Zauberer piesackt den armen König per Voodoopuppe, sticht ihn mit Nadeln, hält ihm Spinnen vor den Kopf und kitzelt ihn mit einer Feder. Um herauszufinden, was den König plagt, werden drei tapfere Goblins zum Zauberer Niak entsandt – der leider nicht gerne Besuch empfängt und sich für seine Dienste am liebsten mit wertvollen Diamanten bezahlen läßt …

Die drei „i“s im Titel sind kein Zufall: In dem Adventure GOBLIIINS steuert man die drei kleinen Gestalten per Icon durch insgesamt 22 Räume, in denen man ihre Fähigkeiten kombinieren muß, um voranzukommen. Der findige Oups kann Gegenstände nehmen und verwenden, während der Krieger Asgard seine Stärke einsetzen und der Magier Ignatius zaubern kann. In jedem Raum gilt es, zunächst mal herauszufinden, was man überhaupt nehmen oder manipulieren kann und wo etwas passiert – um dann alle drei Gobli(ii)ns zusammenarbeiten zu lassen, damit die Geschichte vorangeht.

Der Zauberer Niak wirkt derweil etwas unterbezahlt …

Man braucht etwas Erfindergabe und ein Faible für das absurde Experiment, um alle Hürden meistern zu können. Um auf einen Tisch zu kommen, muß Ignatius beispielsweise einmal eine Pflanze verzaubern, damit diese wächst und Asgard daran hochklettern kann. Aber wie kommt Asgard dann an dem bissigen Gewächs vorbei, das beim Tisch steht? Kann Oups vielleicht aus einem der herumstehenden Töpfe eine Lösung hervorholen …?

Der Weg bis zur Rettung des Königs ist weit und beschwerlich, und überall lauern Gefahren auf die drei Goblins – die sich nicht nur in Form eines zweiköpfigen Drachen oder gigantischer Spinnen abzeichnen, sondern auch meist als Resultat schiefgelaufener Aktionen auftreten. In einem Apfel, den man aufhebt, könnte sich zum Beispiel ein großer Wurm befinden, vor dem sich Oups erschrickt – oder das Ei, das Ignatius verzaubert, könnte sich einfach in die Luft erheben und auf seinen Kopf fallen. Nicht zu vergessen, daß Oups mit manchen Gegenständen gar nichts anzufangen weiß und sich mit denen im Zweifelsfall einfach mal auf den Kopf haut.

Krieger Asgard freundet sich gerade mit einer Spinne an.

Es sind gerade diese Unfälle und Mißgeschicke, die das Vergnügen von GOBLIIINS ausmachen. Das Spiel ist in einem liebevoll animierten Comicstil aufgezogen, in dem niemandem etwas wirklich Schlimmes passiert – meist fürchten sich die Goblins nur mit klappernden Zähnen vor plötzlich auftauchenden Tieren, sehen Sternchen bei schweren Gegenständen, die ihnen auf den Kopf fallen, oder werden von einer putzmunteren Brücke fast verspeist, bevor sie im letzten Moment zurückweichen können. Was immer man tut oder probiert: Die anderen Goblins reagieren darauf. Sie schimpfen und ärgern sich, zeigen dem Spieler den Vogel, oder sie schlagen freudig Purzelbäume. Wenn gerade mal nichts passiert, gähnen sie vor sich hin oder verbreiten sich die Zeit mit dem Jonglieren von Bällen (die ihnen auch gerne mal auf den Kopf fallen). Zum niedlichen Look passen auch die Soundeffekte – vor allem, wenn sich die Figuren in witzigem Gebrabbel artikulieren.

Weil gerade die zahlreichen Reaktionen der Goblins auf ihre Umwelt den Spaß des Spiels ausmachen und die Lösung der Rätsel mitunter recht abgefahren ausfallen kann, ist es umso unverständlicher, daß die Designer einen Energiebalken eingeführt haben: Falsche Aktionen ziehen Energie ab, und wenn alle Energie verbraucht ist, muß man den Bildschirm von vorne beginnen. Es ist eine unnötige Erschwernis, die das Spiel nur in die Länge zieht – immerhin muß man zwangsläufig erstmal alle Fallen kennenlernen, um dann richtig mit ihnen umgehen zu können. So verbringt man einige Zeit damit, entweder die Bildschirme immer wieder neu zu beginnen – oder nach gefundener Lösung nochmal den „perfekten Weg“ zu spielen, um die Energie erhalten zu können. Daß dieses Element den Spielspaß eigentlich nur stört, merkt man unter anderem daran, daß die Designer selber in der ein Jahr später folgenden Fortsetzung darauf verzichtet haben und man dort nach Herzenslust folgenlos in jedes Unglück rennen darf.

Wie kriegt man diesen schwerhörigen Kerl dazu, aufzuwachen?

Der überflüssige Energiebalken ist aber der einzige Wermutstropfen dieses wunderbaren Spiels, das den Startschuß zur wohl schönsten Adventure-Reihe der französischen Firma Coktel Vision gab. Die Graphiken sind prächtig, die Ideen höchst kreativ und die Geschehnisse ganz einfach schwer unterhaltsam – auch wenn manche Lösung eher abstrus ist, während andere Puzzles sich als recht einfach entpuppen. Aber wo sonst muß man einen Bibliothekar, der zum Werwolf verwandelt wurde, zu Lachtränen bringen, um ihn von seinem Fluch zu heilen? Wo sonst fängt man einen lose herumhüpfenden Fuß ein? Und wo sonst versucht man mithilfe einer Kanone, eine schwerhörige Magierratte aufzuwecken?



Alle Screenshots aus dem Spiel genommen, (C) 1991 Coktel Vision.

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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