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SHOCKING FEAR: Lovecraft aus dem Loch

„Terror und Tod, hier herrscht der Wahnsinn“, verspricht uns die VHS-Box von SHOCKING FEAR, der im Original LURKING FEAR heißt und auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von H.P. Lovecraft basiert. Im Filmgespräch mit dem großen Alten Don Arrigone wollen wir einen genauen Blick auf diesen Videothekenstreifen werfen, der 1994 herauskam und mit HELLRAISER-Dame Ashley Laurence (hier als Ashley Lauren), RE-ANIMATOR Jeffrey Combs und Charaktergesicht Vincent Schiavelli aufwarten kann. Ein junger Mann ist auf dem Weg in ein kleines Kaff, wo er die Beute eines Raubzugs suchen will, die sein Vater dort versteckt hat. Ihm sind aber nicht nur diverse Killer auf der Spur – nein, im Ort gehen auch ungustiöse Ungeheuer umher … Wohlan, Don, reden wir darüber!

Genzel: Wie, räusper, fast immer bei Lovecraft endet auch das hier mit einer großen Explosion. 

Don Arrigone: Ja, wir haben hier ein Loch und Höhlen, in dem namenlose Monster hausen, und am Ende füllen die Helden alles mit Benzin und zünden es an. Da fliegt so einiges in die Luft. Unter anderem auch der Balkon, der von innen heraus zu explodieren beginnt, bevor das restliche Gebäude noch einmal hochgeht.

Die gesamte Handlung hat ja in einer Kirche gespielt, und am Ende gehen gefühlte 10 Gebäude in Flammen auf, also vermutlich die gesamte Stadt. Es heißt ja auch, dass das Tunnelsystem sehr weit verzweigt ist .

CG: Es war aber immer dasselbe Haus. Also: dasselbe Modell vom selben Haus. Gründlicherweise sind auch die oberen Stockwerke explodiert, obwohl das Benzin in den Tunnel gepumpt wurde.

DA: Allerdings sind die Stadtbewohner reichlich spät auf die Idee mit dem Benzin gekommen – immerhin wüten die Anthropophagen da schon eine ganze Weile …

CG: Man möchte meinen, dass in den 20 Jahren, die die Untiere da laut Film schon ihr Unwesen treiben, sich irgendwann irgendjemand mal eine Waffe besorgt hätte oder auf die Idee mit dem Dynamit gekommen wäre, um den Monstern den Garaus auszumachen. Hier jagen sie ja schon zum Schluß den Friedhof in die Luft – wobei uns nicht klar ist, wieso das oberirdische Sprengen von Grabsteinen die Bewohner von Höhlen erschüttern sollte, deren Ausgang direkt im Kirchgebäude liegt, aber gut. Sie haben da ein Loch, aus dem die Viecher rauskommen – wieso haben sie da in den 20 Jahren nicht schon mal längst etwas reingeworfen? Oder das überflutet, wie man das mit Ratten in Gemäuern macht?

DA: Ja … für mich als Bewohner dieses Dorfes wäre die noch logischere Lösung gewesen, daß ich wegziehe. Und wenn so ein Monsterangriff jetzt zum ersten Mal der Polizei gemeldet wird, dann machen die vermutlich einen Alkohol- und Drogentest mit dir, aber wenn das gesamte Dorf inklusive Polizeistation berichtet, dass da garstige Gestalten auftauchen, dürfte es doch in den Vereinigten Staaten irgendwelche Organisationen geben, die sich da vielleicht dann mal darum kümmern. Das waren ja auch nur um die 10 Monster … eine Einheit Soldaten mit Schnellfeuergewehren hätte das doch halbwegs flott lösen können sollen.

CG: Man könnte das Loch auch einfach zumauern, sollte man nicht so zur Gewalttätigkeit neigen. Und den Friedhof verlegen.

Nun bin ich aber kein Lovecraft-Experte –was ist denn eigentlich der tatsächliche Lovecraft-Gehalt des Films?

DA: Es gibt diese Kurzgeschichte „The Lurking Fear“ tatsächlich, und es geht da tatsächlich um eine im Untergrund hausende Meute von Menschenfressern. Einzig der Krimiplot ist frei erfunden. Insofern ist der Lovecraft-Gehalt also recht hoch – zumindest, wenn man „freie“ Adaptionen wie CTHULHU MANSION als Vergleich heranzieht.

CG: Mir scheint der Streifen eine Gangstergeschichte mit NIGHT OF THE LIVING DEAD verknüpfen zu wollen – ein paar Leute, die aus verschiedenen Gründen in einem Haus zusammenkommen, in diesem Fall eine Kirche, um sich gegen miesepetrige Monster zu wehren. Mit etwas gutem Willen ist da also vielleicht auch THE FOG Vorbild – im Prinzip jeder Film, in dem sich Leute vor einer Bedrohung verschanzen, die da von außen kommt.

Trotz 18er-Freigabe auf dem VHS-Tape konnten wir allerdings nur die gekürzte Version begutachten.

DA: Die vermutlich sehr stark gekürzte Version.

CG: … in der immer nur ein sehr harter Schnitt kam, und dann waren Leute nicht mehr Teilnehmer der Handlung.

DA: Nicht mehr Teilnehmer des Lebens.

CG: Ich fand‘ SHOCKING FEAR ja anfangs gar nicht so schlecht. Er war von der Stimmung her nicht uninteressant gemacht, mit der Kirche und den Vorbereitungen zur Sprengung und der Tatsache, daß man gar nicht so genau weiß, was da passieren wird. Es war ganz angenehm, wie er diese verschiedenen Handlungsstränge am Anfang eingeführt und sich dabei gar nicht so sehr angestrengt hat, einem gleich zu Beginn zu erklären, wie das alles zusammengehört – das hat sich nach und nach ergeben.

Das war interessant – man hat sich am Anfang richtig gefragt: Was passiert da? Zum Beispiel, wie sie sich vor dem aufkommenden Sturm fürchten und das Dynamit anbringen. Und auch diese Familiengeschichte mit dem Leichenbestatter, dem Freund des verstorbenen Vaters – das war gar nicht schlecht gemacht, ganz B-Movie Charme, aber durchaus geschickt und stimmungsvoll gemacht. So ganz aufgegangen ist es dann leider nicht.

DA: Ich bin ja auch sehr anfällig für den Charme, den alte verfallene Kirchen haben, gerade in der Kombination mit Nacht, Mondlicht, Nebel und Sturm – das finde ich auch ein sehr spannendes Setting für einen guten, klassischen Horrorfilm, aus dem man was machen kann. Aber von den Bildern her hätte man da noch wesentlich mehr rausholen können. Es sah nicht wirklich schlecht aus, aber eher … Hausmannskost, wenig wirklich spannende Shots.

CG: Das Problem ist, daß sich die Geschichte dann verläuft. Da sind sie dann in der Kirche, und dann kommen hin und wieder die Viecher … und dann kommen sie halt mal aus dem Boden, mal raus dem Loch, und dann sind es mal mehrere … mal kommt ein Arm, jemand wird nach unten oder seitlich aus dem Bild gezogen … während die Figuren über das Loch reden, zusammenkauern oder sich gegenseitig bedrohen. Der Priester sieht die Katastrophe kommen, eine Familiengeschichte erklärt die Herkunft der Monster, und irgendwie summiert sich das nie zu etwas, was wirklich spannend wäre. Gerade gegen Ende macht der Film dann recht wenig her für das, was vorweg eigentlich kam.

DA: Ja, der Anfang ist spannender inszeniert, aber sobald die Situation geklärt ist, verkommt die Sache zu einem absolut berechenbaren, normalen Slasher. Auch die Hintergrundgeschichte der Hauptfigur hilft da wenig … sie scheint immer wieder durch, aber der Krimiplot mit der Suche nach dem Geld und den Streitigkeiten zwischen den beiden Parteien nimmt halt wesentlich mehr Platz ein, als dass der Protagonist sich mit seiner Familiengeschichte beschäftigt – insofern ist die Auflösung dann … ja … sehr beliebig. Es hinterlässt nicht wirklich Eindruck, als der Hauptcharakter dann das dunkle Familiengeheimnis lüftet, dass die Untiere seine Vorfahren sind. Wir leiden nicht mit ihm mit … er leidet ja selber auch nicht drunter!

CG: Gerade dieser Twist mit der Familiengeschichte war dann höchst aufgesetzt, vor allem mit seinem Voice-Over am Ende: Er weiß nicht mehr, wer er ist, und er ist Gefangener seiner selbst – aber ehrlich, wenn die Monster ihm nicht gesagt hätten, dass sie seine Vorfahren sind, sondern stattdessen die Familie Prokopetz aus Itzehoe, dann wäre das für ihn genauso schlimm bzw. nicht schlimm gewesen, weil es genau so wenig mit ihm zu tun hätte.

Die Situation, daß sich da eine heterogene Gruppe gegen das Böse verschanzen, wurde kaum ausgekostet. Bei NIGHT OF THE LIVING DEAD oder zum Beispiel auch bei Carpenters ASSAULT – ANSCHLAG BEI NACHT entsteht da eine Grundspannung, weil unterschiedliche Figuren zusammenarbeiten müssen, um die Bedrohung zu überwinden, zum Beispiel Polizisten und Verbrecher. Bei SHOCKING FEAR wird das versucht mit ein paar Gangstern und einem Typen, der von ihnen gejagt wird, dazu Leute aus einem Dorf und einem Priester … aber es endet damit, dass sie sich permanent gegenseitig mit der Waffe bedrohen und in Schach halten, aber nicht damit, daß Spannung zwischen den Figuren aufkommt.

DA: Trotz ein paar Ansätzen, den Figuren Persönlichkeit zu verleihen, werden sie aber auch stark auf einzelne Charakterzüge beschränkt. Der Priester will sich selbst opfern, um Jesus nachzufolgen, der Arzt ist Alkoholiker und schwer nikotinabhängig, die eine junge Dame hat ihre Schwester verloren und hatte einen Vater im Vietnam, weshalb sie zur Actionheldin wird, die Femme Fatale hat auffällige Brüste, der Verbrecher ist … ein Verbrecher … und der Hauptcharakter … (Stille)

CG: … schaut aus wie Wolverine.

DA: Gerade der Protagonist hat wirklich gar nichts. Ich könnte den jetzt auch nicht beschreiben. Hätte der die Straße runter einen Mord begangen, und ich müsste bei der Polizei aussagen, ich wäre hoffnungslos überfordert.

CG: Sollen wir noch kurz über die Monster reden?

DA: Die Ungetüme sahen eigentlich gar nicht soooo schlecht aus. Ich fand das Design der Bestien recht ansprechend. Es war nur problematisch, daß das Monster mehrmals gut ausgeleuchtet gezeigt wurde … eher untypisch für billige Horrorfilme.

CG: Ich fürchte, das Monster im Schatten zu verbergen, hätte den Film nicht besser gemacht. Aber es gab einzelne Momente, die waren sehr interessant, gerade weil man das Monster gut sieht. Zum Beispiel, als der Priester redet und die Kamera um ihn herumgeht – und man sieht plötzlich das Ungetüm hinter ihm, zu dem er offensichtlich Kontakt hat. Da war das recht interessant, daß man die Kreatur sehr deutlich sieht – es wird damit ja auch suggeriert, daß da eine Beziehung zwischen den beiden besteht.

DA: Die Szene fand ich ebenfalls visuell spannend. Da hast du ganz Recht.

CG: Dann gab es gegen Ende eine ähnliche Szene, als unsere Hauptfigur im Tunnel ist und nach vorne kriecht – und man sieht sehr deutlich das Untier hinter ihm, das ihn beobachtet, aber er sieht die Monstrosität eben nicht. Einfach gemacht, aber eine nette Idee, weil hier auf den Standard-Überraschungseffekt verzichtet wird. Er weiß nicht, daß er beobachtet wird, wir als Zuschaue aber schon.

DA: Gerade dadurch, daß da ein paar spannende Ideen enthalten sind und der Film eben bei weitem nicht absolut schiefgegangen ist, fand ich ihn aber ab Minute 30 herum absolut ermüdend. Er ist nicht gut genug, daß die Spannung dann ewig anhält, und er ist nicht schlecht genug, daß man die ganze Zeit lachend am Boden liegen würde. Leider hatten wir, wie gesagt, die gekürzte Fassung – ein paar nette Gore-Effekte zwischendrin hätten das Teil wohl nochmal aufgelockert und insgesamt unterhaltsamer gemacht. So stand eben das Trauerspiel der Charakterinteraktion im Vordergrund.

CG: Leider sind auch die guten Elemente fast alle in der ersten Hälfte des Filmes – da ist man positiv gestimmt und denkt sich: Och, da steckt ja was drin. Dann kommt aber nichts mehr nach, und man schaut 45 Minuten lang zu, wie aus den guten Elementen nicht recht viel zusammenkommt.

Wir sollten ihm aber mit einer ungeschnittenen Fassung nochmal eine Chance geben. Ich will gar nicht so ganz streng sein mit dem Film … wir haben schon viel Schlimmeres gesehen.

Shocking Fear (USA 1994)
Originaltitel: Lurking Fear
Regie: C. Courtney Joyner
Buch: C. Courtney Joyner, nach der Kurzgeschichte von H.P. Lovecraft
Musik: Jim Manzie
Kamera: Adolfo Bartoli
Darsteller: Jon Finch, Blake Bailey, „Ashley Lauren“ (= Ashley Laurence), Jeffrey Combs, Allison Mackie, Paul Mantee, Vincent Schiavelli

Don Arrigone
Als Kind ausgesetzt und im Kloster zum Heiligen Massacesi aufgezogen. Zeigte schon in jungen Jahren Interesse an jeglicher Art von Film, insbesondere aber an den Genres Horror und Thriller. Studium der Theologie, Magisterarbeit zur Darstellung der Nonne im italienischen Film des 20. Jahrhunderts. Priesterweihe, und Beitritt zum Geheimorden der Fratri Rossi. Tod während einer nächtlichen Orgie, aufgrund seines sündigen Lebenswandels hinabgefahren in die Hölle. Gefangen im 9. Zirkel der Unterwelt und somit gezwungen, bis zum jüngsten Tag Videothekenfutter zu rezensieren.

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