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SCHLUSSMACHER: Der nächste deutsche Beziehungsschlager

Es war abzusehen: Auch bei seiner zweiten Regiearbeit befindet sich Matthias Schweighöfer ganz im Til-Schweiger-Modus. Nachdem er mit der Maskulinitätsklamotte WHAT A MAN zwei Stunden lang Männer-und-Frauen-Klischees über die Leinwand geigte und dazu wie das große Vorbild unerbittlich charttauglichen Dauerpop auf- und abdudeln ließ, folgt mit SCHLUSSMACHER ein exakt gleich inszenierter Beziehungsschlager: Große Gefühle werden behauptet, seichte Banalitäten werden verbreitet, und das Publikum darf von vorne bis hinten mitschunkeln.

Der titelgebenden Schlußmacher, den Schweighöfer hier spielt, ist ein Mitarbeiter einer sogenannten Trennungsagentur: Paul wird angeheuert, um stellvertretend für jemanden Beziehungen zu beenden. Das Geschäft blüht, und Paul ist hochtalentiert – was vielleicht daran liegen könnte, daß er selber ganz schwere Bindungsängste hat, weshalb er seinen Kunden auch absolut aufrichtig empfehlen kann, eine Trennung sei die beste Lösung. Ein Opfer seiner Dienste, Thorsten, verkraftet die Beendigung seiner Liebe aber ganz schlecht, wird höchst anhänglich und begleitet Paul auf seinen weiteren Reisen als Chauffeur – was der nur akzeptiert, weil er Angst hat, der Mann könnte sich etwas antun. Und während Paul auf seinen tausendsten Auftrag zusteuert, der ihn zum Firmenpartner machen würde, entwickelt sich eine Freundschaft zu dem armen Tropf Thorsten, die ihn nach und nach seinen Beruf hinterfragen läßt.

Ein unabtrennbares, treues Anhängsel: Thorsten (Milan Peschel).

Gut, wo fangen wir an? Die Prämisse des Films scheint ein wenig auf den wunderbaren Clooney-Film UP IN THE AIR zu schielen, wo ein ungebundener und heimlich einsamer Mann gut darin war, Entlassungen im Namen von Firmen vorzunehmen. Hier wird das Konzept also fröhlich auf Beziehungen umgemünzt – und damit gleich ins Reich irgendwo zwischen bizarrer Welt und Stammtisch-Beziehungsgeplänkel angesiedelt. Was genau wären das für Leute, die jemanden anheuern, um ihren Freund, ihre Freundin, ihren Ehepartner aus der Beziehung zu „entlassen“ – und dazu noch auf Anraten der Agentur die Telefonnummer ändern oder gleich über die Mitarbeiter den Auszug der Person abwickeln zu lassen?

SCHLUSSMACHER scheint jedenfalls zu glauben, daß die Angelegenheit eine reichlich heitere ist, weswegen Schweighöfer lässig zu cooler Mucke durch die Gegend gondeln darf, während seine Trennungsopfer dem Spott preisgegeben werden. Für die Geschichten dahinter interessiert sich der Film nicht – weil er sonst natürlich auch auf das Problem stoßen würde, daß da gar kein Witz zu finden ist, zumindest keiner im Sinne einer sonnigen Beziehungskomödie. Und die will der Streifen eben unbedingt sein.

Thorsten (Milan Peschel, links) und Paul (Matthias Schweighöfer) auf anhaltender Trennungsmission.

Die Menschwerdung der Schweighöfer-Figur ist absehbar und baut auf sämtliche Buddy-Movie-Bausteine, die so seit Dekaden durch die Filmwelt geistern: Sein leicht neurotischer Fahrer geht ihm einfach so lang auf die Nerven, bis Paul endlich klein beigibt und zu dem hochanständigen Philanthrop wird, der freilich schon immer in ihm steckte. Dafür durfte vornehmlich der großartige EIN TICKET FÜR ZWEI Pate stehen, der sein seltsames Paar ebenso unfreiwillig in ein einzelnes Hotelbett steckte und in einen Autounfall verwickelte. Wobei der passende Vergleich hier wohl eher STICHTAG wäre – das moderne Quasi-Remake dieses Streifens, nur ohne Herz, Hirn oder Menschenkenntnis.

Zum Schluß – und das ist kein Spoiler, weil ganz nach Schlagerprinzip nichts Unvorhergesehenes passiert – kündigt Paul seinen Job und verkündet, daß die Menschen, die sich an ihn wenden, ja eigentlich nur in der Krise stecken und man ihren Beziehungen auf die Sprünge helfen sollte. Zur Vollendung seiner Wandlung darf er bei seinem tausendsten Auftrag nachdenklich bei einer netten Hausfrau auf der Couch sitzen, die sich gerade um ihre zwei Kinder kümmert. Was für ein Glück: Wenn da eine bärbeißige Theologie-Studentin gesessen hätte, würde der Typ wohl heute noch Leuten zur Trennung raten.

Ja, so habe ich bei diesem Film auch auf den Schirm geschaut.

Den offensichtlichsten Plotkniff schafft der Film dann aber nicht einmal: Paul Freundin macht recht früh im Film mit ihm Schluß, weil er nie bei ihr übernachtet, und so darf er am Ende vor ihrer Tür stehen und große Liebeserklärungen schmettern. Wie sehr hätte man es diesem soziopathischen Karrieristen vergönnt, daß sie einen Kollegen aus der Agentur anheuert, der stellvertretend mit ihm Schluß macht – da wäre der Sinneswandel dann vielleicht auch glaubwürdig gewesen. Ach ja, auch der nette Chaffeur kommt mit seiner Freundin wieder zusammen. Der Film glaubt wohl irgendwie, daß so eine Trennung über einen Mittelsmann nichts wäre, was man nicht mit einer liebevollen Umarmung wieder in den Griff bekäme. Das sicherlich spannende Gespräch der beiden über Vertrauen und Anstand findet sich übrigens weder im Film noch im Bonusmaterial.

Immerhin: Der vulgäre Bad-Taste-Touch des Vorgängerfilms und der Schweiger-Vorbilder wird diesmal ausgespart – abgesehen von ein paar krawalligen Slapstick-Einlagen und einer unfeinen Sequenz, in der mal wieder eine dicke Frau als Strafe und Ungeheuer herhalten darf, bleibt die Prämisse (beziehungsweise: der unreflektierte Umgang mit der Prämisse) das Ärgerlichste an SCHLUSSMACHER. Positiv fällt allerdings nur Knautschgesicht Milan Peschel auf, der den anhänglichen Thorsten mit so viel Aufrichtigkeit spielt, daß man sich wünscht, irgendwer hätte einen besseren Film um diesen Mann drumherumgestrickt. Vielleicht gibt es ja dafür eine Trennungsagentur, die ihn aus den Klauen von Herrn Schweighöfer befreit …

 

Schlussmacher (Deutschland 2013)
Regie: Matthias Schweighöfer
Co-Regie: Torsten Künstler
Buch: Doron Wisotzky
Musik: Peter Horn, Andrej Melita
Kamera: Bernhard Jasper
Darsteller: Matthias Schweighöfer, Milan Peschel, Catherine de Léan, Nadja Uhl, Richy Müller, Heiner Lauterbach, Detlev Buck, Tom Beck, Katharina Marie Schubert

Die Screenshots stammen von der DVD (C) 2012 Twentieth Century Fox.

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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