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TARGOOR – DAS DING AUS DEM INNEREN DER ERDE: Über sensible Bohrinselarbeiter und die komplizierte Fortpflanzung von Uraffen

Im jüngsten Filmgespräch mit dem wackeren Kämpen Don Arrigone soll es um den Bohrturmhorrorstreifen TARGOOR – DAS DING AUS DEM INNEREN DER ERDE gehen. Diese TV-Produktion aus dem Jahr 1981 orientiert sich, wie sonst auch jeder zweite Billigfilm der Achtziger, an ALIEN und läßt ein ebensolches auf die unwissenden Mitarbeiter einer Ölplattform los. Dort sind die Männer in bislang ungeahnte Tiefen hervorgedrungen – ozeanische, nicht philosophische – und haben merkwürdige Eier zu Tage gefördert, die schon recht bald bei der unglückseligen Firma für Personalknappheit sorgen werden. Wohlan, Don, reden wir über TARGOOR – DAS DING AUS DEM INNEREN DER VIDEOTHEK, äh, ERDE.

Don Arrigone: Wir haben soeben laut Box die „Original Kinofassung“ von TARGOOR – DAS DING AUS DEM INNEREN DER ERDE gesehen, einem „Sience-Fiction-Horror der Extraklasse“. Ihre erste spontane Reaktion, Herr Genzel …

Christian Genzel: Also, sagen wir mal so … (Stille) (Stille) (noch mehr Stille) … Es war sehr faszinierend zu sehen, wie die wirkliche Arbeit auf einer Bohrinsel vonstatten geht. Ich dachte bisher, daß da harte Jungs, Proleten, wortkarge Kerle und Machos arbeiten. Jetzt durfte ich dankenswerterweise feststellen, daß die typische Belegschaft aus liebevollen, sanften Menschen besteht, die sich umeinander kümmern, von der guten Küche schwärmen, sich ständig nach dem Wohlergehen der Anderen erkundigen, und die auch so feinfühlig sind, daß, wenn jemand mal einen schlechten Traum hatte, in dem es darum geht, daß den anderen was passiert, die anderen dann auch wirklich sehr besorgt sind. Es war sehr schön, daß ich das Bild korrigieren konnte, das ich fälschlicherweise hatte.

DA: Ja, mit den Vorurteilen aus ARMAGEDDON wird endlich aufgeräumt. Auch stereotypen Männerrollen gegenüber zeigt sich der Film kritisch: Es gibt auf der Bohrinsel 3 Frauen und mindestens 12 Männer. Das erste sexuelle Angebot des Filmes nach 60 Minuten bzw. gefühlten 120 Minuten geht von einer Frau an einen Mann – der dann viel zu schüchtern ist und wahrscheinlich zu Hause eine Freundin namens Karl hat.

CG: Erst, als er vom Alien besessen ist – oder vom Uraffen, aber darauf kommen wir gleich noch zu sprechen – wird er endlich forsch und geht ran, was ihr auch sehr recht ist. Es ist ihr nur nicht recht, daß es gleich auf dem Boden der Forschungsstation passieren soll und nicht drei Meter weiter in der Kabine.

DA: Uraffen haben wohl keinen Sinn für Romantik. Da können wir aber gleich bei der Uraffen-Problematik bleiben. Aber warte, ich bin gerade fasziniert: Ich habe noch einen Fehler auf der VHS-Box entdeckt. Im Film wurde berichtet, die Uraffen hätten vor 14 Millionen Jahren gelebt, hier auf der Kassette steht 50.000 Jahre. Dieser kleine Unterschied in der Datierung fasziniert mich als Historiker natürlich.

CG: Du willst doch nicht behaupten, daß der Film durch die Box falsch beworben wird? Wir sehen ein großes Monster über einer Bohrinsel schweben …

DA: Und die Bohrinsel ist auch sehr groß, man sieht die Erdkrümmung …

CG: Und der „Sience-Fiction-Horror der Extraklasse“, der versprochen wird, wurde auch wirklich haarscharf eingelöst. Um also auf die Uraffen zurückzukommen: Die Fortpflanzung dieser Affen erscheint mir ein wenig umständlich, aber ich habe einen Verdacht, wieso sie ausgestorben sind. Also: Die haben kleine Eier, aus denen Stachel wachsen. Die haben sie aber nicht von vornherein, sondern entwickeln sie erst unter gewisser Wärme; dann haben die Eier toxische Stacheln, um Feinde abzuwehren, bis dahin können sie einfach vernichtet werden.

Dann schlüpft aus diesem Ei so ein Tier mit Glibber, und dieser Glibber setzt sich dann in einem Wirtskörper fest. Den kontrolliert es dann und versucht, einen weiteren Gastkörper zu schwängern, aus dem dann das tatsächliche Wesen hervorgeht. Das scheinen mir ein paar komplizierte Schritte zu sein. Vor 14 Millionen Jahren dürften die Uraffen zudem recht alleine auf dem Planeten gewesen sein. Ich kann mir also gut vorstellen, warum es dann keine mehr gegeben hat.

DA: Im Grundprinzip hat mich das an einen Film erinnert, dessen Name mir gerade entfallen ist.

CG: Der von diesem Engländer?

DA: Ich glaube… es ging da um einen Außerirdischen oder so.

CG: War das der, der gern Katzen isst?

DA: Sehr, sehr umständlich auf jeden Fall. Wir sind leider nicht soweit gekommen, daß wir mitgekriegt hätten, wer wie Eier legen kann. Man möchte jetzt davon ausgehen, daß es das Alien selbst ist, das sich darum kümmert, aber wenn ich in Betracht ziehe, wie kompliziert es bis zu diesem Schritt ist, dann wäre es zu einfach, wenn das jetzt einfach Eier legen kann.

CG: Das müßte in Fortsetzungen untersucht werden. Affen legen ja eigentlich keine Eier. Aber erstens kenne ich mich da ja nicht aus, ich bin da ja kein Experte, und zweitens war das ja auch ein Uraffe, der vielleicht unter anderen Bedingungen existiert.

DA: Wir haben da ja auch die wunderbare Begründung: Wieso wird überhaupt nach diesem Uraffen gebohrt? Wir haben einen Geologen, der in jedem anderen Film der böse Verräter wäre, hier aber auch eigentlich trotz aller Verbohrtheit ein sehr sympathischer, einfühlsamer junger Mann ist. Er will unbedingt einen dieser Uraffen in voll ausgewachsener Form sehen – das ist seine Motivation, die Crew anzulügen und über 20.000 Fuß in die Tiefe graben zu lassen, um dann diese ganze Misere zu beginnen. Das Motiv des „Bösewichtes“ ist also: Ich will einen Uraffen voll ausgewachsen sehen.

CG: Ja, der Forschungsdrang steht hier im Vordergrund und nicht die Gier der Ölkonzerne, wie man anfangs vielleicht glauben könnte. Obwohl die Thematik damals äußerst aktuell gewesen wäre, ist ja von 1981 – aber eigentlich ging’s gar nicht darum, daß die Menschheit in Gebiete vordringt, in die sie nicht vordringen sollte. Eher darum, daß wir vielleicht die Kommunikation mit dem Uraffen noch nicht perfektioniert haben.

Was noch sehr interessant war: So feinfühlig die Männer waren, die eine Frau war ja dafür umso schroffer. Es gab da diese schöne Sequenz, nachdem schon ein paar Crewleute das Zeitliche gesegnet haben und der sensible Harry dann irgendwie traurig zu sein schien – überhaupt hing über dem ganzen Film eine gewisse Schwermütigkeit, sie waren alle immer so philosophisch und wehmütig und traurig – die Frau hatte dann pragmatische Worte parat: Freunde sterben, Freunde verlassen einen, aber das kann uns ja nicht den ganzen Tag herunterziehen, man findet ja auch neue Freunde.

DA: Das war ja auch dann ihre Einladung ins Bett. Eine Anmache, die man in dieser Form vielleicht nicht Samstag Abend nachspielen sollte.

CG: Sollen wir vielleicht noch über das wiederkehrende Traum-Motiv reden?

DA: Ja, wir besprechen ja immer gerne, welche Filme durch diese vergessen geglaubten Videothekenknüller inspiriert wurden, und ich bin mir relativ sicher, daß Christopher Nolan den Film auswendig mitsprechen kann. Wir wissen ja, Herr Nolan interessiert sich sehr für Erzählstrukturen – und hier ist das literarische Motiv des Foreshadowing durchexerziert bis zum Geht-nicht-mehr. Ich glaube, 90% der Charaktere haben einen Traum, der dann tatsächlich eintritt, weil sie träumen, daß entweder sie selbst oder jemand anderes stirbt oder etwas in ihnen wächst. Wobei gleich der erste Traum eine Lüge ist, weil ja dann doch nicht alle sterben.

Vielleicht auch erwähnenswert: Ein Film von 1981, mehr oder minder in ALIEN-Slasher-Manier, einer nach dem anderen stirbt, aber: Der Schwarze überlebt!

CG: Was vielleicht daran liegt, daß er so ein sensibler Mensch ist.

DA: Du meinst, die anderen Schwarzen in Slashern sind einfach nicht sensibel genug?

CG: Möglich. Bei diesem hier täte es einem vielleicht Leid.

DA: Das muß man tatsächlich erwähnen: Die Charaktere sind nicht wirklich spannend, aber doch irgendwie sympathisch, weil sie so unglaublich einfühlsam sind. Wir haben eine weibliche Figur, die eigentlich auch noch heraussticht, das Love-Interest vom Kapitän. Die ist zwar dann auch sehr einfühlsam, wenn man ihr gegenüber einfühlsam ist – sie erklärt uns aber auch, daß sie ihren ersten Mann erschossen hat, weil er sie geschlagen hat.

CG: Stimmt, das erzählt sie lapidar beim Essen und tut die Geschichte mit einem Lachen und einem Schulterzucken ab: Sie war halt noch minderjährig und hat mildernde Umstände bekommen, weil der Mann sie auch geschlagen hat, und dann lobt sie gleich das Essen, das der Kapitän zubereitet hat. Ich will auch noch anmerken, daß der einen Schnurrbart mit sich herumträgt, der auch diverse Bohrungen überstehen würde.

Ich hab‘ sehr viel Herz für Filme, in denen ein Mensch im Kostüm herumläuft, “Hrrrrr” sagt, und alle haben dann Angst vor diesem Menschen. Ich mag sowas ja – der Film ist mir also grundsätzlich nicht unsympathisch. Man muß aber sagen: Er ist sehr langsam.

DA: Und dieses Kostüm von dem Alien … es war jetzt nicht gut, aber es sah besser aus, als ich erwartet hatte. Aber wir sehen es leider nur 3 Minuten.

CG: Wobei das vielleicht ganz klug war – ich hatte schon den Verdacht, daß sie es extra aufsparen wollten, um eventuelle Budgetmängel zu kaschieren. Es ist jetzt nicht so, daß das Finale dadurch extrem effektiv war. Aber weil man dieses Monsterkostüm nur in ein paar Shots gesehen hat, sah es dann doch ganz nett aus.

DA: Aber das Schnitttempo des Films ist vergleichbar mit österreichischem Kunstkino.

CG: Auch diese gewisse Schwermütigkeit, das hat etwas Österreichisches oder Skandinavisches an sich.

DA: Glaubst du, daß Michael Haneke auch von diesem Film inspiriert wurde?

CG: Vielleicht, ja. Nicht nur Nolan, sondern auch Haneke. Auch wenn hier kein Klavier gespielt wurde.



Targoor – Das Ding aus dem Inneren der Erde (USA 1981)
Originaltitel: The Intruder Within
Alternativtitel: Targoor – Reise ins Grauen
Regie: Peter Carter
Buch: Ed Waters
Darsteller: Chad Everett, Joseph Bottoms, Jennifer Warren, Rockne Tarkington, Lynda Mason Green, Paul Larson, Matt Craven

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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