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FIFTY SHADES OF GREY: Eine biedere BDSM-Beziehung

Fangen wir doch gleich mal mit dem Fazit an: Wer hätte gedacht, daß ein Film über Fesselsex so langweilig sein kann? Man möchte doch meinen, daß es in einem Erotikdrama über einen kontrollsüchtigen Mann und seine junge Studentin, die er in die Freuden der BDSM-Spiele einführen möchte, zumindest irgendwie prickeln würde – daß da zumindest die Lust am Fetisch und der Reiz des Verbotenen zünden, ganz unabhängig davon, wie banal oder blöd die Story ausfallen würde. Aber FIFTY SHADES OF GREY, die biedere Verfilmung des ersten Bandes einer Bestsellertrilogie, versprüht nur stocksteife Leere.

Die Handlung dreht sich um die Literaturstudentin Anastasia Steele, die für eine Studentenzeitung ein Interview mit dem jungen Wirtschaftsmagnaten Christian Grey führt. Der findet Gefallen an der scheu wirkenden Dame und beginnt, sie zu umgarnen – nur besteht seine Vorstellung einer Beziehung daraus, daß sie einen Vertrag unterzeichnen soll, um ab sofort als seine devote Sklavin bei ihm zu leben. Das sieht sie wiederum nicht ein, obwohl sie das eine oder andere SM-Spielchen durchaus reizvoll findet – und so beginnt ein langes Hin und Her darüber, ob sie sich ihm nun unterwirft oder nicht …

Die unschuldige Bella, äh, Anastasia: Dakota Johnson.

Wo fangen wir an? Also: SM-Beziehungen beruhen eigentlich darauf, daß beide Partner etwas wollen und gerne in etwas einwilligen. Wenn Christian Grey sein junges Opfer (das passenderweise auch noch Jungfrau ist) immer wieder zu überreden versucht und drangsaliert, obwohl sie nicht will, ist das sexuelle Nötigung und würde in eine höchst ungesunde Abhängigkeitsbeziehung münden. Man merkt, wie die Story ihr Leben einst als Fanfiction von TWILIGHT begann: Der gefährliche Mann initiiert die unerfahrene Frau, die ihr Leben nach und nach unterordnet. Hier also ein Beziehungstip vom Doktor-Genzel-Team: Wer schon zu Beginn einer Beziehung aushandeln muß, ob man einmal in der Woche ins Kino geht oder doch nur Sex hat, sollte sich überlegen, ob ausreichende Kompatibilität vorliegt. (Wobei: Manche Paare wären ja froh, wenn sie es zumindest einmal in der Woche ins Kino schaffen und nebenher noch Sex haben.)

Ein wenig haben sich Steele und Grey aber doch verdient: Beide sind völlig inhaltsfreie Menschen, die die zwei Stunden des Films über nichts anderes reden als über sich selbst bzw. ihre Beziehung. Man merkt, daß sie Literatur studiert, weil es zwei Dialogzeilen dazu gibt; was genau der eine am anderen findet, bleibt schleierhaft – aber paßt auch zum Hochglanz-Look des Films, der eine schicke Oberfläche an die nächste reiht und rein gar nichts darunter findet. Es sind Werbebilder, in die unsere Protagonisten wie Abziehbilder positioniert sind. Es sei auch nicht verschwiegen, daß Christian Grey in exakt einer Szene mit einem Mitarbeiter telefoniert, aber ansonsten trotz Leitung eines millionenschweren Imperiums unendlich Zeit und massive Ressourcen aufwenden kann, seine Auserwählte endlich in bzw. auf die Knie zu zwingen. Selbst Dagobert Duck ist ein glaubwürdigerer Geschäftsmann.

Das Piano danach.

Hinter der dünnen Story von FIFTY SHADES OF GREY, die schon die zwei ausgedehnten Stunden dieses ersten Films nicht tragen kann, scheint aus allen Ritzen die Wunscherfüllungsphantasie heraus. Die hübsche graue Maus wird, obwohl sie ihre Sätzlein nur haucht, vom steinreichen schönen Mann entdeckt und umworben; er beschenkt sie (neues Macbook, neues Auto, beinahe so romantisch wie bei Jane Austen), erhebt sie mal eben mit dem privaten Hubschrauber über den schnöden Alltag, und natürlich ist er in Wahrheit so sensibel, daß er nach dem Sex traurig am Klavier klimpern muß. Er beteuert ihr auch immer wieder, welchen Einfluß sie auf ihn hat, und verspricht ihr die aufrichtige Liebe, sobald sie nur den Vertrag unterzeichnet. Es erinnert ein bißchen an den pubertären Burschen, der seine Freundin zum ersten Sex drängen will.

Dieser Sex, wenn er dann mal stattfindet, zeigt nichts, was jemanden erschüttern könnte, der in den letzten dreißig Jahren mal im Kino war oder den Fernseher eingeschaltet hat. Ja, Dakota Johnson darf ihren wohlgeformten Körper in vielen Szenen zur Schau stellen und erhobenen Nippels das Auge erfreuen. Ein paar harmlose Utensilien kommen zum Einsatz, die die meisten Paare wahrscheinlich ohnehin schon mal ausprobiert haben. Das alles wäre auch nicht problematisch, wenn die Sexszenen nicht unter opulentem Pathos stattfinden würden: In Zeitlupe und mit Chören wird da jeder Moment als transzendente Entrückungserfahrung inszeniert – für Schweiß, Spontanität oder gar Spaß ist hier kein Platz.

Christian Grey (Jamie Dornan) und Anastasia Steele (Dakota Johnson):
So wüst wie hier geht’s nicht immer zu.

Das alleine ist es aber nicht, was letztlich die biedere Grundhaltung von FIFTY SHADES OF GREY ausmacht. Vielmehr ist es die Andeutung, daß Christian Grey BDSM-Praktiken schätzt, weil mit ihm etwas nicht stimmt. Es gibt ein dunkles Geheimnis in seiner Vergangenheit, dem Anastasia auf die Schliche kommen will (wieder Wunscherfüllung: sie ist wohl die Einzige, die den gequälten Mann von seinem Schmerz heilen kann). Sprich: Grey mag Fesseln, Peitschen, Dominanz und alle anderen Spielchen nicht etwa, weil sie ihm wirklich Spaß machen, sondern weil er emotional krank ist. Das ist letztlich nicht nur prüde, sondern auch verlogen: Immerhin ist der „verbotene“ Sex exakt das, womit die Geschichte seine Zuseher (und Leser) überhaupt erst anlockt.

Wenn man sich diesen üppig produzierten Langweiler so ansieht, wird man direkt sehnsüchtig nach den Softsex-Streifen vergangener Dekaden – nach den geschmäcklerischen Reizen von EMMANUELLE oder den Schmuddeldramen eines Joe D’Amato. Die waren vielleicht nicht viel spannender, aber verspielter und ehrlicher.

 

Fifty Shades of Grey (USA 2015)
Regie: Sam Taylor-Johnson
Buch: Kelly Marcel, nach dem Roman von E.L. James
Musik: Danny Elfman
Kamera: Seamus McGarvey
Darsteller: Dakota Johnson, Jamie Dornan, Jennifer Ehle, Eloise Mumford, Victor Rasuk, Luke Grimes, Marcia Gay Harden, Rita Ora, Callum Keith Rennie

Alle Bilder: (C) 2015 Universal Pictures.

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    3 Comments

    1. Hallo,
      auch wenn ich jetzt extreme Häme bekomme, so schlecht fand ich ihn nun auch nicht.
      Er ist naja, nicht gerade das was ich mir unter Grey vorstelle, zu weich. Die Sexszenen finde ich von der Kameraführung her sehr prikelnd gestaltet und mir klar das es eher soft wird und nicht so heiß zur Sache geht.
      Sie finde ich als Schauspielerin nicht so schlecht und passt ganz gut zur Rolle. Man darf ihn halt nicht mit den Büchern vergleichen, da ist er stumpf dagegen, wobei mich hier auch nur Teil 1 und von Teil 3 ein paar Passagen gefesselt haben.
      LG Tanja

      1. Ich finde auch es kommt darauf an mit welcher Erwartung man an den Film herangeht. Ich habe mir von einer Freundin, die das Buch im Gegensatz zu mir gelesen hat, den Inhalt in drei Sätzen zusammenfassen lassen und mich danach gefragt, wie man daraus einen Film machen will. Meine Erwartungen waren also sehr niedrig. Daher fand ich den Film auch nicht so schlecht. Ich sah darin eine moderne Version von die Schöne und das Biest.

        Wer wilde Sexszenen erwartet hat, wurde natürlich enttäuscht. Die beiden Hauptdarsteller haben sich mit diesem Film sicher keinen Gefallen getan. Das Drehbuch war so schlecht, dass der Film nur nahe am (Hochglanz-)Trash vorbeischrammt ist.

        Wer Jamie Dornan mal in einer schauspielerisch-anspruchsvollen Rolle sehen will, dem empfehle ich die BBC-Serie THE FALL. (Die war wohl auch der Grund, warum er als Grey gecastet wurde, weil die Rollen ähnlich sind).

    2. Der Film wirkte auch mich auch sehr gestelzt. Die Chemie zwischen dem Paar stimmte überhaupt nicht. Ich habe die Buchvorlage nicht gelesen, aber zumindestens im Film waren die Charaktere allesamt Abziehbilder ohne Tiefe.

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