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ARIZONA ROAD: Action mit Freund Sparefroh

Der Italiener Fabrizio De Angelis und der US-Staat Arizona haben eine besondere Beziehungen zueinander: Dort hat der gute Mann nämlich nicht nur den Wandschrank-ähnlichen Mimen Mark Gregory in gleich drei RAMBO-Rip-Offs unter dem Namen THUNDER gegen brutale Polizisten antreten lassen, sondern auch den Actionkrimi GIANT KILLER und den ganz ähnlich gearteten SAG NIE WIEDER INDIO inszeniert. Das macht vor allem deswegen Sinn, weil De Angelis, früher Produzent diverser Fulci-Streifen wie WOODOO – DIE SCHRECKENSINSEL DER ZOMBIES, der heiteren Mixtur ZOMBIES UNTER KANNIBALEN und des Endzeitkrachers THE RIFFS – DIE GEWALT SIND WIR, als Regisseur primär sehr sparsam unterwegs war. Kosten und Aufwand scheinen dem Mann generell zuwider gewesen zu sein, weshalb ihm die prächtige Landschaft Arizonas wohl sehr sympathisch war: Die sieht nämlich auch ohne Geld richtig üppig auf der Kinoleinwand aus.

Obwohl De Angelis in seinen späteren Jahren hauptsächlich damit beschäftigt war, mehr KARATE-KID-Rip-Offs zu drehen, als Ralph Macchio je schauen könnte, begab er sich 1991 für das Actiondrama ARIZONA ROAD doch noch mal auf vertrautes Terrain: Hier darf wie zu guten alten THUNDER-Zeiten ein armer Bursche von Autoritätsfiguren mißhandelt und verfolgt werden, bis er dann beim knallharten Rachefeldzug klare Verhältnisse schafft. Vor allem mit Polizisten scheint es De Angelis auch nicht so gehabt zu haben: Die sind bei ihm gerne mal sadistische Brutalos, korrupte Rassisten oder, wie in THE IRON GIRL, einfach überhaupt nicht hilfreich. Ergo darf auch hier ein kaltschnäuziger Großkapitalist mit einem dicken Sheriff zusammenarbeiten, der für ihn die Drecksarbeit übernimmt.

Emiliano (Antonio Sabàto Jr.) freundet sich mit der Polizei an.

Den Zorn der bösen Menschen zieht sich unsere Hauptfigur Emiliano noch vor dem Vorspann zu: Er trifft, als Trucker unterwegs, in einer Bar das Mädchen Aurora, das eigentlich ins Kloster will, von der Mutter aber an den besagten reichen Mann, MacDonaldson, verkauft werden soll. Da kann Emiliano doch helfen! Er schnappt sich das Mädchen, läßt ihre Verfolger den Staub Arizonas schlucken und setzt sie beim Kloster ab.

So viel Action noch vor der Titeleinblendung hat aber durchaus seinen Preis – weshalb die nächste Stunde mal so ziemlich überhaupt nichts mehr passiert. Ein paar Jahre nach der Rettungsaktion kommt Emiliano wieder in die Gegend, diesmal per Sportflugzeug, und trifft sich mit seinem einzigen Freund, einem alten Goldgräber namens Ben Morris. Der rennt gerne alkoholisiert durch die Gegend und schrabbelt aus seinem weißen Bart, als wär er eine vermeintlich witzige Nebenfigur aus einem unglaublich müden C-Film der Dreiziger – wo er doch vielmehr eine vermeintlich witzige Nebenfigur aus einem unglaublich müden C-Film der Neunziger ist!

Der alte Goldgräber Ben Morris (Donald Hodson).

Mehr Sozialkontakt für Emiliano konnte sich die Produktion nicht leisten – aber zum Glück taucht Aurora wieder auf, und die ist kaum wiederzuerkennen: Sie arbeitet nämlich jetzt als Prostituierte. Vielleicht ließen sich die Arbeitszeiten im Kloster nicht mit ihrem Biorhythmus arrangieren. Aurora freut sich jedenfalls, Emiliano wieder zu treffen, aber der wird gleich pampig und schnauzt sie an, daß er keine Nutten mag. Das wird er bis fast ganz zum Schluß des Films machen, der alte Prinzipienreiter.

Ben Morris hat derweil eine Goldmine gefunden und will halbe-halbe mit Emiliano machen. Leider kriegt MacDonaldson Wind davon und schickt zwei Rabauken vorbei, die den armen alten Mann so brutal verprügeln, daß er stirbt. MacDonaldson schickt flugs die von ihm gekaufte Polizei vorbei, die Emiliano als Mörder verhaftet – obwohl er zur Tatzeit mit Aurora zusammen war. Emiliano signalisiert da wieder demonstrativ, daß er keine leichten Mädchen mag, aber es scheint, daß er in Auroras Fall zu einer Ausnahme überredet werden könnte. Zumal sie ihren Beruf schon an den Nagel gehängt hat. Was arbeitet man eigentlich, wenn man Kloster und Bordell schon abgehakt hat? Filmproduktion? Ach, lieber nicht: Sie wird ja von Emiliano angeschnauzt, sie soll gefälligst was Gescheites arbeiten.

Großkapitalist MacDonaldson (Lou Castel) gerät bei Aurora (Teresa Leopardi) in romantische Stimmung.

Wo waren wir jetzt eigentlich? Ach ja: Emiliano wird verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. MacDonaldson bemerkt die beim Gefängnis aufgestellten Benzinkanister und weist seinen Sheriff darauf hin, daß die eine große Feuergefahr darstellen und er im Falle eines Brandes ein neues Polizeirevier kriegt. Nur kurze Zeit später geht das Gefängnis lichterloh in Flammen auf, aber Emilio trickst mit einer wassergetränkten Decke die Rettungsmannschaften aus: Er prügelt den Feuerwehrmann nieder, der ihn herausholen will, und entkommt den ums Haus aufgestellten Polizisten durch einen Seitenausgang. Irgendwie süß, daß so ein Gefängnis extra einen unauffälligen zweiten Ausgang hat, und noch süßer, daß alle Polizisten brav vor dem Haupteingang stehen und sich das Feuer angucken.

Puh, zweimal Action innerhalb von nur 60 Minuten Film, da muß so ein Rachefeldzug schon mal pausieren, um den Produktionsgeldbeutel zu schonen. Emiliano flieht also schnurstracks zu einem Anwalt, dem er die ganze Geschichte erzählt. Der hört ihm aufmerksam zu und fragt ihn dann, wo er seinen Wagen abgestellt hat. Was, vor dem Haus? Er bittet Emiliano, das Fahrzeug ein paar Straßen weiter zu parken, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen. Emiliano, nicht die hellste Birne im Lampengeschäft, will der Aufforderung nachkommen – und kriegt gerade noch mit, wie sich der Anwalt einsperrt und die Polizei verständigt.

Ben Morris (Donald Hodson) kurz vor dem Ausscheiden aus der Handlung.

So, jetzt darf aber doch noch mal was passieren. MacDonaldson schickt gleich zwei Lakaien los, um Emiliano zu erledigen, was zu einer sozusagen wilden Schießerei in Emilianos Motel führt – sogar eine Lampe geht dabei kaputt! Was das kostet! Vor lauter Schreck über die plötzlichen Ausgaben schickt De Angelis seinen Helden gleich mal zu Aurora, um wieder Ruhe und Sparsamkeit einkehren lassen zu können.

Lange hält’s aber nicht: MacDonaldson entführt Aurora und benimmt sich ihr gegenüber gar garstig. Zum Glück hat sie am Körper ein Messer versteckt – wohl noch ein Relikt aus einem ihrer beiden früheren Jobs – und kann flüchten. Derweil nimmt die Polizei die Hütte unter Beschuß, in der sich Emiliano versteckt hält – bis ein FBI-Mann auftaucht, der die Angelegenheit aufklärt. Der wird von David Warbeck gespielt, der schon in Fulcis GEISTERSTADT DER ZOMBIES immer so ein bißchen geschaut hat, als wäre er mit dem ganzen Höllenspuk keinesfalls einverstanden. Hier ist er schon ein paar Mal aufgetaucht, hat sich als Priester ausgegeben – im Indiana-Jones-Look, warum auch nicht? – und Nachforschungen über die Goldmine von Ben Morris angestellt.

David Warbeck geht ganz klar als Prediger UND als FBI-Agent durch.

Und jetzt ist Schluß mit lustig: Emiliano kapert einen leerstehenden Schulbus und kracht damit durch das Tor von MacDonaldsons Behausung. Dann geht er nicht etwa im Erdgeschoß ins Haus hinein, sondern springt durch eine Glasluke im Dach – so ein wildgewordener Ex-Trucker muß sich eben austoben. Mit der Pumpgun im Anschlag stellt er MacDonaldson, der gerade sein Geld aus dem Tresor in Sicherheit bringen will – und schießt demonstrativ eine Vase kaputt, die in einer eigenen Einstellung in Zeitlupe zerbricht. Da war die Produktion wohl spendabel.

Nachdem er MacDonaldson ein bißchen Angst gemacht hat, wirft Emiliano die Pumpgun beiseite und geht. Ende. Naja, fast: Emiliano trifft sich noch mit Aurora, die er jetzt irgendwie doch mag, und beide fliegen weg. Da sieht man dann die schöne weite Landschaft von Arizona, auf dem Soundtrack wird wunderhübsch die Gitarre gezupft, und man denkt sofort an Michael Cimino. Der war nie so preisbewußt wie Fabrizio De Angelis, aber dafür hat er halt auch weniger Filme über Ex-Nonnen und zerschossene Vasen gemacht.

 

Arizona Road (Italien 1991)
Originaltitel: Fuga da Kayenta / Escape from Kayenta / Tortilla Road
Regie: „Larry Ludman“ (= Fabrizio De Angelis)
Buch: Vincenzo Mannino
Kamera: Federico Del Zoppo
Musik: Francesco De Masi
Darsteller: Antonio Sabàto Jr., „Therry Turner“ (= Teresa Leopardi), Lou Castel, „Frank Diogene“ (= Franco Diogene), Donald Hodson, David Warbeck

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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