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SAGOR DER EROBERER: Ein Conan-Abenteuer ohne viele Worte

Noch eine Erinnerung aus meiner Commodore-Kindheit: SAGOR DER EROBERER hieß das Adventure, das von Markt & Technik 1985 zusammen mit OPERATION NEPTUN im schlichten roten Aufklapp-Format als „Abenteuer-Paket 1“ verkauft wurde. Der Herr auf dem Titelbild, der nach einer Handvoll Stunden im Fitneßstudio aussieht, erinnert dabei nicht nur flüchtig an das große Barbarenvorbild Conan: Auch Sagor muß einem finsteren Magier namens Amon entgegentreten, der in diesem Falle das Land Aghrapur in Furcht und Schrecken versetzt.

Das tut er in Form eines Textadventures, bei dem beinahe jeder Raum mit einer schmucken Ganzbild-Grafik ausgerüstet wurde. Man sieht also die Zeichnung, bevor man sich durchliest, wo man überhaupt ist und was gerade passiert. Der Spieler gibt Sagor mittels Verben einfache Anweisungen und kämpft sich so durch die zahlreichen Gefahren des Landes.

Da sind wir aber auch schon bei einem Haken: Die Beschreibung „Einfache Anweisungen“ scheint beinahe übertrieben – vielmehr tippt man sich mit einem barbarisch geringen Wortschatz durch die Räume und plagt sich gerne damit ab, dem Programm seine Idee überhaupt begreiflich zu machen. Einen Parser in dem Sinne gibt es nicht – man gibt nur Verben ein, und wenn ein Objekt benötigt wird, wird extra noch danach gefragt. „Nehme Seil“ versteht das Programm also nicht, stattdessen gibt man „Nehme“ ein und wird dann gefragt, was man denn nehmen will. Schulbildung steht wohl nicht auf der Prioritätenliste des Herrschers von Aghrapur.

Das erfordert etwas Gewöhnung und ist gerne mal mühsam, wenn man nicht weiß, ob eine Lösungsidee vielleicht einfach nur an dem verwendeten Wort scheitert. Daß der Befehl „Prüfe“ dazu dient, die Umgebung genauer anzusehen, muß man halt durch Ausprobieren herauskriegen – immerhin verrät einem das Programm zu Beginn diverse Worte, die es versteht. Daß der Befehl „Suche“ dann nochmal eine eigene Funktion hat, macht die Angelegenheit aber nicht nachvollziehbarer.

Ein interessantes spielerisches Element ist die Tatsache, daß Sagor mit der Zeit hungrig, durstig und müde wird, und man dementsprechend essen, trinken und schlafen muß – was nicht in jedem Bild geht und nicht in jedem Bild ganz gefahrlos ist. Mit der Zeit wird es aber mühsam, sich ständig um den armen Barbaren kümmern zu müssen, der manchmal keine fünf Schritte tun kann, ohne schon wieder hungrig zu werden. Da einem in manchen Bildern z.B. Gegenstände geklaut werden, wenn man dort schläft, und das Spiel damit nicht mehr lösbar wäre, sollte man immer mal wieder abspeichern. Auch sonst ist schnell mal ein fataler Schritt getan: Weggeworfene Gegenstände können nicht wieder aufgeklaubt werden, ebenso wie zerstörte Objekte oder verpaßte Gelegenheiten zur Sackgasse führen können.

Seinerzeit hätte ich ohne Lösungshilfe wenig vom Spiel gesehen. Heute wird schnell klar, daß das Spiel eigentlich sehr überschaubar ist und wenig Komplexitäten bietet: Man sucht in einem nicht sehr großen Areal brav nach Gegenständen, probiert dies und jenes aus, und wenn etwas nicht klappt, dann hat man wohl anderswo noch ein Objekt übersehen. Meistens muß pro Bild nur eine Aktion durchgeführt werden. Daß man aber auch heute noch gelegentlich in die Lösung spicken muß, liegt daran, daß nicht alle Puzzles wirklich ganz logisch sind: An einer Stelle beispielsweise entscheidet offenbar ein Zufallsgenerator darüber, ob ein Tier auftaucht und einem die Weiterreise ermöglicht – so muß man mehrere Male dasselbe tun, ohne zu wissen, daß das Resultat anders sein könnte.

Klingt also nicht nach Empfehlung, oder? Nun ja: Zugegebenermaßen waren Adventures seinerzeit gerne mal nicht ganz einleuchtend im Lösungsweg und ebenso gerne unnachgiebig, was Fehler und übersehene Aktionen anging. Mit seinen einfachen Mitteln erzählt SAGOR DER EROBERER aber dennoch ein recht stimmungsvolles Fantasy-Abenteuer: Die Grafiken sind schön gestaltet und ziehen in das Geschehen hinein, es passiert viel, und die Geschichte ist mit einem gewissen Charme aufgezogen – auch wenn der Witz sich auf ein paar seltene Gelegenheiten beschränkt, beispielsweise die Rückmeldung des Programms, wenn man in einem Raum mit einer Tänzerin den Befehl „ersteige“ verwendet. Ob SAGOR das „erste deutsche Adventure mit Niveau und Witz“ ist, wie es der Vorspann verspricht, kann debattiert werden; für Retro-Abenteurer ist Sagors Heldenreise aber durchaus mal einen flotten Blick wert.

Eine Randnotiz zum Schluß: Die Dateien, die nachgeladen werden, tragen tatsächlich den Namen „CONAN“. Es wäre also durchaus denkbar, daß Klaus Küchler und sein Grafiker und Musiker Fritz Rach das Spiel eigentlich als Conan-Game aufgezogen haben und den Namen des Barbaren für die Veröffentlichung über Happy Software dann ändern mußten. Immerhin krönt sich Sagor ganz nach Vorbild Conans zum Schluß des Games selber zum König …

Die Screenshots stammen von der Seite c64games.de.

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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