FilmWühlkiste

THREE FOR ONE: Von Fischen, Traumfrauen und Synth-Funk-Montagen

„Schatz, deine Disco-Dance-Platten aus den Achtzigern
machen mich ganz heiß …“

Wenn sich Regisseur Bruno Mattei und Autor Claudio Fragasso an einer Erotikkomödie versuchen, kann man als Kenner italienischer Kleinkunst allerlei erwarten – abgesehen vielleicht von einer brauchbaren Erotikkomödie. Immerhin ist Bruno, der hier als „David Graham“ auftritt, der Kopf hinter solchen Granaten wie DIE HÖLLE DER LEBENDEN TOTEN, CONTAMINATOR oder ROBOMAN, während Fragasso (hier mal wieder als „Clyde Anderson“) nicht nur bei all diesen Filmen als Autor beteiligt war, sondern selber als Regisseur unter anderem den – man kann es nicht anders nennen – Knüller TROLL 2 betreut hat. Derart geballte Kompetenz kann natürlich nur bedeuten, daß der vorliegende Film höchst unterhaltsam ausfällt – aus vielleicht nicht ganz beabsichtigten Gründen.

THREE FOR ONE nennt sich der Streifen im Englischen, während er im Original den urlustigen Titel TRE PESCI, UNA GATTA NEL LETTO CHE SCOTTA trägt – „Drei Fische, eine Katze im heißen Bett“ quasi. Fragt sich nur, wer da hinterher wieder sauber macht. Es gibt sogar Bestrebungen, das gute Stück – das übrigens nie auf Deutsch erschienen ist – der Pseudo-Reihe ELF TAGE, ELF NÄCHTE unterzujubeln: In Spanien heißt der Spaß mal eben 11 DIAS 11 NOCHES 4: DESEO SIN LIMITE, ohne freilich auch nur das geringste mit den anderen Filmen dieser „Serie“ zu tun zu haben.

Drei Fische, äh, Freunde: Miles (Jason Saucier, links),
Lou (Robert LaBrosse, Mitte) und Ben (Rick Sume).

Die Handlung des Films dreht sich … halt, seien wir mal lieber vorsichtig mit dem Vokabular. Also: Es geht um drei Freunde, die sich gerne ganz eng miteinander irgendwo aufhalten, weil der Bildausschnitt so knapp gewählt ist. Das Alphatier der Runde, Lou, erzählt zum Aufwärmen gleich mal die schöne Geschichte seiner neuen Zahnärztin, die so sexy ist, daß sie bei seinem Termin nicht mal bis zur Zahnsteinentfernung kam: Die beiden haben sich nach nur etwas Blickkontakt schon lüstern durchs Behandlungszimmer gerangelt. (Unseriöse Rezensenten würden jetzt vielleicht Witze rund um das Thema „Bohren“ reißen, aber das würde mir selbstverständlich nicht im Traum einfallen.)

Lous Ausführungen sind derart anregend, daß die beiden Freunde am nächsten Tag gleich frohen Mutes zu besagter Praxis eilen. Ben, seines Zeichens Bodybuilder, kommt dem eher intellektuell angehauchten Miles zuvor und wirft sich stürmisch an die Frau Zahnärztin heran – muß dann aber schockiert feststellen, daß es sich keinesfalls um das modelhafte Wesen aus Lous Erzählung handelt, sondern um eine Frau mittleren Alters (die Bens Avancen gar nicht abgeneigt wäre). Er flüchtet entsetzt aus der Praxis und wird schon bald von Lou ausgelacht, der seinen Freunden nur einen Streich spielen wollte: So eine perfekte Frau gibt es doch gar nicht! Da behaupte noch einer, italienische Sexklamotten hätten keinerlei nachdenkliche Komponente.

Eine unwiderstehliche Traumfrau … mit ebensolchem Hypnoseblick:
Katy (Martina Castel).

Nur wenige Schnitte später läuft Lou im Kaufhaus seiner Traumfrau über den Weg – und die sieht genauso aus wie die Frau aus seiner Dentalphantasie! Wie ein Reh im Scheinwerferkegel schaut sie ihn an, und nur wenige Schnitte später sind Lou und Katy verabredet. Zwischenzeitlich lernt Ben beim Joggen eine nette Frau namens Bunny kennen – die muß ja fiese Eltern haben! – während Miles im Buchhandel über eine nicht minder nette Frau namens Lauren stolpert. Alle drei bandeln mit ihren jeweiligen Damen an und sind seligst benebelt.

Seligst benebelt ist man bei diesem Part des Films auch als Zuseher – sofern man, so wie ich, bestrapste Damen mag, die zu dauerfröhlichem Achtziger-Jahre-Hi-Energy-Pop über den Bildschirm gleiten. Für Zuseher, die andere Klänge oder gar Handlung bevorzugen, könnten sich diesen ersten 60 Minuten des 85-minütigen Vergnügens natürlich eher unsuper anfühlen – da wird nämlich eine Montage an die nächste gereiht, in denen wir unseren drei Herren mit den jeweiligen Ladies zusehen. Als absolutes Highlight darf dabei eine Disco-Szene gelten, bei der sich Ben und Bunny zu hämmerndem Synth-Funk nach und nach während des, räusper, Tanzes ausziehen. (Der Film nennt übrigens keinen Komponisten, weshalb zu vermuten ist, daß Mattei wie sonst auch die Musik zusammengeklaut hat die Selbstreferentialität der Popkultur ironisch kommentiert.)

Fast so schön wie bei DIRTY DANCING:
Ben (Rick Sume) und Bunny (Martina Castel).

Aber halt! Sind es überhaupt drei Damen, denen wir da abwechselnd beim Räkeln zusehen? Nach einer Stunde ereilt die drei Herren ein gnadenloser Twist: Katy, Bunny und Lauren sind ein und dieselbe Person! Wer hätte es vorausgeahnt – abgesehen natürlich von denen, die durch den Singular „una gatta“ im Titel oder durch den Vorspann, in dem nur eine einzige Schauspielerin erwähnt wird, oder durch die Tatsache, daß sich alle drei trotz unterschiedlicher Perücken irgendwie doch recht ähnlich sehen, dezent ins Grübeln geraten sind (Zeit genug ist angesichts der vielen Montagen ja vorhanden)? Oh ja, schon wieder stimmt uns dieses Kleinod nachdenklich!

KatyBunnyLauren erklärt den drei Jungs also, daß sie alle drei sehr gerne mag, weil sie unterschiedliche Aspekte der Männlichkeit repräsentieren: Miles ist der Intellektuelle (in dieser Art von Film ist man ja schon intellektuell, wenn man Brille trägt und die Zeitschrift richtig herum halten kann), Ben der Animalische (Wuff!), und Lou das coole Alphatier. Und weil sie sich nicht entscheiden konnte, hat sie eben drei verschiedene Frauen gespielt. Selbst dem intellektuellen Miles fällt nicht ein, nachzufragen, warum KatyBunnyEtc. denn an unterschiedlichen Tagen mit andersfarbigen Perücken herumläuft und beim Kennenlernen falsche Namen nennt.

Bücher in der Wohnung: Es muß sich um eine
Intellektuellenbeziehung handeln!

So zeichnet sich also ein Wettbewerb ab: KaBuLau. wird sich nach ein paar Tagen für den Mann entscheiden, der es am besten schafft, alle diese Charakteristika zu kombinieren. Grund genug für eine lange Montage zu brutal lustiger Musik, in der die Jungs das üben, was die anderen so gut können – Bücherlesen, Schauspielern, vornehm Dinieren. Nebenher vergnügt sich K.B.L. auch noch weiterhin einzeln mit ihnen – irgendwie muß der Spaß ja auf Spielfilmlänge kommen!

Zum Tag der Entscheidung kommt dann gleich der nächste Twist – auch für den Zuseher total überraschend, sofern man eine vorige Szene komplett verpennt hat: Da schauen die drei Jungs ein altes Video aus ihren College-Tagen, in dem eine häßliche Cheerleaderin zu sehen ist, die in alle drei verknallt war, aber von allen abgewiesen wurde. Tja, wer mag sich also nun hinter der Person verbergen, die sich mal Katy, mal Bunny und mal Lauren nennt? Wer weiß es? Wer weiß es?!?

„Warte doch mal! Wie ging der Twist jetzt nochmal?“

Interessant wäre natürlich, wie es die gute Frau eingefädelt hat, daß sie den dreien unabhängig voneinander so über den Weg läuft, daß sie selber gar nicht aktiv sein muß – ist die womöglich schon seit Jahren durch den Park gejoggt und hat immer nur drauf gewartet, daß dieser Typ von damals aus dem College auch vorbeijoggt und sie anbaggert? Welch perfider Plan! Genützt hat er freilich nichts: Die drei gruppieren sich wieder in der Bar und erklären, daß die Frau ja jetzt immer noch genauso unmöglich ist wie damals. Und dann sehen sie eine Frau mit Hut hereinspazieren, der sie alle drei hinterherlaufen – und die irgendwie schon wieder verdächtig nach jeder anderen Frau in diesem Film aussieht …

Im Abspann heißt Bunny dann übrigens plötzlich „Funny“. Ja, das haben Mattei und Fragasso sicher gehofft.

 

Three for One (Italien 1990)
Originaltitel: Tre pesci, una gatta nel letto che scotta
Regie: „David Graham“ (= Bruno Mattei)
Buch: „Clyde Anderson“ (= Claudio Fragasso)
Kamera: „Tony Hasler“ (= Antonio Maccoppi)
Schnitt: „J.B. Matthews“ (= Bruno Mattei)
Darsteller: Martina Castel, Robert LaBrosse, Jason Saucier, Rick Sume

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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