Der Spieledesigner Guido Henkel ist Freunden klassischer Rollenspiele als Kopf hinter der Trilogie um DAS SCHWARZE AUGE und als Produzent von PLANESCAPE: TORMENT bekannt. Zu seinen frühen Werken gehört das BARD’S-TALE-ähnliche Hack’n’Slay-Rollenspiel SPIRIT OF ADVENTURE, das 1991 erschien und mit knackigem Schwierigkeitsgrad so manche Schweißperle auf der Stirn des geneigten Spielers entstehen ließ.
Nach meinem Bericht über SPIRIT OF ADVENTURE habe ich Guido Henkel kontaktiert, um mit ihm detailliert über das Spiel zu reden. Im folgenden Interview reden wir über die Entstehung des Spiels, die Attic-Geschichte davor und danach, die Inspirationsquellen für verschiedene Elemente des Games, Henkels Probleme mit verschiedenen Publishern und andere Themen, die mit SPIRIT OF ADVENTURE verknüpft sind.
Christian Genzel: Fangen wir mal beim Spieltitel an. SPIRIT OF ADVENTURE ist ja recht allgemein gehalten und suggeriert ja auch eigentlich ein anderes Genre. Gab es andere Arbeitstitel? Wie beurteilst du den Titel heute?
Guido Henkel: Das Spiel war ursprünglich als erster Teil in einer Serie geplant, und wir verbrachten eine Menge Zeit damit, einen Namen zu finden, der die Serie am Besten repräsentierte. SPIRIT OF ADVENTURE war am Ende unser Favorit. Das Spiel selbst hatte ja den Untertitel THE DREAM MASTER, was wir wohl als Volltitel gewählt hätten, wenn wir vorhergesehen hätten, daß es nie zur Serialisierung kommen würde.
Das Cover von SPIRIT OF ADVENTURE. |
Von wem stammt das Cover-Artwork? Gab es andere Ideen dafür?
Das Cover war von Celal Kandemiroglu, glaube ich. Wir hatten damit nichts zu tun, weil unser Publisher Starbyte das in Auftrag gab und wir da absolut kein Mitspracherecht hatten. Wir bekamen das Cover und die Verpackung vorgesetzt, und das war das. Wir hatten selbst natürlich ganz andere Vorstellungen, was die Covergestaltung anging.
SPIRIT OF ADVENTURE war nach LORDS OF DOOM das zweite Attic-Spiel, obwohl ihr ja schon vorher einige Spiele wie das Adventure OOZE geschrieben hattet, und es war euer erstes „klassisches“ Rollenspiel. Was war der Impuls für SPIRIT OF ADVENTURE?
Das war eine ganz natürliche Entwicklung. Ich fing mit Text-Adventures wie HELLOWOON und OOZE an. Als ich mich dann mit Hans-Jürgen Brändle zusammenschliess, haben wir zusammen DRACHEN VON LAAS geschrieben, ein Adventure, das damals bahnbrechend war, da es schon sehr extreme Rollenspiel-Elemente enthielt, wie eine Heldengruppe — in diesem Falle zwei Helden, die der Spieler steuerte — rundenbasiertes Kampfsystem und individuelle Helden-Attribute.
Vor SPIRIT OF ADVENTURE geschrieben, erst später publiziert: Guido Henkels Adventure DRACHEN VON LAAS. |
LORDS OF DOOM war für uns immer eine Krücke: ein Spiel, das wir machten, einfach weil wir, nachdem wir von unserem damaligen Publisher Linel ganz brutal abgezockt wurden, in extremer Geldnot waren, ohne je wirklich richtig hinter dem Projekt zu stehen. Es war simpel, banal und ohne Tiefe — einfach etwas, das man verkaufen konnte.
Als wir dann die nötigen finanziellen Mittel wieder hatten, war der nächste logische Schritt für uns, ein vollwertiges Rollenspiel zu schreiben, und das war SPIRIT OF ADVENTURE.
Leider ist das aus der Timeline nicht so ersichtlich, weil die Veröffentlichung von DRACHEN VON LAAS jahrelang verschleppt wurde und wir das Spiel erst nach SPIRIT OF ADVENTURE selbst publishen konnten.
THE BARD’S TALE ist ja klares Vorbild für diese Art von Rollenspiel. Hattet ihr einen bestimmten Teil von BARD’S TALE im Auge, als ihr SOA entworfen habt? Gab es andere Vorbilder und Einflüsse (auch außerhalb der Computerspielsparte)?
Wir haben damals eine Reihe von Spiele angesehen und gespielt, wie THE BARD’S TALE, aber auch WIZARDRY, THE MAGIC CANDLE, PHANTASIE, MIGHT & MAGIC und TUNNELS & TROLLS. Einfach alles, was damals so im Umlauf war.
Wir haben mit SPIRIT OF ADVENTURE dann versucht, irgendwie das Beste aus all den Spielen zu kondensieren und in unser eigenes Game einzubringen — wobei man allerdings klar sagen muss, daß THE BARD’S TALE als Mustervorlage herhielt, weil es technisch damals eben marktführend war.
Stadtbegehung im BARD’S-TALE-Stil: Eine sechsköpfige Party auf der Suche nach Ruhm und Ärger … äh, Ehre. |
Hast du die BARD’S-TALE-Reihe selber (durch-)gespielt?
Ja, habe ich. Hans-Jürgen und ich waren damals beide begeisterte Spieler von THE BARD’S TALE, und wir haben alle Teile der Serie komplett durchgespielt.
Du hast das Spiel zusammen mit deinem Attic-Kollegen Hans-Jürgen Brändle geschrieben, designt und programmiert. Wie lief da die Zusammenarbeit von der Arbeitsteilung her, vor allem, was die Background- und Spiel-Story und die Erschaffung der Welt Talusien angeht?
Hans-Jürgen und ich hatten zu dem Zeitpunkt schon einige Zeit zusammen programmiert. Er hatte schon bei OOZE hier und da seine Finger im Spiel, und dann schrieben wir DRACHEN VON LAAS komplett gemeinsam, wie auch LORDS OF DOOM, das danach kam. Das hat immer prima funktioniert, und wir hatten das gut drauf, uns gegenseitig mit Ideen anzustecken. Das ging immer per Brainstorming, wo wir uns einfach hingesetzt haben und wie wild Ideen an die Wand warfen, die wir dann immer wieder aufgriffen und weiter ausarbeiteten. Hans-Jürgen und ich hatten sehr verschiedene Persönlichkeiten, aber wir hatten eine Sache gemeinsam: Keiner von uns hatte ein Ego. Jede Idee war gut und wurde angedacht, keiner fühlte sich benachteiligt oder auf den Schlips getreten, wenn der andere die Idee am Ende nicht mochte. Wir wollten einfach unterhaltsame Spiele machen, egal, wessen Idee das am Anfang einmal war. Das sieht man auch daran, daß wir mit Game-Credits damals sehr lose umgingen und selbst bei den DSA-Spielen die eigentlichen Rollen aller Beteiligten am Ende viel mehr umfaßten, als das die Credits vorgaukeln.
Auf diese „See-what-sticks“-Weise haben wir die gesamte Story von SPIRIT OF ADVENTURE gemeinsam ausgearbeitet und auch das eigene Rollenspiel-System und die Engine entwickelt.
Eine echte Arbeitsteilung gab es bei uns damals noch nicht. Das kam später, als wir die DAS-SCHWARZE-AUGE-Spiele entwickelten und das Team größer wurde. Bei SPIRIT OF ADVENTURE war es einfach eine Frage von „Was brauchen wir als nächstes?“, und dann hat derjenige, der Zeit hatte, eben das technische Design und/oder die Programm-Implementation begonnen.
Es kann nur einen geben … und einen Doppelgänger auf Lamarge. |
Auf die Grafiken wurdest du sicher schon oft angesprochen, wo ja gerne aus Filmen bekannte Bilder und Darsteller als Vorlage dienen. Gab es da je rechtliche Bedenken oder Probleme? Inwieweit spiegeln diese Anleihen euren Filmgeschmack wieder?
Wir machten das aus Spaß, und da die Grafiken alle handgezeichnet waren — Scanner waren damals unerschwinglich und das Internet existierte nicht — hatten wir keine allzu großen Befürchtungen, was die rechtliche Lage anging, auch wenn sie oftmals auf Filmvorlagen zurückgriffen. Die Bilder spiegeln unseren Filmgeschmack aber nicht sonderlich wieder, da wir wirklich nur Bücher und Magazine nach Motiven durchstöberten, die uns gefielen und die passend schienen.
Diese Vorgehensweise war seinerzeit in der Branche eigentlich gar nicht unüblich, und da Computerspiele damals noch ein Randdasein führten, nahm die Filmindustrie davon auch kaum Notiz.
In dem Zusammenhang fällt mir auch auf, daß die Intro-Musik nicht nur vage an „Rocks at Drake’s Bay“ aus John Carpenters THE FOG erinnert. Täusche ich mich da?
Nein, das ist korrekt. Ich bin ein grosser John-Carpenter-Fan, und THE FOG war immer einer meiner Lieblingsfilme. Dieses Stück war einfach meine Hommage an den Soundtrack von THE FOG und paßte, denke ich, sehr gut.
Übrigens: Die Belegschaft von Schloß Attic seid ihr selbst, oder? Wer ist wer?
Ja, das ist eine Anleihe an uns, die unser Grafiker Bernd Karwath erstellte. Auf der linken Seite bin ich mit Hans-Jürgen, und Bernd hat sich mit der Ritterrüstung selbst verewigt. Jochen Hamma hielt sich damals sehr im Hintergrund, weil er damals noch vertraglich anderweitig gebunden war.
Die Heiligen Hallen von Schloß Attic: Guido Henkel, Hans-Jürgen Brändle und Bernd Karwath (v.l.n.r.) |
Im Spiel gibt es eine ganze Reihe von Red Herrings: Den Knochenschlüssel, den man in einer der Mooncity-Kneipen findet, oder das Buch „Monas Hieroglyphica“, die unnützen Sprachen, oder die Diebesgilde, wo ich stets als „Schlaffi“ beschimpft werde – waren diese Elemente absichtlich gesetzt, um den Spieler auf falsche Fährten zu locken, oder wären damit noch Quests und Handlungsstränge geplant gewesen?
Das sind alles Hinweise auf Erweiterungen, die wir geplant hatten. Wie bereits erwähnt, war SPIRIT OF ADVENTURE als Serie gedacht. Wie bei Pen&Paper-Rollenspielen wollten wir Module anbieten, die direkt in das Spiel integriert worden wären, genau so wie das DLC heutzutage macht — nur, daß wir die Idee und Implementation eben schon vor 20 Jahren hatten. Hans-Jürgen und ich verbrachten sehr viel Zeit damit, ein System auszuarbeiten, das mit Sprungtabellen und Hooks arbeitete, so daß wir mit Modulen alle Aktionen umleiten und auf diese Weise hätten erweitern können.
Mit dem Zusatz von späteren Abenteuermodulen hätten all diese Hinweise dann Sinn gemacht, aber dazu kam es eben nie.
Ein bärtiger Dieb beschimpft uns unentwegt als „Schlaffis“ – da war die Diebesgilde in THE BARD’S TALE gastfreundlicher. |
An manchen Stellen wirkt das Spiel so, als wäre es größer geplant gewesen und als hättet ihr dann vielleicht keine Möglichkeit oder Zeit mehr gehabt, es weiter auszubauen: Der Hinweis, daß die Party kein Boot hat, suggeriert ja zusammen mit dem Hafen in Brataya z.B., daß man von Lamarge irgendwann zu einer anderen Insel kommen könnte. Ebenso scheint die Stadt Werik, in der ja gar nichts los ist, mit den dort befindlichen Baustellen so, als würde sie vielleicht später im Spiel wachsen und wichtig werden. Waren Story und Spiel ursprünglich größer angelegt, oder wären das dann auch Erweiterungen gewesen?
Ja, das sind auch alles solche Hooks, die wir in späteren Spielmodulen verwenden und erweitern wollten. Vor allem der Hafen von Brataya wäre der Dreh- und Angelpunkt für viele Erweiterungen geworden.
Woher kam denn die Idee zu dem niedlichen Teazerling? Mir fallen auf Anhieb keine anderen Rollenspiele ein, in denen Monster auftauchen, deren Funktion eben nur ein „Tease“, ein Ärgern des Spielers, ist. Einen einsamen Erfahrungspunkt gibt es für das Besiegen eines Wesens, das nicht müde wird, einem Blumensträuße zu schenken und die Party auszulachen!
Ich sah eines Tages eine Illustration von Chris Achilleos, die mich an einen Hobbit erinnerte, aber wie eine Echse aussah. Hans-Jürgen und ich unterhielten uns darüber und kamen auf die Idee, ein Wesen zu schaffen, das in etwa so aussah, aber komplett mit dem Lizard-Stereotyp brach. Als wir so in Ideen schwelgten, kam dann irgendwann der Gedanke auf, die Figur wirklich zum Extrem zu treiben und wirklich nur als Spaßfigur einzubauen. Wir wollten auch einen Moment erzielen, wo der Spieler sieht, daß er nur einen Erfahrungspunkt bekommt und „Waaaaas?“ schreit, weil das den ganze Zinnober ja wohl nicht wert war.
Das wohl harmloseste Monster der Rollenspielgeschichte: Teazerlinge betreiben nur lästigen Unfug und schenken der Party auch schon mal Blumen. |
Auf der Rückseite der Box ist ja eine Karte von Lamarge, auf der schon einige der Orte eingezeichnet sind, die es zu finden gilt. Dafür ist die Karte spiegelverkehrt, und es ist an der nördlichen Küste ein Turm eingezeichnet, der im Spiel nicht zu finden ist. War das absichtlich, um dem Spieler ein wenig zu helfen und ihn gleichzeitig ein wenig in die Irre zu führen? Oder gab es an der Stelle tatsächlich einmal einen Turm während des Spieldesigns?
Wie gesagt hatten wir mit der Verpackung gar nichts zu tun und wurden von Starbyte einfach mit dem Endprodukt konfrontiert. Die Karte stammte, wenn ich mich recht erinnere, aus einer Beta-Version des Spiels, und der Turm wurde am Ende aus dem Spiel gestrichen, weil uns die Zeit ausging, dieses Dungeon ordentlich zu debuggen.
Am Schluß des Spiels erscheint ein Hinweis auf eine Fortsetzung. Habt ihr die Aussicht nur auf Verdacht hingeschrieben, oder gab es tatsächlich schon konkrete Pläne und Ideen für die nächsten Abenteuer auf Lamarge und in Talusien?
Wir hatten ein paar konkrete Ideen für das erste Erweiterungsmodul, und ein paar grobe Sachen, die wir im Laufe der Zeit in der Spielwelt machen wollten, aber viel weiter war das nie gegoren.
Leider kam es nie zu diesen Erweiterungen, da wir mit unserem Publisher Starbyte ziemliche Probleme hatten. Da sie uns ohne Ende abzockten, hatten wir uns von der Idee sehr schnell nach der Veröffentlichung des Spieles verabschiedet und sind stattdessen an die DAS-SCHWARZE-AUGE-Spiele gegangen. Das war zu dem Zeitpunkt eine komplett neue und unvorhergesehene Möglichkeit, die sich da dank unserer Arbeit an SPIRIT OF ADVENTURE auftat.
Talusien wäre doch noch eine Reise wert … |
Könntest du dir vorstellen, einmal nach Talusien zurückzukehren, sei es in Form eines neuen Spiels oder eines Buchs?
Kaum. Der Grund hierfür ist, daß ich mich kaum an die Details des Spiels oder der Welt erinnern kann. Es gibt auch keine Dokumentation mehr, die mir da auf die Sprünge helfen könnte. Insofern ist das Thema, glaube ich, abgehakt. Aber wer weiß, nun, da Du’s angesprochen hast … vielleicht.
Wieviel Playtesting gab es bei SPIRIT OF ADVENTURE? Hast du das Spiel selber mal von vorn bis hinten durchgespielt? Wie stufst du den Schwierigkeitsgrad ein?
SPIRIT OF ADVENTURE wurde mit einer absoluten Minimal-Crew entwickelt. Das waren an sich nur drei Leute, Hans-Jürgen Brändle, Jochen Hamma und ich—von Freelance-Grafikern einmal abgesehen. Eigentliche Spieltester hatten wir damals gar nicht. Um Deine Frage also zu beantworten: Ja, ich habe SPIRIT OF ADVENTURE einige Male von Anfang bis Ende durchgespielt.
Was den Schwierigkeitsgrad angeht, kann ich da wirklich nichts zu sagen. Da der Hans-Jürgen und ich wirklich jedes Detail in dem Spiel gemeinsam erdachten und einbauten, war ich mit jedem Winkel und Trick des Spieles damals vertraut, und das macht es unmöglich, die Schwierigkeit für einen nicht initiierten Spieler abzuschätzen.
Finstere Gesellen streifen durch die Dungeons … |
Weißt du noch, wieviele Exemplare ihr verkauft habt, und welche Plattformen (Amiga, PC, Atari ST, C64) dabei wie gut angekommen sind?
Da uns unser Publisher damals so toll abzockte, haben wir niemals erfahren, wieviele Exemplare wir eigentlich verkauft haben. Starbyte hat uns damals nach Strich und Faden betrogen, und hat zudem noch solche Dinge wie die C64-Version verbockt, die ja amateurhaft im Schnellgang von irgendwelchen angeheuerten Programmierern zusammengebastelt wurde und mit dem eigentlichen Spiel kaum etwas gemeinsam hat.
Nach SPIRIT OF ADVENTURE habt ihr euch entschlossen, eure Spiele nicht mehr über einen anderen Publisher zu veröffentlichen. Was waren die Gedankengänge hinter dem Schritt?
Wenn Du dreimal nacheinander von drei verschiedenen Publishern übers Ohr gehauen und betrogen wirst, hast Du irgendwann einfach die Nase voll. Wir hatten es satt, andere Leute reich zu machen, und nach SPIRIT OF ADVENTURE haben Hans-Jürgen, Jochen und ich beschlossen, daß wir ab sofort unsere Spiele selbst verlegen würden. Glücklicherweise hatten wir damals DRACHEN VON LAAS noch immer unveröffentlicht in der Schublade liegen, und so beschlossen wir uns, dieses Spiel als ersten Titel zu veröffentlichen, um Geld einzuspielen, das uns dann half, weitere Games wie THE OATH und DAS SCHWARZE AUGE aus eigener Tasche zu entwickeln und zu publishen.
Unglaubliche Reichtümer und die schrecklichsten Alpträume: Beides gibt’s nicht nur in Segans Turm, sondern auch in der Attic-Publishing-Geschichte .. |
Wie hast du es geschafft, bei so vielen schlechten Erfahrungen mit Publishern optimistisch zu bleiben und weiterzumachen? Gab es Momente, in denen du am liebsten alles hingeworfen hättest?
Wir waren damals noch sehr jung und voller Idealismus. Die Rückschläge steckten wir einfach weg als gelernte Erfahrung. Der Gedanke
aufzugeben kam uns eigentlich gar nie. Wir wollten Spiele machen und das war’s. Ende der Diskussion. Wir glaubten an Karma und ausgleichende
Gerechtigkeit, und in gewisser Weise traf das auch zu, weil alle diese Leute, die uns abzockten, am Ende bankrott gingen und einige sogar im
Knast endeten.
Wir mußten nur einen guten Weg finden, das
richtig zu machen, auszubrechen aus diesem Zyklus. Neben den Verlusten
war es aber am schmerzvollsten, andere Entwickler an uns vorbeiziehen zu
sehen. Leute, die diese Probleme nicht hatten, die durch ihre Arbeit
finanzielle Mittel hatten, die wuchsen und mehr Titel schneller
veröffentlichen konnten. Das war, glaube ich, das Frustrierendste, daß
wir oftmals geknebelt waren und auf unseren Händen sitzen mußten, wenn
wir stattdessen neue Games hätten entwickeln können.
Was hat SPIRIT OF ADVENTURE für Grundsteine für DIE SCHICKSALSKLINGE und deine späteren Spiele gelegt?
Als wir DIE SCHICKSALSKLINGE anfingen, haben wir stark auf die Erfahrungen zurückgegriffen, die wir mit SPIRIT OF ADVENTURE gemacht hatten. Auch wenn wir die Code-Basis an sich komplett neu schrieben, hatten wir ja an sich bereits einmal eine komplette Rollenspiel-Engine geschrieben, und das machte das Ganze schon deutlich einfacher. Viele der Problem, die uns bei SPIRIT OF ADVENTURE viel Kopfzerbrechen bereitet hatten, hatten wir zu dem Zeitpunkt bereits einmal gelöst und konnten also sehr schnell einen Prototypen der SCHICKSALSKLINGE erstellen. Knifflig wurde es dann nur noch in den Bereichen, in denen wir Dinge komplett neu entwickeln mußten, wie etwa das Kampfsystem.
Der junge Guido Henkel vor dem Atari TT. |
Gibt es noch andere Geschichten und Gedanken rund um SPIRIT OF ADVENTURE, die du uns erzählen kannst?
SPIRIT OF ADVENTURE war für mich immer ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite war es ein totales Desaster, weil wir endlos betrogen wurden und den Titel am Ende quasi umsonst entwickelt haben, weil uns der Publisher nie bezahlte.
Auf der anderen Seite war es aus genau diesem Grund eben auch das Spiel, mit dem sich alles änderte. Wir entschlossen uns von da an, selbst zu publishen, und das brachte sehr große Veränderungen mit sich, da wir das nicht mehr zu dritt machen konnten und die Firma von da an sehr schnell wuchs.
SPIRIT OF ADVENTURE öffnete uns auch die Tür zu den DAS-SCHWARZE-AUGE-Spielen und ist von daher natürlich von unendlicher Wichtigkeit für mich gewesen.
Die Entwicklung des Spieles selbst war faszinierend, weil wir für uns sehr viel technisches Neuland betraten, was für Hans-Jürgen und mich immer extrem begeisternd war. Es war auch das erste Mal, daß wir eine Story entwickelten, die größer war als alles, was wir davor gemacht hatten. Das ganze Projekt war also sehr erfrischend und hat eine Menge Spaß gemacht. Leider wurde das zum Ende hin alles durch die Publisher-Probleme zunichte gemacht.
Guido Henkel als Autor: CURSE OF KALI aus seiner Jason-Dark-Reihe. |
Zu guter Letzt: Seit einiger Zeit bist du verstärkt als Autor tätig. Was beschäftigt dich sonst so? Hier hast du Platz, um für all deine jetzigen Tätigkeiten die Werbetrommel zu rühren!
Ich habe in den vergangenen Jahren verschieden Sachen gemacht. Ich habe einige Jahre lang Spiele für Handys gemacht — lange bevor das richtig populär wurde — weil es mich reizte, wieder einmal richtig mit Minimal-Hardware zu arbeiten, wo man auch in Maschinensprache an ein Problem herangehen konnte.
Und dann habe ich einige Bücher und Heftromane geschrieben. Meine Serie JASON DARK: GHOST HUNTER ist zum Beispiel eine Heftroman-Serie mit elf Folgen, die im Viktorianischen England spielt und einen okkulten Detektiv als Hauptfigur hat. Das geht so in die Ecke der Bastei-Heftromane, aber mit ganz anderen Settings und einem ordentlichen Hauch Steampunk. Die Romane gibt’s alle bei Amazon zu kaufen, und zusätzliche Info kann man auf der offiziellen Website www.jasondarkseries.com finden.
Dazuhin bin ich im eBook-Bereich sehr aktiv und formatiere für viele Autoren und Verlage deren eBooks, so daß sie in den Vertrieb gehen können. Mehr Info dazu gibt’s auf meiner Webseite www.guidohenkel.com zu finden, wo ich auch ansonsten oftmals über diverse Dinge schriebe, die mich beschäftigen.
Vielen Dank für deine Zeit und das Interview!!
Photo von Guido Henkel: (C) Thu-Lieu Pham
Die Screenshots aus SPIRIT OF ADVENTURE wurden von Erhard Furtner erstellt.
Der Screenshot aus DRACHEN VON LAAS und das Cover zu CURSE OF KALI stammen von Guido Henkels eigener Seite.
Der Scan aus der POWER PLAY 2/92 stammt von Sebastian Eichholz bzw. seiner unverzichtbaren Seite kultpower.de.