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SIX GRAVES – Willst du ein Spiel spielen … ohne Budget?

Was kriegt man, wenn man SAW mit BURIED kreuzt? Gar keine so schlechte Horrorfilmprämisse: Nach einer ausufernden Party spielt ein Wahnsinniger ein perfides Spiel mit dem Mädchen Brie – er hat sechs ihrer Freunde mitsamt ihren Handys in Kisten eingebuddelt, und sie muß nun im Wettlauf gegen die Zeit herausfinden, wo sich die einzelnen Gräber befinden. Und was kriegt man, wenn man diese Geschichte dann ohne Geld und ohne brauchbares Skript verfilmt? Laßt mal, es war eine rhetorische Frage.

Bevor hier irgendwer eingegraben wird, kriegen wir erstmal die Charaktere vorgestellt. Beziehungsweise: Wir sehen fünfzehn Minuten lang Leuten beim Herumalbern zu. Brie, unsere Hauptfigur, ist dunkelhaarig und fährt einen Motorroller. Sie hat Freundinnen, die blond sind, und männliche Freunde, von denen einer gerne schwimmt. Alle haben einen permanenten Wahnsinnsspaß, wie es scheint. Auf einer Party sieht man manche dieser Freunde, von denen einige sogar einen Namen haben, etwas trinken, und wieder andere knutschen herum.

Am nächsten Morgen wacht Brie also auf und erhält die Nachricht des Entführers auf ihr Handy. Der böse Bube hat dafür extra eine kleine Smiley-Animation erstellt und zeigt ihr Bilder von ihren Freunden, wie sie in Kisten stecken. Brie hält das Ganze für einen Streich, und weil im Haus niemand mehr ist, setzt sie sich auf ihren Motorroller und fährt heim.

Dann wachen nach und nach die sechs Eingebuddelten auf und fangen an, herumzutelefonieren. Marty ruft Brie an und erklärt ihr, daß das Ganze kein Spaß ist und er wirklich in einer Kiste ist. Sie wird ein bißchen hysterisch, wird aber von ihrem Freund in der Kiste mit sanften Worten beruhigt. Tess dagegen ruft gleich mal ihren Papa an, der sie sofort fragt, ob sie Drogen nimmt. Noch bevor sie ihm erklären kann, was los ist, kriegt sie eine Sofortnachricht und packt Papa in die Warteschleife. In der Sofortnachricht erklärt der Täter seine Regeln: Keine Eltern, keine Polizei. Tja, schade irgendwie. Papa Tess, der als Polizist arbeitet, ist aber jetzt trotzdem irgendwie besorgt.

In großer Konferenzschaltung befragt Brie die einzelnen Freunde, was sie hören oder riechen, oder was ihnen sonstwie auffällt, und schreibt alles fein säuberlich mit dem Kugelschreiber auf einen Collegeblock, weil ihr Laptop leider grad keine Internetverbindung hinkriegt. Offenbar ist jeder woanders, aber keiner weiß, wo. Spätestens jetzt wünscht sich sicher jeder, er hätte diese blöde Facebook-App installiert, die den Aufenthaltsort immer gleich mitpostet.

Die Bildübertragung der gefangenen Freunde ist übrigens auch online zu sehen und erfreut sich schnell höchster Popularität – neben SAW und BURIED haben die Macher wohl auch UNTRACEABLE gesehen. Ich weiß zwar nicht, was so spannend ist an sechs niedrigstaufgelösten Live-Cams von grauen Gesichtern, aber vielleicht hat die Website ja auch noch ein paar Katzenvideos zu bieten. So oder so hat es für die Handlung keine Relevanz.

Der Täter wird irgendwann unruhig und fängt an, die Jungs und Mädels über die Klinge springen zu lassen. Anfangen tut er dankenswerterweise mit Amy, deren Kiste mit Petroleum getränkt ist, worauf sie in ihren 15 Minuten Gefangenschaft etwa alle drei Sekunden hinweist. Die anderen Kids sind nicht so nervig – vor allem Stu nicht, der einfach stumm am Handy ein Videospiel spielt. Wer sich da Sorgen um seinen Akku macht, sei beruhigt: Stu ist in einem Sägewerk versteckt und muß sich nicht den gesamten Film ansehen.

Brie findet derweil heraus, daß ihre Telefone abgehört werden und sie auch im Haus überwacht wird. Sie findet zusammen mit Tess‘ Papa einen großen grauen Kasten am Dachboden, der ihr Internet blockt. Nachdem sie sich am Computer eine Betriebsanleitung durchgelesen hat (die möglicherweise dem Gerät als CD-ROM beilag), schafft sie es, den einzigen Schalter am Gerät zu betätigen, woraufhin ihr Netzzugang wieder funktioniert. Auf die Idee, die Handys oder Computer der Nachbarn zu benutzen, kommt leider niemand. Zwischenzeitlich sind ganze zwei Polizisten im Einsatz und suchen nach den Teenagern, während sie mit einer dicken Frau telefonieren, die in einem Zimmereck sitzt. Nein, Entschuldigung: Die Polizeikräfte befinden sich in ständigem Kontakt mit der Einsatzzentrale.

Eine der Eingegrabenen befindet sich übrigens auf dem Friedhof unter einer tonnenschweren Marmorplatte. Zwei Menschen können die mit Müh und Not beiseite schieben; der Killer hat vielleicht einen Wagenheber verwendet oder vorher etwas Kraftmüsli gefuttert. Völlig überraschenderweise ist der einzige Tatverdächtige der Polizei dann doch nicht der tatsächliche Täter, aber er bedroht Brie trotzdem, während Marty in weiser Voraussicht den Polizisten umrennt, der den Burschen in Schach hält.

Und dann ist der billigst abgefilmte Unfug auch schon bald vorbei. Die überlebenden Teenager gehen wieder zur Schule, aber einen permanenten Wahnsinnsspaß haben sie nicht mehr. Aber warum sollte es denen auch besser gehen als uns?



6 Graves (Australien 2012)
Originaltitel: 6 Plots
Regie: Leigh Sheehan
Buch: Tim C. Patterson
Musik: Frank Strangio
Darsteller: Alice Darling, Ryan Corr, Penelope Mitchell, Joey Coley-Sowry, Emily Wheaton, Eliza Taylor, Damien Harrison

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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