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STATIC: Ein Twist um ein zentrales Nichts

STATIC ist das beste Beispiel dafür, daß das Handwerk nichts nützt, wenn es nichts zu erzählen gibt. Es ist ein Einbruchsthriller, bei dem ein zurückgezogen lebendes junges Ehepaar von seltsamen maskierten Gestalten im eigenen Haus terrorisiert wird – und als solcher ist er natürlich auf eine gewisse mechanische Weise spannend, weil die Vorstellung, daß finstere Männer in die Sicherheit der eigenen vier Wände eindringen wollen und es wohl nicht nur auf das Tafelsilber abgesehen haben, eine gewisse Grundangst anspricht. Oberflächlicher filmischer Thrill ist ebenso einfach wie wirksam, wenn man einen Mann mit Gasmaske durchs Fenster schauen läßt.

Und so läßt Regisseur Todd Levin zusammen mit gleich drei weiteren Drehbuchautoren die gruseligen Gesellen antanzen und strickt drumherum nur ein Mindestmaß an Geschichte: Die angegriffenen Eheleute leben in der Abgeschiedenheit, weil ihr dreijähriger Sohn vor einiger Zeit ertrunken ist. Sie flüchtet in den Alkohol, er in die Arbeit an seinem neuen Roman. Und eines Nachts steht eine blonde junge Frau vor der Tür, die von maskierten Kerlen verfolgt wird – aber offenbar auch irgendwie mit denen in Verbindung steht. Viel mehr Story kommt nicht: Ab jetzt werden Treppen herauf- und heruntergeschlichen, unsere Helden verstecken sich in diesem Zimmer und in jener Ecke, lauschen mit angehaltenem Atem den knarzenden Schritten der Eindringlinge, rennen hierhin und flüchten dorthin.

Levin inszeniert den Angriff atmosphärisch recht dicht und kann damit den Zuseher eine ganze Zeitlang bei der Stange halten. Durch den Minimalismus der Prämisse und die flach gezeichneten Hauptfiguren ist das Prozedere nicht wahnwitzig involvierend, aber durchaus eine Zeitlang ganz spannend. Nur ahnt man mit fortschreitender Zeit immer mehr, daß da auf erzählerischer Ebene nicht mehr passieren wird, daß das Mystery-Element um die geheimnisvollen Fremden nicht auf interessante Inhalte, sondern auf einen Schlußtwist hinauslaufen wird. Der kommt und geht und hinterläßt nichts, was die Geschichte in irgendeiner Weise anreichert.

Es ist ein Fluch des modernen Spannungskinos, daß Stories fast zwanghaft auf einen Twist hinauslaufen müssen: Selten ist diese Umkehrung des bisher Gesehenen wirklich schlüssig, und noch seltener eröffnet sie einem tatsächlich neue Perspektiven. Mal abgesehen davon, daß die Überraschungen in Genrefilmen mittlerweile schon so gründlich durchdekliniert wurden, daß sie schlichtweg keine Überraschungen mehr darstellen – der Schlußtwist von STATIC erinnert gleich an mindestens ein halbes Dutzend anderer Filme, die dasselbe Kaninchen aus dem erzählerischen Hut hervorholten – offenbart eine solche narrative Konstruktion in den meisten Fällen doch nur, daß es einmal mehr um gar nichts ging. Die Enthüllung am Ende erzählt uns nichts über die Figuren, reißt keine ambivalenten Fragen an und bietet keine Auseinandersetzung mit dem Kern der Geschichte – was im Falle von STATIC freilich daran liegt, daß hier gar kein Kern jenseits der Aneinanderreihung von Bedrohungen existiert.

Was bleibt also? Ein durchaus dicht gestalteter Spannungsfilm, dessen zentrales Nichts im Laufe der recht kurzen Dauer immer offensichtlicher wird, und der fast zwangsläufig auf die Enttäuschung zusteuert. Das mag für einen Abend der Zerstreuung vielleicht sogar genug sein. Aber wenn man sich mal vor Augen hält, was ein Film wie WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN aus der Prämisse des Ehepaares holt, das sich mit dem Tod des Kindes auseinandersetzen muß, und wie dort das Konzept der Schicksalhaftigkeit ausgelotet wird – ebenso mit Schlußtwist, aber einem, der nicht abschließend alles sortiert, sondern weitere Fragen aufwirft – dann bleibt von STATIC eigentlich nur das, was der Titel suggeriert: Rauschen am Bildschirm.



Static – Bewegungslos (USA 2012)
Originaltitel: Static
Regie: Todd Levin
Drehbuch: Gabriel Cowan, Andrew Orci, John Suits, Todd Levin
Kamera: Johnny Ching
Musik: Tim Ziesmer
Darsteller: Milo Ventimiglia, Sarah Shahi, Sara Paxton, William Mapother, Dominic Bogart

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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