Wenige Actionfilme haben das moderne Eventkino so stark geprägt wie John McTiernans STIRB LANGSAM. Auch wenn der Film mittlerweile über 25 Jahre auf dem Buckel hat, sind seine Auswirkungen immer noch spürbar: Das Konzept vom Einzelkämpfer, der notgedrungen auf engem Raum eine schillernde Truppe von Terroristen ausschalten muß, zog unzählige Variationen nach sich, die sich allesamt mit der Phrase „STIRB LANGSAM in/auf Setting“ beschreiben ließen – von „STIRB LANGSAM auf einem Schiff“ (ALARMSTUFE: ROT) über „STIRB LANGSAM im Flugzeug“ (AIR FORCE ONE) hin zu „STIRB LANGSAM in den Bergen“ (CLIFFHANGER). Selbst die Fortsetzung nahm sich da nicht aus – die war „STIRB LANGSAM im Flughafen“. Und wie Roland Emmerichs WHITE HOUSE DOWN letztes Jahr gezeigt hat, lebt das Subgenre immer noch weiter: „STIRB LANGSAM im Weißen Haus“.
McTiernans Original ist sozusagen „STIRB LANGSAM im Wolkenkratzer“: Der New Yorker Cop John McClane kommt nach Los Angeles, um seine Frau zu besuchen, die dort einen lukrativen Job bei einer internationalen Firma angenommen hat. Bei der Weihnachtsfeier stürmen Terroristen das Firmengebäude und nehmen die Mitarbeiter als Geiseln – bis auf McClane, der ihnen durch einen Zufall entgeht und jetzt alleine den bösen Buben Einhalt gebieten muß. Unterstützung hat er nur per Funkkontakt zu dem Streifenpolizisten Al Powell, der aber ebensowenig wie das anrückende FBI in das abgeriegelte Hochhaus kommen kann.
Das resultierende Thrillpaket dieser Minimalprämisse wirkt trotz aller Blockbuster-Choreographie vor allem deshalb realistisch, weil McTiernan seinen Held als fehlbaren und verletzlichen Menschen zeichnet, der sich gar nicht darum reißt, eine Unglaublichkeit nach der anderen zu leisten. Schon anfangs werden die Schwierigkeiten in McClanes Ehe thematisiert, und nachdem er sich kurz vor der Aussöhnung erneut mit seiner Frau gestritten hat, ärgert er sich in einem stillen Moment hauptsächlich über sein eigenes aufbrausendes Wesen. Vor allem aber ist McClane (der in seiner ersten Szene als Mensch mit Flugangst eingeführt wird) körperlich verwundbar: Im Laufe des Films trägt er immer mehr Verletzungen davon, bis er zum Schluß humpelnd und blutüberströmt kaum mehr stehen kann. Daß unser Protagonist beinahe den ganzen Film über barfuß bleiben muß und in einer Sequenz mit den nackten Füßen über Glassplitter läuft, funktioniert da ganz nebenher als metaphorische Umschreibung seiner Menschlichkeit.
Auch der Plot wartet unter McTiernans erzählerischem Geschick immer wieder mit cleveren Entwicklungen auf: So läßt er das Katz-und-Maus-Spiel zwischen McClane und dem Terroristen Hans Gruber lange Zeit rein über den Funkverkehr wirken, bis sich die Kontrahenten dann nach 90 Minuten Laufzeit zum ersten Mal tatsächlich begegnen – in einer Sequenz, in der sich Gruber als entflohene Geisel ausgibt. Überhaupt hat der Regisseur ein gewisses Vergnügen an dem doppelbödigen Plan seiner gebildet auftretenden Verbrecher: Da stellt Gruber absurde Forderungen über die Freilassung von Terroristen rund um Welt, damit das FBI die Standardprozedur im Umgang mit Terroristen anwendet und dem Gebäude den Strom abdreht – wodurch die Gangster in den Tresorraum gelangen können, auf den sie es eigentlich abgesehen haben.
McTiernans Inszenierung kostet dabei immer wieder gekonnt Suspense-Szene aus, in denen stets schlimme Ereignisse und verpaßte Gelegenheiten in Aussicht gestellt werden – sei es, daß McClane aus dem Fenster heraus unten auf der Straße fahrende Polizeiwagen sieht und hofft, daß jemand auf die Situation im Hochhaus aufmerksam wird (die Streifenwagen biegen dann aber in eine andere Richtung ab), oder daß Streifenpolizist Powell bei einer Kontrolle der Lobby von einem Schützen bedroht wird, der für uns groß im Vordergrund sichtbar, für ihn aber hinter einer Ecke verborgen bleibt. Solche Momente packen dabei mitunter ganz menschliche Grundängste an: Wenn Powell von der Ferne aus das Hochhaus betrachtet, auf dessen Dach gerade wilde Feuergefechte stattfinden (die er nur als leichte Blitze in der Nacht sieht), dann spielt der Blick mit dem Gefühl, wie isoliert und auf sich gestellt man trotz räumlicher Nähe zu anderen sein kann.
Der Regisseur erzählt die Grundprämisse zwar mit der nötigen Ernsthaftigkeit – vor allem, was McClanes Schwierigkeiten angeht – kann aber gleichzeitig an den Rändern etwas Ironie einfließen lassen. Nicht nur im Abspann ertönt Beethovens „Ode an die Freude“, auch die (großteils deutsch sprechenden) Terroristen begleitet die Melodie quasi als Leitmotiv – eine augenzwinkernde Bosheit angesichts der Tatsache, daß es in Schillers zugrundeliegendem Text um Menschen geht, die gleichberechtigt durch Freude und Freundschaft verknüpft sind. An manchen Stellen gesteht sich der Film auch gewissermaßen selber seine Existenz als US-Actionphantasie zu – vor allem, wenn Terrorist Gruber über das Funkgerät den Draufgänger McClane fragt: „Who are you? Just another American who saw too many movies as a child? Another orphan of a bankrupt culture who thinks he’s John Wayne? Rambo? Marshal Dillon?“
Diese unterschwellige Ironie mündet letztlich auch in ein spöttisches Porträt Amerikas in den Achtziger Jahren: Da wird mit dem (von einer japanischen Firma errichteten!) Wolkenkratzer ein Sinnbild für den Großkapitalismus zerstört, während sich die (ebenso internationalen) Terroristen selber als rein finanziell motivierte Gauner entpuppen. Ein koksender Yuppie unter den Geiseln überschätzt sich maßlos und spielt sich als cooler Vermittler auf, während er unseren Helden verrät. In den Medien, die über die Gangster berichten, erzählt ein ahnungsloser Experte etwas vom „Helsinki-Syndrom“, während ein eitler Reporter den Vorfall nur als Garant für hohe Einschaltquoten sieht. Und zum Schluß kann sich Gruber nur noch an der goldenen Rolex festhalten, die McClanes Ehefrau als Prämie von der Firma erhalten hat – und die nach dem Lösen des Armbandes mitsamt Gruber in die Tiefe stürzt.
All diese Elemente und Ebenen bilden das tragfähige Grundgerüst, auf dem McTiernan seine actionreiche Hochspannung aufbauen kann. Im eigentlich sehr begrenzten und nicht sehr vielfältigen Raum des Wolkenkratzers variiert der Regisseur immer wieder die Schauplätze, wechselt von der prunkvollen Chefetage in nüchterne Büros, vom beklemmenden Fahrstuhlschacht in noch nicht fertig gebaute Etagen, von der üppigen Lobby in die für die Computerserver vorgesehene Technik-Etage. Jan De Bonts Kamera ist oft in Bewegung, verbindet einzelne Bilder mit Reißschwenks, gibt den stimmungsvoll ausgeleuchteten Bildern mit Blendenflecken einen unmittelbaren und realistischen Eindruck.
Wie schwer es ist, diese sorgfältig inszenierte Mixtur aus Event-Action, permanentem Thrill und menschlichen Figuren auszutüfteln, haben nicht nur diverse der Nachahmer gezeigt, sondern letztlich auch insbesondere die späteren Fortsetzungen der STIRB-LANGSAM-Reihe selber – die sich nicht nur, vielleicht in Reaktion auf die Konkurrenz, von den speziellen Schauplätzen loslösten, sondern auch die Verwundbarkeit von John McClane nach und nach über Bord warfen. Der unkaputtbare und stets quengelige McClane, der in Teil 4 mit einem Auto in einen Helikopter rast und in Teil 5 mit einem Truck aus einem Hubschrauber herausspringt, hat jedenfalls nichts mehr zu tun mit der Figur des Originalfilms, die den sichtbaren Schmerz mit letzten Kraftreserven wegstecken muß, weil es eben nicht anders geht. Mit letzterem Konzept könnte sich vielleicht der geplante sechste Teil aus der Menge der ähnlichen Actionfilme hervorheben: „STIRB LANGSAM mit John McClane“.
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Close-Up: Der dramatische Raum in STIRB LANGSAM
STIRB LANGSAM: EIN GUTER TAG ZUM STERBEN
Stirb langsam (USA 1988)
Originaltitel: Die Hard
Regie: John McTiernan
Buch: Jeb Stuart, Steven E. de Souza
Kamera: Jan De Bont
Musik: Michael Kamen
Darsteller: Bruce Willis, Alan Rickman, Bonnie Bedelia, Reginald Veljohnson, Paul Gleason, William Atherton, Hart Bochner, Alexander Godunov, Robert Davi, De’voreux White, Al Leong