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[Film] Mutant – Das Grauen im All (1982)

Der Weltraum, unendliche Weiten … und ein nicht gar so unendliches Budget, weshalb es vom vielen All dann doch wieder nur ein paar düstere Korridore und einige Felsen im Sand zu sehen gibt. Und natürlich ein gar widerwärtiges Monster, das unglückselige Astronauten verspeist. Und wir sehen, was Ridley Scott bei seinem ALIEN in der ganzen Eile komplett vergessen hat: Möpse. Und wer sich von Monstern und Möpsen nicht gar so magisch angezogen fühlt wie ich, läßt sich vielleicht von dieser prägnanten Hintergrundinformation aus der IMDB auf die Couch locken:

This project was originally envisioned as an outer space version of LAWRENCE OF ARABIA by Allan Holzman. Roger Corman told him that the budget would be far too high, so Holzman eventually decided he wanted to do an ALIEN ripoff. Corman agreed to that.

Da kann man Regisseur Allan Holzman eine gewisse Flexibilität also nicht abstreiten! Holzman, der zuvor für Produzent Corman als Cutter für Epen wie CANDY STRIPE NURSES und SADOR – HERRSCHER IM WELTRAUM gearbeitet hatte, gab mit MUTANT – DAS GRAUEN IM ALL seinen Einstand als Filmemacher – obwohl er sich ein Jahr zuvor schon um einige zusätzliche Szenen des Phillipino-Kloppers NACKTE FÄUSTE – DIE TÖDLICHE KARATELADY kümmern durfte.

„Was ist denn mit meinem Auflauf passiert?“
Dr. Barbara Glaser (June Chadwick) im Kampf gegen den Glibber.

Worum geht es also in MUTANT – DAS GRAUEN IM ALL, dessen deutscher Titel tatsächlich etwas mehr Sinn macht als der Originaltitel FORBIDDEN WORLD? Also: Der Weltraumpilot Mike Colby (Jesse Vint, der hier ein bißchen wie ein junger Lance Henriksen aussieht) landet zusammen mit seinem Roboter Sam auf dem Planeten Xarbia, wo in einer Forschungsstation ein genetisches Experiment aus dem Ruder zu laufen droht. Aus dem freundlich pulsierenden Gewebe im Brutkasten wird urplötzlich ein schleimiges Viech, das harmlose Astronauten anspringt und zu blutiger Glibbermasse zersetzt. Colby kann sich also nicht mehr lange mit den beiden Forscherinnen Tracy (Dawn Dunlap, BARBARIAN QUEEN) und Barbara (June Chadwick, THIS IS SPINAL TAP) vergnügen – die, wie wir aus emanzipatorischen Gründen festhalten möchten, ihn verführen und nicht etwa umgekehrt, und das natürlich nacheinander und nicht gleichzeitig, was unromantisch wäre – sondern muß den Wissenschaftlern im Kampf gegen das stetig wachsende Untier helfen, das schon bald die Station ins Chaos stürzt.

Richtig, es beschleicht einen ein dezentes Déjà-Vu-Gefühl bei der Begutachtung dieses schönen Films. Und das nicht nur, weil das Monster-verknuspert-Menschen-in-dunklen-Korridoren-Prinzip seit ALIEN (und dann gleich nochmal seit dem Nachfolger ALIENS) gefühlte 97% der SciFi- und Horror-Produktion bestimmt hat: Unser Held Colby wird zu Beginn als Rabaukenkosmonaut à la Han Solo eingeführt, der statt eines knurrenden Langhaarriesens eben einen treudoofen Blechgesellen als Begleitung hat; selbiger Roboter trottet auch gleich zu Beginn durch rot ausgeleuchtete Korridore, die eigentlich direkt ins Herz von Kubricks 2001 führen sollten. Zum Aufwärmen gibt es eine Weltraumschlacht, die auch ein wenig an den KRIEG DER STERNE gemahnt – und offenkundig aus dem obengenannten Film SADOR – HERRSCHER IM WELTRAUM entlehnt wurde (im Sparen macht Corman eben niemand etwas vor). Diverse Sets wurden dagegen aus der Corman-Produktion PLANET DES SCHRECKENS recyclet. Man kann also kaum behaupten, daß bei der Erkundung des Weltraums hier hundertprozentige Terra Incognita beschritten wird.

Das macht aber fast wenig: Holzman und seine Jungs und Mädels mögen vertraute Genrekost abfrühstücken, aber die präsentieren sie dafür als unterhaltsames und technisch gar nicht unambitioniertes Paket. Aus Geldnot spielt sich zwar beinahe der komplett Film in düsteren und spärlich ausgestatteten Räumen und Korridoren ab, aber zusammen mit seinem Kameramann Tim Suhrstedt kitzelt Holzman aus dem Setting doch einen sehr ansprechenden Look heraus, der mit kreativer Auflösung und stimmungsvoller Beleuchtung überzeugt. Auch Holzmans Erfahrung als Cutter sorgt für interessant gestaltete Momente: Zu Beginn wird Colby aus dem Tiefschlaf geweckt, woraufhin eine schnell geschnittene Bildflut auf ihn (und uns) einströmt – alles Impressionen aus dem noch folgenden Film, was gleichzeitig als Teaser wie auch als reizvoller Desorientierungseffekt funktioniert.

Mit seiner knappen Laufzeit treibt MUTANT die Handlung flott voran – ohne sich dabei allzusehr abzuhetzen: Es bleibt eben doch noch Zeit für ein paar Möpse und eine zu wunderbar kosmischem Synthfunk zusammengestellte Sexszene. Beides natürlich Elemente, die vor allem im Vorbildfilm LAWRENCE VON ARABIEN fehlten! Aber da gab es ja auch keinen blutigen Gatsch und kein Tentakelmonster, das ein bißchen wie Audrey aus dem LITTLE SHOP OF HORRORS aussieht. Und weil es in LAWRENCE kein solches ungustiöses Alien gab, konnte es auch nicht wie hier mit einer vom Krebs zerfressenen Menschenleber zur Strecke gebracht werden. Die Leber stammt übrigens vom Stationsarzt, der den ganzen Film über mit zerzaustem Haar und blutbeflecktem Ärztekittel herumläuft und während des Mittagessens eine Zigarette raucht.

Auf Xarbia wird nicht nur Genetik, sondern auch Genderforschung
betrieben: Tracy Baxter (Dawn Dunlap) und Mike Colby (Jesse Vint)
stehen kurz davor, die Alienbedrohung ernstzunehmen.

Während ich das alles so aufschreibe, wird mir erst klar, wie wenig davon tatsächlich in LAWRENCE VON ARABIEN zu sehen war. So gesehen füllt MUTANT – DAS GRAUEN IM ALL freilich doch eine frappierende Lücken der Kinogeschichte. Sagen wir mal so: Mehr LAWRENCE VON ARABIEN in einem ALIEN-Ripoff gibt’s eigentlich nur in PROMETHEUS.



Mutant – Das Grauen im All (USA 1982)
Originaltitel: Forbidden World
Regie: Allan Holzman
Buch: Jim Wynorski & R.J. Robertson (story), Tim Curnen (screenplay)
Produktion: Roger Corman
Kamera: Tim Suhrstedt
Musik: Susan Justin
Darsteller: Jesse Vint, Dawn Dunlap, June Chadwick, Linden Chiles, Fox Harris, Raymond Oliver, Scott Paulin, Michael Bowen, Don Olivera

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    1 Comment

    1. den hatte ich ganz vergessen. merci für die obigen zeilen. der film ist direkt mal auf die blu-ray-bestellliste gewandert.

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