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[Film] Deine, meine & unsere (2005)

Das mußte ja so kommen: Nachdem das Steve-Martin-Remake von IM DUTZEND BILLIGER 2003 mächtig Kohle eingespielt hatte und sogleich eine Fortsetzung auf den Grill geworfen wurde, dachte sich die Konkurrenz, daß sie am Großfamilienreibach doch ein wenig teilhaben konnten. Flugs wurde eine alte Komödie mit Henry Fonda und Lucille Ball entstaubt und mit Dennis Quaid und Rene Russo neuverwertet. Mit insgesamt 18 Kindern kann DEINE, MEINE & UNSERE somit quasi als IM DUTZEND BILLIGER 1½ gesehen werden – mit dem dezenten Unterschied, daß die Steve-Martin-Filme um einiges charmanter über die Leinwand flimmern.

Die Story von DEINE, MEINE & UNSERE ist pures Reißbrett-Konzept: Der Witwer Frank Beardsley kümmert sich als alleinerziehender Vater um seine acht Kinder und stemmt nebenher noch eine Karriere als Admiral bei der Navy. Bei einem Highschool-Klassentreffen begegnet er seiner Jugendliebe Helen North wieder – die ihrerseits keinen Ehemann aufzuweisen hat, dafür aber 10 Kinder hütet (4 eigene, 6 adoptierte) und als Kostümdesignerin arbeitet. Die Leidenschaft zwischen Frank und Helen entflammt wieder, beide heiraten und ziehen mit ihrem gesamten Anhang zusammen – und der kann sich so überhaupt nicht leiden, daß die Kinder allesamt Pläne schmieden, wie sie einen Streit zwischen ihren Eltern inszenieren können …

Die ganze Prämisse ist natürlich so unglaublich konstruiert, daß man ohnehin nur mit eskapistischer Unterhaltungsphantastik rechnen kann. Nur bemühen sich Skript und Regisseur keine Sekunde lang, zumindest die Hauptfiguren irgendwie in der Realität zu verankern – wahrscheinlich aus Kapitulation vor der Materie. Wie sich Frank und Helen wieder treffen und ihre Vergangenheit aufleben lassen, wird schon unglaublich maschinell abgefertigt und nicht einen Millimeter emotional glaubwürdig eingefangen. Daß die beiden dann über Nacht heiraten und am nächsten Tag ihre Familien mit dem Plan konfrontieren, daß sie alle zusammenziehen sollen, läßt dann aber doch auf groben Realitätsverlust schließen – aber natürlich muß so eine Konzeptkomödie möglichst schnell überhaupt zum Konzept kommen, damit der Spaß beginnen darf.

Leider beginnt er nie. Zur Schaffung eines Konflikts wurden beide Elternteile mit jeweils einer Eigenschaft versehen: Frank ist zackiger Ordnungsfanatiker, Helen eine antiautoritär erziehende Hippiefrau. So dreht sich die Komik primär darum, daß Frank Zeitpläne und Organisationsübersichten entwirft, die von Helens Kindern komplett ignoriert (oder mit Buntstiften bemalt) werden. Und weil Frank dann wütend wird, wird auch irgendwann Helen wütend. Und die beiden streiten sich und wollen sich trennen, bis dann die Kinder … ach, so ausgetüftelte Handlungsentwicklungen darf man einfach nicht spoilern.

Regisseur Raja Gosnell (früher Cutter für Filme wie MRS. DOUBTFIRE und KEVIN – ALLEIN ZU HAUS, dann Regisseur von Streifen wie SCOOBY DOO und DIE SCHLÜMPFE) scheint auch geschwant zu haben, daß die Geschichte etwas dünn anmutet, weswegen er die 84 Minuten Laufzeit mit unendlichen Slapstick-Szenen füllt. Da spritzen die Farbeimer, die Kinder fallen beinahe aus dem Fenster, im Supermarkt droht ein wildgewordener Gabelstapler den Familienvater zu überfahren, und immer wieder darf jemand im Matsch oder im Wasser landen. Komponist Christophe Beck fährt dazu wie im Delirium das Orchester auf, als könnte ein noch vehementeres Gepuste das Gehampel irgendwann doch noch lustig machen, und Dennis Quaid grimassiert sich durch jede Szene, während sein Blick durchweg Angst erkennen läßt, der Unfug wäre erfolgreich genug für fünf Fortsetzungen. Nicht einmal die sonst immer so sympathische Rene Russo kann hier irgendetwas retten.

Haben wir eigentlich schon erwähnt, daß die Familie ein Schwein ihr Eigen nennt? Das Borstentier stammt natürlich aus Helens Teil der Familie und darf frei durch die Wohnung laufen. Im Zuge einer Farbverwüstungsschlacht zwischen den Kindern wird das Schwein blau angemalt. Und später darf es dem schlafenden Dennis Quaid über Gesicht und Mund lecken. Vermutlich wollten die Autoren da ganz sicher gehen, was die Auslotung aller humoristischen Möglichkeiten angeht. Wobei: Das Schwein registriert man sogar noch mehr als Figur als viele der 18 Kinder. Abgesehen von einigen (mittlerweile) bekannteren Gesichtern in den höheren Altersgruppen (z.B. Danielle Panabaker) wird der Nachwuchs primär als geschlossene Terrororganisation präsentiert; schon direkt nach dem Ansehen des Films dürfte es schwerfallen, auch nur sechs der Kinder – also ein bloßes Drittel der Blase – namentlich aufzusagen.

Oh ja, DEINE, MEINE & UNSERE ist ein absoluter Familienfilm. Fragt sich nur, für welche Familie.



Deine, meine & unsere (USA 2005)
Originaltitel: Yours, Mine & Ours
Regie: Raja Gosnell
Buch: Ron Burch & David Kidd
Musik: Christophe Beck
Kamera: Theo van de Sande
Darsteller: Dennis Quaid, Rene Russo, Sean Faris, Katija Pevec, Danielle Panabaker, Drake Bell, Miranda Cosgrove, Rip Torn, Linda Hunt, Jerry O’Connell, David Koechner

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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