Uncategorized

[Film] Mensch ärgere dich nicht (1972)

Fragt sich halt, wie der ganze Satz lautet, in dem „Humor“ groß geschrieben wird.

„Hier wird Humor groß geschrieben!“, frohlockt das Plakat. Man kann nur Mutmaßungen anstellen, warum so explizit darauf hingewiesen wird – liegt es womöglich an dem dramatischen Titel, der ansonsten auf eine Brettspieldoku oder eine psychologische Konfrontation schließen läßt? Oder muß betont werden, daß der Film trotz der genannten Darsteller Uschi Glas, Georg Thomalla und Chris Roberts auch humorvoll ist? So oder so: Der Satz ist beinahe als Mission Statement zu verstehen, und der dazugehörige Film – ja, auch Film wird hier groß geschrieben! – ist ein solcher Schenkelklopfer, daß das wohlinformierte Lexikon des Internationalen Films folgendes Urteil aussprach: „‚Deutsches Lustspiel‘ an der Grenze zur Idiotenkomik“. Letzteres Wort hätte sich wohl auf dem Poster nicht gar so gut gemacht.

Kommen wir gleich zur handlung – und das schreiben wir sicherheitshalber mal klein. Also: Der Prokurist Erwin Fröhlich (Georg Thomalla) ist ein Unglücksrabe, wie er im Buche steht, und muß sich daher den ganzen Tag über ärgern – schon im Vorspann sehen wir, wie er sich versehentlich Rasierschaum auf die Zahnbürste quetscht und den Arm am Dampf des Teekessels verbrennt, während sich um ihn herum die Tapeten von der Wand lösen. Beständig wird das Bild eingefroren, damit wir nicht nur die Namen der Mitwirkenden lesen, sondern auch der beschwingten Filmmusik von Gerhard Heinz lauschen können – die haut nämlich zu jedem Standbild blasmusikalisch auf die Pauke, damit ja alle erinnert werden, daß es nicht etwa um eine Kafka-Verfilmung handelt.

Georg Thomalla (rechts) zeigt Karl Lieffen gerade, wie gerne er Filme wie diesen hier dreht.

Als Georg Thomalla also eines Morgens aus seinem Bett erwachte, fand er sich zu einem gräßlichen Miesepeter verwandelt – der prompt, ohne es zu wissen, Karriere als Photomodell einer Werbekampagne macht, weil eine Milchfirma zu dem Werbeslogan „Mensch, ärgere dich nicht – trink lieber Milch“ Bilder von jemandem braucht, der sich so durchs Leben ärgert. Initiator der Kampagne ist übrigens der werte Chris Roberts, der flugs die Photographin Uschi Glas anheuert – die soll mit Herrn Fröhlich anbandeln, um ihn in möglichst vielen ärgerlichen Situationen knipsen zu können. Roberts – gleichzeitig Neffe von Fröhlichs Chef (Hans Korte) – bekommt auch gleich drohende Worte ans Herz gelegt: Wenn er diesen Auftrag vermasselt, kann er Straßenfeger, Gammler oder Schlagersänger werden! Zwinker, zwinker, kicher, kicher.

Herr Fröhlich bekommt nun aber von einer Sekretärin (Christiane Hörbiger) den Tip, doch öfter mal zu lächeln und freundlich zu den Leuten zu sein. Weil zwischenzeitlich ein Brief herumwandert, in dem steht, daß Herr Fröhlich eine Million im Lotto gewonnen hat, sind auch prompt alle Menschen höchst zuvorkommend und liebenswürdig zu Herrn Fröhlich – der den Brief natürlich nicht erhält und glaubt, daß sein Lächeln derart gewinnend funktioniert. Da müssen sich Chris und Uschi nun aber ins Zeug legen, um den armen Herrn Fröhlich wieder dazu zu bringen, sich zu ärgern …

Aus der Serie „Wir lernen etwas über Standphotos“:
Nicht nach Beerdigung aussehen lassen.

Hoppla, nun hat sie es doch drei Absätze gebraucht, um die handlung anzureißen – aber wir bleiben bei der Kleinschreibung. Das bemühte Verwechslungsspielchen, das hier angeleiert wird, geht nämlich derart aufgesetzt und schlurfig voran, daß man die 85 Minuten hauptsächlich damit verbringen kann, zu warten, bis alle Leute auf der Leinwand endlich so weit sind wie man selbst. Was natürlich nicht heißt, daß sich die Macher nicht ganz doll angestrengt hätten: Thomalla kasperlt mit vollem Einsatz, während Skript und Regie von der liebestollen bzw. geldgeilen Vermieterin (Corinna Genest) über den nie arbeitenden Automechaniker (Willy Harlander) hin zum biertrinkenden Polizisten bei der Brotzeit (Beppo Brem) jedem Scherzchen üppigsten Raum gönnen. „Sag mal, Peter, meinst du nicht, daß die Szene hier aufhören könnte?“, könnte Autor Kurt Nachmann den Regisseur hier und da gefragt haben, und die Antworte lautete sicher: „Von wegen! Bei uns wird Humor groß geschrieben!“

Uschi Glas im sexy roten Kostüm. Damit wir uns beim Zusehen nicht zu sehr
aufregen, wechselt sie in ein paar Sekunden in etwas Gelbes mit Karos.

Was wollen wir noch berichten? In einer Szene trägt Uschi Glas eine rote Hose mit sensationellem Schlag und dazu einen unglaublich engen gleichfarbigen Pullover – und das hätte als vielleicht einziger Moment der Filmgeschichte gelten können, in dem Uschi mal sexy wirkt, wenn sie nicht sicherheitshalber dazu dieses patentierte Gesicht machen würde, als käme gerade die Steuerfahndung ins Haus. Dafür dürfen sich Freunde deutscher Filmkultur hier und da an den Beiträgen diverser Volksschauspieler erfreuen – Harlander, Brem, Max Grießer, Erni Singerl. Sogar Otto Retzer läuft einmal durchs Bild.

Ah ja, eine wichtige Frage gilt es natürlich noch zu klären: Singt Chris Roberts, und wenn ja, wie oft und was? Nun, trotz erfolgreicher Werbekampagne muß er doch Schlagersänger werden und trägt deshalb in einem Club den Titel „Mein Schatz, du bist ’ne Wucht“ vor. Das bringt ihm nicht nur einen Plattenvertrag ein, sondern endet auch damit, daß er die Schwester von Uschi heiraten darf. Beides hält ihn glücklicherweise beschäftigt genug, daß er den Rest des Films über keine weiteren Hits mehr schmettern kann.

Mensch ärgere dich nicht (Deutschland 1972)
Regie: Peter Weck
Buch: Kurt Nachmann
Darsteller: Uschi Glas, Georg Thomalla, Chris Roberts, Christiane Hörbiger, Corinna Genest, Hans Korte, Margot Mahler, Willy Harlander, Max Grießer, Beppo Brem, Erni Singerl, Bruno W. Pantel, Otto W. Retzer

——————
4 8 15 16 23 42

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    3 Comments

    1. Hm hat ja nicht so gut abgeschnitten ;D Ich schau eigentlich sehr gern ältere Filme. Über den damaligen Humor kann man meist nicht wirklich lachen. Eher über die ernst gemeinten Szenen, die teilweise durch ihre Steifheit dann schon wieder komisch wirken. Nichts desto trotz mache ich gern DVD Abende mit meiner Oma und gucke mich mit ihr durch ihre beachtliche Sammlung. Dieser Film ist übrigens nicht dabei ;D

    2. klingt inrerssant!

    3. Ja, es gibt eine Menge fantastischer alter Filme – auch sehr witzige: Ich empfehle die Marx Brothers oder die klassischen Screwball Comedies (z.B. LEOPARDEN KÜSST MAN NICHT).

    Comments are closed.

    0 %