Pressure 4-5 ist eine meiner liebsten „übersehenen“ Bands – ihr erstes und einziges Album BURNING THE PROCESS erschien 2001, als Plattenfirmen im NuMetal-Fieber alles unter Vertrag nahmen, das auch nur annähernd wie die höchst erfolgreichen Vorbilder klang. Im Falle von Pressure 4-5 lagen sie damit theoretisch gar nicht so verkehrt: Ihre Independent-EP ANTECHNOLOGY von 1999 klang schwer nach Rapcore, weswegen auch dieses Dreamworks-Debüt entsprechend vermarktet wurde – obwohl die Gruppe sich hier hörbar von diesem Genre wegbewegte, das mittlerweile zum Klischée zu verkommen drohte.
Freilich sind noch einige NuMetal-Elemente herauszuhören – vor allem auf dem Track „Even Worse“, der von seiner Rhythmik und seinen halb gerappten Texten her ganz ins Zeitbild paßt. Aber dieser Track sticht gleichzeitig aus dem restlichen Album heraus, weil er gar nicht so recht dazuzugehören scheint – zumindest nicht, bis der Refrain einsetzt. Der Rest von BURNING THE PROCESS ist nämlich vielmehr im Alternative-Metal-Eck zu verorten, wo Härte und Melodien eine interessante Mischung eingehen: Die Riffs haben Druck, der Rhythmus ist manchmal vertrackt („Melt Me Down“), aber immer energiegeladen – aber die Musik wirkt nie aggressiv, sondern durch seinen Fokus auf eher beiläufige eingesetzte Melodien beinahe melancholisch. Dazu kommt ein spannend verzahnter Wechsel aus weichen und härteren Passagen.
Einen großen Anteil an der gewissen Wehmut, die das Album trotz durchweg schneidiger Riffs ausstrahlt, hat Sänger Adam Rich: Er besitzt keine wirklich kantige Stimme, sein Gesang scheint nie über den Gitarren zu liegen – und es klingt, als wäre es anstrengend für ihn, mit der Stimme nach oben zu gehen, was vielleicht der Grund ist, warum die Melodielinien größtenteils herabzuwandern scheinen. Es gibt den Songs ein gewisses Soggefühl, als würde sich die Band gegen die Schwerkraft stemmen wollen – und das paßt hervorragend zu den Texten, die meist recht vage davon erzählen, wie sich jemand den Problemen im Leben stellt: „If you want to beat the world / It might reach up and pull you down / If you want to find the way / the door is locked, the key is rusted“.
Überhaupt ist diese Diskrepanz zwischen Auf- und Abbewegung überall zu finden: „I would like to believe / That the things that bring me down / And the life I lead / Are one and the same and no different“, heißt es in dem Song „Enough“, und schon der nächste Song, „Dehydration“, blickt wieder sehnsüchtig nach oben: „Face the flood ‚cause it’s going under / And only those without wings will die / Looking up, how I’d love to join them / But I never learned to fly“. Gerade mit diesen Momenten, die ein Gefühl einfangen, von den Widrigkeiten des Lebens überwältigt zu werden, knüpfen Pressure 4-5 eher an die Grunge-Vorfahren als an die viel trotzigeren NuMetal-Kollegen an.
Trotz Major-Label und Top-Produzent (Jay Baumgardner, der vorher schon Coal Chamber und Spineshank produziert sowie Godsmack und Orgy abgemischt hatte) war der Gruppe aber wenig Zukunft beschert: Nur ein Jahr später löste sich die Band auf. Sänger Adam Rich arbeitet mittlerweile als Biologie- und Chemielehrer und ist Vizerektor an einer kalifornischen Highschool. Schade, denn BURNING THE PROCESS deutet an, daß von dieser Band noch viel Spannendes hätte kommen können.
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Die mochte ich aus der New Metal-Ecke allerdings nie wirklich. Klangen dann doch etwas zu sehr nach Helmet.
Ja, der Helmet-Vergleich wird an anderen Stellen auch gezogen, z.B. im Review des All-Music Guides. Als allzu ähnlich empfinde ich die Bands aber nicht – ich bin kein absoluter Helmchen-Kenner, aber die klingen für mich rauer, und die Melodieführung ist bei Pressure 4-5 doch anders geprägt.