Nachdem Talkshow-Legende Johnny Carson 1992 in den Ruhestand gegangen war, gingen ein Jahr später verschiedene neue Late-Night-Programme an den Start – darunter auch eine von Komiker Chevy Chase geleitete Show, die sich als einer der größten Flops in der Fernsehgeschichte erwies. THE CHEVY CHASE SHOW startete eine Woche nach der LATE SHOW WITH DAVID LETTERMAN und eine Woche vor der LATE NIGHT WITH CONAN O’BRIEN – und blieb genau fünf Wochen lang auf Sendung, bevor sie aus dem TV-Programm verschwand. Chase, der angeblich für schlappe $3 Mio. seinen Vertrag unterzeichnete, durfte tonnenweise Häme und Kritik einstecken: „Nervous and totally at sea, Chase tried everything, succeeded at nothing“, schrieb das Time Magazine. Und wißt ihr was? Ich mag relativ alleine damit sein, aber ich finde die Show nicht mal halb so fürchterlich, wie gemeinhin behauptet wird.
Chase vermischt in seinem Programm (das er über seine Firma Cornelius Productions auch selbst produzierte) verschiedene Segmente: Es gibt Talkgäste, es gibt ein paar Comedy-Segmente, ein paar Albernheiten drumherum, und dazu noch musikalische Einlagen – letztere mitunter nicht nur von der von Jazzsaxophonist Tom Scott geleiteten Band (in der man auch Gitarrist Eric Gale und Sessionbassist Gary King erkennen kann), sondern auch von Chase selbst, der manchmal etwas E-Piano spielt oder witzige Songs mit Scatgesang beisteuert. Theoretisch also ein rundes Entertainment-Paket, praktisch aber eine etwas ungewöhnliche Mischung aus Comedy und Late-Night-Show – es hängt also alles daran, wie lustig die Comedy und wie interessant die Gespräche mit den Gästen sind.
In ersterem Fall ist man als Chase-Fan klar im Vorteil – die Comedy-Bits sind eher zum Schmunzeln als zum Brüllen. Vieles spielt mit der ungeschickten Figur, die Chase auch in vielen Filmen zum Besten gab – in der ersten Episode beispielsweise wird Chase eingeladen, seine Hände in den Zement zu pressen wie vor Grauman’s Chinese Theater, und dann fällt er eben komplett der Länge nach hinein. Ein festes Segment ist eine Pseudo-Nachrichtensendung, in der Chase falsche News vorliest – auch die sind mitunter amüsant, aber keine Geniestreiche. Und drumherum wird eben gewitzelt; selbst die Talks sind nicht wahnsinnig ernst gehalten – wenn man Chase prinzipiell lustig findet, wird man in der Show ganz gut unterhalten, ansonsten dürfte man diversen humoristischen Einlagen eher nüchtern gegenüberstehen.
Kommen wir zum Dreh- und Angelpunkt: Die Talkgäste. Da wird nicht mit bekannten Gesichtern gespart: Gleich in der ersten Folge treten Goldie Hawn und Whoopi Goldberg auf; in späteren Episoden nehmen Leute wie Tom Selleck, Robert DeNiro, Dennis Hopper, Martin Sheen und Jamie Lee Curtis im Talksessel Platz. Daß Chase bei allen als Interviewer komplett versagt, wie oft behauptet wird, kann so nicht ganz stehengelassen werden – er zeigt sich als recht charmanter, offener und witziger Gesprächspartner. Das Problem liegt vielmehr darin, daß die Unterhaltungen nicht viel hergeben: Die meisten Talkgäste kommen sehr sympathisch herüber – Goldie Hawn sowieso, aber zum Beispiel auch Jason Priestley, der entspannt und bodenständig wirkt – aber keines der Gespräche ist wahnsinnig tiefschürfend. Da mag man Chase vorwerfen, daß er nichts Spannendes aus seinen Gästen hervorholt, aber eigentlich gibt das Format das gar nicht her: Die Gespräche sind nie sehr lang und ganz offensichtlich auch eher als lockere Plauderei konzipiert – wie man zum Beispiel bei Beverly D’Angelo merkt, die mit Chase ja in den VACATION-Filmen spielte und deswegen mit ihm hauptsächlich ein paar Anekdoten und Erinnerungen austauscht. (Bizarr ist dagegen der Auftritt von Kathleen Turner, die offenbar vorher ordentlich getankt hat.)
Was auffällt, ist die Tatsache, daß Chase gelegentlich seine eigenen Pointen vermasselt, weil er sich verhaspelt. Vielleicht fühlte er sich doch nicht so wohl in seiner Rolle als Talkmaster – oder aber er hat die Aufgabe unterschätzt. Im Vergleich zu geschmeidigen Talk-Profis wie Letterman merkt man natürlich schon, daß Chase weniger Showmann als eben Komiker ist – und sein Mix aus Comedy und Talk ließ dann einen Großteil der Zuseher ratlos zurück, was genau es denn nun sein sollte.
Die Show ist natürlich längst in den Archiven von Fox verschwunden; im Netz schwirren (in miesester Qualität) die ersten vier Folgen herum. Angesichts des Mißerfolgs dieses Formats kann man wohl davon ausgehen, daß es nie ein DVD-Paket mit allen Episoden geben wird – und vielleicht bin ich der Einzige, der das schade findet. Aber vielleicht wäre ich ja auch gar nicht alleine darin, die glatte Professionalität anderer Talkshows etwas langweilig zu finden und stattdessen gerne mal eine Sendung zu sehen, die nicht wie eine Maschine funktioniert.
——————-
4 8 15 16 23 42
Sehr interessant und sehr gut geschrieben. Kommt vielleicht auch noch etwas zu Letterman? 🙂
War das nicht dieser Clark Grisworld aus Schöne Bescherung?? xD
@Garfield: Danke! Nein, zu Letterman habe ich zu wenig Bezug. Aber vielleicht schreibe ich irgendwann mal über die Talkshow von Blacky Fuchsberger …
@Smartie Maus: Ganz genau! Einer meiner Lieblingsfilme, über den ich auch schon hier geschrieben habe (und der hier zum alljährlichen Pflichtprogramm im Dezember gehört).
Schöne Bescherung find ich auch ziemlich cool, am besten ist Eddie xD Sowas asoziales gibts heute leider an allen Ecken, ziemlich traurig, wie sich die Gesellschaft entwickelt hat
Eddies gab es schon immer auf der Welt, sie wurden nur früher nicht von RTL2 in zwölf Dutzend Reality-Shows vorgeführt. Aber wo wir gerade bei "traurig" sind: Der Eddie aus SCHÖNE BESCHERUNG bekam einige Jahre noch ein eigenes Spin-Off, den ziemlich schrecklichen SCHÖNE BESCHERUNG 2.