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THE LABYRINTH OF LOVE: Ein melancholischer Softsex-Reigen auf den Philippinen

Werfen wir einen weiteren Blick auf Joe D’Amatos wundersame Welt: THE LABYRINTH OF LOVE, im Original IL LABIRINTO DEI SENSI, ist einer von fünf Streifen, die der fleißige Herr in den Philippinen drehte, um sie als chinesische Produktionen zu verkaufen (siehe auch: THE HOUSE OF PLEASURE). In England wurde der Film dann kurzerhand in die lose Reihe um ELF TAGE, ELF NÄCHTE eingereiht und als 11 DAYS, 11 NIGHTS PART 6: THE LABYRINTH OF LOVE veröffentlicht – einmal mehr hat da der Name des Regisseurs gereicht, um ein Geflecht aus sehr losen Beziehungen als Quasi-Fortsetzung zu präsentieren. Man darf direkt froh sein, daß D’Amatos NACKT UNTER KANNIBALEN nicht auch noch als Sequel von SHAKKA – BESTIE DER TIEFE zweitverwertet wurde.

Valerie (Monica Seller) wird Leben in den festgefahrenen Haushalt bringen.

Wir sind es ja schon gewohnt, daß in D’Amatos Begegnungsfilmen die Handlung nur eine recht untergeordnete Rolle spielt. Im LABYRINTH OF LOVE wurde das tragende Gerüst konsumentenfreundlich auf das Allernötigste reduziert: Valerie (Monica Seller), ursprünglich aus Frankreich, heuert in Saigon bei einer reichen Familie als Hausmädchen an, wo sie dann der Reihe nach die Bewohner des Hauses verführt – die Dame des Hauses, den verwitweten Mann, dessen (eigentlich schwulen) Sohn, und dann noch den einsamen Patriarchen.

Das klingt nach konstruierter Schmuddelphantasie und ist es letzten Endes natürlich auch. Interessant ist aber der Tonfall, in dem sich dieser Reigen entfaltet: Nämlich sehr verhalten. Die in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg angesiedelte Story wirkt beinahe melancholisch. Das liegt einerseits an der ruhigen, teilweise fast kontemplativen Musik von Piero Montanari, großteils aber auch daran, daß die Figuren ein festgefahrenes, unglückliches Leben führen, aus dem sie erst durch das Auftauchen von Valerie langsam herausgeführt werden. Eine solche Textur mag merkwürdig anmuten in einem Softsexfilm, der primär darauf angelegt ist, uns die einzelnen Verführungen zu zeigen – aber sie gibt dem Film eine eigene Note und ein interessantes Flair.

Die Bewohner des Hauses geben sich den Reizen von Valerie (Monica Seller, links) gerne hin.

So schafft D’Amato auch mit LABYRINTH OF LOVE einen interessanten Vertreter seiner Art: einen leisen, teils – was für ein schräges Wort für das Genre: – nachdenklich wirkenden Film, der sich in reichlich gemächlichem Tempo fortbewegt und nicht immer sofort auf die heißen Szenen stürzt (weswegen sich auch ein IMDB-User darüber beschwert, daß zuviel geredet wird). Wie so oft ist das sehr preiswert gemacht und keinesfalls brillant inszeniert – aber dafür durchaus stimmungsvoll. Und mit Monica Seller hat D’Amato eine Hauptdarstellerin vor der Kamera, die gerade für das Genre auch eher ungewöhnlich ist: Sie ist hübsch und sinnlich, aber dabei sehr zurückhaltend und überhaupt nicht so oversexed wie ihre Kolleginnen in vergleichbaren Filmen.

Ja, ich gebe es zu: Ich bin D’Amatos Kino verfallen. Ob das irgendwann noch so weit kommt, daß ich mein Urteil über seinen derben PORNO HOLOCAUST revidiere?

 

The Labyrinth of Love (Italien 1993)
Originaltitel: Il labirinto dei sensi
Alternativtitel: 11 Days, 11 Nights Part 6: The Labyrinth of Love / La maîtresse de Saigon
Regie: „Joe D’Amato“ (= Aristide Massaccesi)
Buch: Leslie Wong
Kamera: „Federico Slonisko“ (= Aristide Massaccesi)
Musik: Piero Montanari
Darsteller: Monica Seller, Steven Rogers, Lora Luna, Mike Monty, Muriel Lim, Ricky Jonez, Liezl Santos

Die Screenshots stammen von der britischen DVD von Stonevision Entertainment.

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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