Und weiter geht’s mit unserer ursprünglich gar nicht geplanten D’Amato-Retrospektive: 1987 drehte Joe in New Orleans diesen ganz offenbar von Alan Parkers grandiosem ANGEL HEART inspirierten Film, der vom Vorbild die Schlagwörter „Voodoo“ und „Erotik“ übernimmt und deren Verhältnis ganz einfach umkehrt. Sprich: Viel Softsex, eine Prise Voodoothriller. Im Original heißt der Film POMERIGGIO CALDO, was im Englischen auch zunächst ganz proper mit HOT AFTERNOON übersetzt und bei uns als AFTERNOON – STUNDEN DER LEIDENSCHAFT verkauft wurde – bis dann ein findiger Verleiher auf die Idee kam, den Streifen doch lieber als dritten Teil der Reihe ELF TAGE, ELF NÄCHTE zu verkaufen! Zur Erinnerung und Entwirrung: Der 9½-WOCHEN-Verschnitt ELF TAGE, ELF NÄCHTE kam 1986 heraus, 1988 kam die Quasi-Fortsetzung TOP MODEL (also schon ein Jahr nach dem Dreh dieses Films), und 1990 folgte mit DAS TESTAMENT DER BEGIERDE ein dritter Teil der Sarah-Asproon-Geschichte, der aber als offizieller zweiter Teil verkauft wurde. Man darf sich jetzt wohl aussuchen, ob sich der Titel ELF TAGE, ELF NÄCHTE – TEIL 3: AFTERNOON als Fortsetzung des TOP MODELs versteht oder als Weiterführung des besagten TESTAMENTs.
Und natürlich hat die Geschichte von AFTERNOON weder mit dem einen noch mit dem anderen Film etwas zu tun. Hier reist der Journalist Courtney (Allen Cort, SHAKKA – BESTIE DER TIEFE) zusammen mit seiner Frau Connie (der spätere Italo-Pornostar Valentine Demy, auch zu sehen in D’Amatos DANCING IS MY LIFE) nach New Orleans, weil Courtney dort für einen Artikel Nachforschungen über den mysteriösen Tod des Ehemanns der Autorin Nora Highway (Carey Salley, Model und Ex-Freundin von Emilio Estevez) anzustellen. Connie gerät aber unter den Einfluß des rätselhaften Budro Richelet (Robert LaBrosse, FORBIDDEN AFFAIRS), der sie vergewaltigt und dann so hörig macht, daß sie von Courtney nichts mehr wissen will. Der bandelt nach kurzer Verzweiflungsphase dafür mit Nora an, die ihm irgendwann eröffent, daß Richelet wohl Sektenführer ist und Connie geopfert werden soll …
Sprechen wir es gleich mal aus: AFTERNOON gehört schwerlich zu D’Amatos beeindruckendsten Werken. Das liegt einerseits am unglaublich gemächlichen Tempo – wahre Ewigkeiten werden damit gefüllt, wie Courtney durch New Orleans wandert oder fährt, wie Menschen banales Zeugs miteinander reden, wie sich Courtney und Connie ein Voodoo-Musikgrüppchen ansehen (bei dem eine vollständig bekleidete Laura Gemser in einem Cameo-Aufritt tanzt), und wie dann irgendwann den im Titel verankerten STUNDEN DER LEIDENSCHAFT gefrönt wird. Erst zwanzig Minuten vor Schluß kommt der Aspekt überhaupt ins Spiel, daß Connie geopfert werden soll, weshalb Courtney sie dann zu einem kurzen Finale noch retten darf. Nun sind weder D’Amatos Erotikfilme noch seine Krimi/Thriller-Ausflüge (wie z.B. FORBIDDEN AFFAIRS) wahnsinnig temporeiche Geschichten – aber für AFTERNOON sollte man schon ein gutes Maß an Geduld mitbringen.
Zweiter Grund, warum der Film beständig schwächelt: Die Schauspieler. Da versammeln sich bei Onkel Joe ja sowieso selten die obersten Leuchten ihrer Zunft, aber die AFTERNOON-Riege plagt sich schon gewaltig. Hauptdarsteller Allen Cort steht halt irgendwie im Bild herum, und seine Figur Courtney ist ein heißer Anwärter auf den gefaßtesten betrogenen Ehemann der Weltgeschichte: Als er Connie und Richelet beim Liebesspiel erwischt (die beiden sind in Richelets Haus, Courtney sieht unbemerkt von außen zu), guckt er ein bißchen leer durchs Fenster, blickt mal auf den Rasen und wirkt minimalst enttäuscht, so als wäre das leckere Erdbeereis aus und er müßte jetzt doch Schoko-Vanille nehmen. Dann geht er wortlos. Später, kurz vor Schluß, findet er eine Leiche, und auch das ruft wenig Regung in ihm hervor: Er steht ein wenig vor dem toten Körper herum und bemüht sich wohl, traurig zu gucken – was reine Spekulation meinerseits ist, weil der gute Junge das Gesicht ja nicht bewegt.
Gar nicht gut ist auch Carey Salley, die aus verständlichen Gründen nach AFTERNOON keine weiteren Filme gedreht hat: Die Frau ist angenehm für das Auge und nicht unsympathisch, spielt aber dafür auf dem Energieniveau einer Sendeschlußanzeige. In einer recht heiteren Szene sitzt der enttäuschte, weil betrogene Courtney mit Nora zusammen in einem (völlig leeren) Strandlokal, und sie fragt ihn nach kurzem Geplauder, ob er bei ihr übernachten will. Er lächelt leicht und sagt „Alright!“, beugt sich dann vor und faßt ihre Schulter an. Sie beugt sich ebenfalls vor und sagt im selben Plauderton: „Mit mir zu schlafen, ist nicht die Antwort auf deine Probleme“. Das wollte sie aber nur mal gesagt haben, weil die beiden dann trotzdem etwas miteinander anfangen. Richtig schön auch der Moment, wo sie ihm kurz vor Schluß eröffnet, daß Connie wohl geopfert werden soll – wieder im entspannten Konversationsmodus, als wollte sie sagen: Ach übrigens, beim Spar ist heute das leckere Erdbeereis 50 Cent billiger.
Valentine Demy und Robert LaBrosse schlagen sich minimal besser. LaBrosse hat ohnehin nicht viel zu tun, außer muskulös auszusehen und gelegentlich mysteriös oder gar finster dreinzuschauen – und der Aufgabe ist er halbwegs gewachsen. Demys Part besteht hauptsächlich darin, ihren männlichen Gegenpart leer anzusehen und/oder sich auszuziehen – und vielleicht liegt es ja an ihren körperlichen Reizen, daß man sie als beste Schauspielerin des Ensembles wahrnimmt. Aber die Konkurrenz ist ja auch kaum der Rede wert.
Aber wieder ist nicht alles verloren in D’Amatos Softsexland: Einmal mehr garniert er seinen Beziehungsreigen mit ein paar ausgefallenen Elementen – abgesehen vom bei ihm stets fix integrierten Voyeurismus (wenn Courtney den beiden anderen durch das Fenster zusieht) spielen Courtney und Connie anfangs zum Beispiel ein kleines Spiel, bei dem sie fremden Personen (im gezeigten Fall ein Kellner im Lokal) im Beisein ihres Ehemanns einen kurzen Einblick unter ihren Rock gewährt, weil es ihn reizt, wenn jemand anderes seine Frau begehrt. Der Sex selbst ist reichlich zahm inszeniert – die Männer behalten in fast allen Sequenzen sogar die Hosen an! – aber generiert in der Verbindung von D’Amatos ruhendem Auge und Piero Montanaris betörendem Synthscore doch wieder einige schöne Momente.
Überhaupt: Wer einmal in den Bann von D’Amatos Billigästhetik gekommen ist, wird selbst in seinen banalsten Streifen immer wieder diesen manchmal doch rätselhaften Reiz finden. Dazu kann auch das Finale gerechnet werden, wo Courtney Connie vor der Voodoosekte retten muß. Das ist handlungsmäßig nicht wahnsinnig aufregend – aber dafür nutzt D’Amato eine leerstehende Fabrik als stimmungsvolle Location, die er in spannenden Bildern sehr effektiv in Szene setzt.
Ein eher bizarrer Moment sei aber noch erwähnt: Nachdem Courtney mit Nora zusammenkommt, folgt eine zu dicker ’80s-Balladenmucke angelegte Montage, in der man die beiden glücklich durch New Orleans schlendern sieht. Nachdem sie sich einen Clown angesehen haben, der Luftballontiere basteln kann (das paßt ja stimmungsmäßig 1A zu so einer Voodoogeschichte), sehen sie einem Feuerwehreinsatz zu, bei dem gerade ein brennendes Haus gelöscht wird. Nachdem bei so einem mageren Budget wohl kaum ein tatsächliches Haus angezündet wurde, kann nur geschlußfolgert werden, daß Onkel Joe zusammen mit seinen beiden Darstellern zufällig an dem Brand vorbeikam und ihn für seinen Film einfing! Immerhin: Es ist wohl die ausgefallenste Liebesmontage der Filmgeschichte.
Afternoon – Stunden der Leidenschaft (Italien 1987)
Originaltitel: Pomeriggio caldo
Alternativtitel: Hot Afternoon / Elf Tage, elf Nächte – Teil 3: Afternoon
Regie: „Joe D’Amato“ (= Aristide Massaccesi)
Buch:
Darsteller: Allen Cort, Valentine Demy, Robert LaBrosse, Carey Salley, Laura Gemser
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