Uncategorized

[Film] Summer Night Fever (1978)

Sommer! Sonne! Strand! Parties! Frauen! Musik! Gute Laune! Ja, SUMMER NIGHT FEVER bietet fast alles davon – sieht man mal von der Laune ab, die man schon selbst mitbringen muß. Aber wenn kulturfilmerfahrene Darstellerinnen wie Olivia Pascal, Bea Fiedler und Betty Vergès 98 Minuten lang demonstrieren, warum man sie lieber am Badestrand als bei der Schachweltmeisterschaft sieht, dann kann man schon mal ein Hühnerauge zudrücken: Eine schwungvolle Handlung würde bei so vielen unbekleideten Damen ja irgendwie stören.

Es passiert also folgendes in SUMMER NIGHT FEVER: Die Teenager Peter und Freddy machen sich auf die Reise nach Ibiza. Freddy hat das Auto, Peter auf Ibiza dann die Wohngelegenheit. Der Trip ist als große Aufreißaktion geplant: Peter hat einen derartigen Verschleiß an, räusper, willigen Weibern, daß er bei dem Zentimeterband, wo er für jede Eroberung ein Stück abreißt, schon bald bei der Zahl 100 angekommen ist. Freddy dagegen kann erst zwei Schäferstündchen verbuchen – und man möchte ihm fast den Tip geben, etwas gegen den Drei-Mark-fuffzig-Haarschnitt und das Brillenungetüm mitten vor den Augen zu unternehmen, oder aber sich einfach zu bemühen, nicht permanent ein Gesicht zu machen, als wäre ihm gerade der Atari in den Biomüll gefallen.

„Grüß Gott, wir haben uns verfahren. Kennen Sie den Weg zurück zur Handlung?“ –
Freddy (Claus Obalski, links), Peter (Stéphane Hillel) und Ines (Betty Vergès)

Vor der Reise sehen wir Peter noch in Aktion: Er geht zu dufter Discomucke schwofen – den DJ spielt Thomas Gottschalk in seinem allerersten Filmauftritt! – und reißt sich die fesche Gesa Thoma auf, die wir im selben Jahr noch in dem hier schon besprochenen Film POPCORN UND HIMBEEREIS ausführlicher beaugapfeln durften. Dann aber beginnt der Urlaub, und damit fangen auch schon die Probleme an:  Freddys kleine Schwester Vicky fährt nämlich auch mit, und jede Frau hält das Mädchen mit der Zahnspange für Peters Freundin. So zum Beispiel gleich zwei Damen, die unsere beiden Helden auf einer Raststätte ansprechen – die Mädels sehen Vicky und verschwinden so schnell, daß Peter nicht einmal Zeit hat, den wahren Sachverhalt zu erläutern. Verständlich, daß er da eher mißmutig weiterreist, wo doch sein großes Vorhaben der dreistelligen Erfolge derart gefährdet scheint.

Zum Glück ist Rettung in Sicht: Die knapp 17jährige Vicky wird nämlich von dem 21jährigen Nackedeisternchen Olivia Pascal gespielt, die einfach irgendwann die Zahnspange herausnimmt, die Brille wegwirft und sich die Haare nicht mehr zu Zöpfen bindet – und ergo sofort umwerfend vorzeigbar aussieht (neben der Zahnspange verliert sie auch permanent die Klamotten, aber die zieht sie sich aus nicht näher erläuterten Gründen dann doch immer wieder an). Ahnt schon jemand, was passiert? Oh ja: Genau das. Aber bis Peter und Vicky mal soweit sind, ist der Film auch schon wieder rum.

„Hallo, ich heiße Freddy. Was ist dein Sternzeichen?“ –
Claus Obalski mit Bea Fiedler

Wo Peter also anderthalb Stunden lang leer ausgeht, schwingt sich Freddy fast nebenher zum Aufreißerkönig auf: Auf dem Trip ist nämlich unerklärlicherweise stets er derjenige, der
die feschesten Frauen erfolgreich becircen kann. Beziehungsweise: Die
finden ihn ganz umwerfend – vielleicht wirken Einsilbigkeit und
Antriebslosigkeit sexy? – und wollen sogleich die Nacht mit ihm
verbringen. Zum Beispiel eine blonde Frau in einem italienischen Restaurant, die erst von Peter erspäht wird, aber die dann Vicky sieht und sich deswegen ganz auf Freddy konzentriert. Nur wenige Blickwechsel später hat der gute Junge schon eine Einladung ins nächtliche Quartier der Dame bekommen.

Auch auf der nächsten Etappe bleibt das Glück bei unserem sexuellen Underdog: In Monte Carlo gibt Vicky eine Welle an, daß sie hier einen älteren Freund habe, und flugs findet sich ein dezent schmieriger Playboy, der diese Rolle gerne für sie spielt und die Burschen zu seiner Strandparty einlädt. Dort flirtet seine Ehefrau Helga (Bea Fiedler) dann ein wenig mit Peter, aber als der weggeschickt wird zum Schampusholen und ein paar Minuten länger braucht, knöpft sich Helga stattdessen eben Freddy vor. Peter verdächtigt derweil den Playboy, Vicky zu belästigen, aber eine Rettungsaktion ist nicht notwendig, weil das betrunkene Mädchen ihm schon die Jacht vollgekotzt hat.

„Und jetzt erklären Sie mir doch bitte nochmal das mit der Integralrechnung.“ –
Freddy mit Claudine Bird

Freddys Abenteuer setzen sich schon bald fort: Am nächsten Tag sieht er am Strand seine durchaus ansehnliche Mathe-Lehrerin, wegen der er beim Abitur durchgefallen ist, nackt in der Sonne liegen. Ein paar Polaroid-Photos und etwas Geschwafel später gehen die beiden auch schon zusammen in der nächsten Disco abhotten, wie man so schön sagt. Danach steht ein wenig Nacktschwimmen auf dem Programm – aber leider mopst ein lästiger Kerl mit Glatze, der aus nicht sehr originellen Gründen von Otto W. Retzer gespielt wird, den beiden die Klamotten. Die folgende ausführlich ausgekostete Sequenz, in der Freddy in ein Haus einsteigt, um Kleidung zu organisieren, sei hier nicht näher ausgeführt – aber wir wollen trotzdem nicht unerwähnt lassen, daß jetzt neben einer weiteren nackten Frau noch Jacques Herlin und Gianni Garko als alberne Herren auftauchen.

Aber jetzt muß es ja mal weitergehen, sonst landen unsere Freunde nie in Ibiza und wir nie am Ende des Films. Machen wir’s kurz: Irgendwo in Spanien wird unserem Trio beim Melonenkauf das Auto gemopst, was Freddys Laune ein wenig ausbremst. Zum Glück treffen sie in der nächsten Stadt eine fesche Frau namens Ines (Betty Vergès), die einen roten Sportwagen fährt und sofort Peters Jagdinstinkte weckt – sehr zum Mißfallen von Vicky, die sich immerhin schon unterwegs von Peter die Füße hat massieren lassen, und wir wissen ja nicht erst seit PULP FICTION, was das bedeuten kann. Vicky rauscht also beleidigt ab und läßt sich am Strand von Ibiza von ein paar dahergelaufenen Kerlen befummeln – also, eigentlich läßt sie sich überhaupt nicht befummeln, aber es braucht eine ganze Zeitlang, bis sie Einwände gegen das Gegrapsche äußert.

„Wäre es unhöflich, dem Typ jetzt schon zu sagen, daß er sich schleichen soll?“ –
Vicky (Olivia Pascal) schließt neue Freundschaften auf Ibiza

Ines nimmt derweil – nachdem sich herausgestellt hat, daß Peter überhaupt keine Wohngelegenheit auf Ibiza hat – unsere beiden Jungs mit in eine Villa, die – jaja, so spielt manchmal das Leben – einem reichen Zahnarzt gehört, bei dem sie als Assistentin arbeitet und der ihr erlaubt, dort ein- und auszugehen und sich dabei beliebig Ausschweifungen hinzugeben. Trifft sich gut: Ines zerrt Freddy nämlich gleich ins Bett und erzählt ihm etwas von Emanzipation. Da behaupte noch mal einer, daß in solchen Nacktparaden nicht auch an den gesellschaftlichen Stellenwert der Frau gedacht wird!

Anstatt jetzt aber noch den absehbaren Schluß auseinanderzuklamüsern – Peter liebt Vicky, Vicky liebt Peter! Oh Freude! – verwenden wir doch lieber noch einen Absatz auf den flotten Soundtrack des Films. Da erklingen nämlich, wie im Vorspann stolz verkündet wird, „10 Disco-Erfolge der internationalen Hitparaden“. Oh ja, wie sie lieblich ertönen! Und zwar permanent. Die lizensierten Songs werden dermaßen oft und ausgiebig gespielt, daß man ein knallhartes Trinkspiel daraus machen könnte – „One for You, One for Me“ von LaBionda zum Beispiel wird mit der Hartnäckigkeit einer Gehirnwäsche eingesetzt, aber ein trällernder Song mit dem Titel „You’re a Person of Importance“ steht dieser Heavy Rotation wahrlich in nichts nach. Man wünschte sich doch, die Filmemacher hätten 15 oder 20 Songs eingekauft – oder würden ihre Schmuckstücke nicht wirklich bei jeder Gelegenheit herunternudeln. Zu den Disco-Erfolgen wird hier übrigens auch die Hitsingle „Baker Street“ von Gerry Rafferty gezählt, von der man kleinlicherweise behaupten könnte, daß sie rein gar nichts mit Disco zu tun hat.

Weil es nichts Weltbewegendes mehr über dieses bewegende Exponat deutscher Kinogeschichte zu berichten gibt, wird dieser Text übrigens in wenigen Momenten ganz ohne kritisches Schlußwort enden. Achtung, gleich ist es soweit!



Summer Night Fever (Deutschland 1978)
Regie: „Siggi Götz“ (= Sigi Rothemund)
Darsteller: Stéphane Hillel, Claus Obalski, Olivia Pascal, Bea Fiedler, Betty Vergès, Claudine Bird, Jacques Herlin, Gianni Garko, Otto W. Retzer, Gesa Thoma, Thomas Gottschalk
Länge: 98 Minuten
FSK: 16

——————
4 8 15 16 23 42

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    Comments are closed.

    0 %