Die ehrlichsten Worte des Films werden gleich zu Beginn gesprochen. Und wie man da quasi schon im Vorfeld zustimmen möchte: „Schluß mit der Musik! Hast du mich verstanden? Ein für allemal: Schluß mit der Musik!“ Der, der da so herumpoltert, ist Siegfried Schürenberg, der in gefühlt allen Edgar-Wallace-Filmen den Sir John gespielt hat und nicht nur deshalb schon im kollektiven Unterbewußtsein als absolute Autoritätsfigur wahrgenommen wird. Ein ernstes Gesicht trägt er zu diesen Worten, und eine dicke schwarze Brille noch dazu. Aber wie so oft: Es hört mal wieder keiner auf die klugen Worte der älteren Generation.
Schürenbergs Figur ist Unterrichtsminister, und er führt gerade seinem Sprößling Hansi Kraus seine Mißbilligung des unsäglichen Krawalls aus, den der Sohnemann mit seinen Hippie-Freunden so von sich gibt, statt sich auf’s Abitur vorzubereiten. Und wenn ich „Krawall“ sage, meine ich natürlich schillerndste Schlager, die sozusagen frisch vom warmen Vinyl butterweich in die Gehörgänge des seligen Zusehers tropfen. Oh ja: In MUSIK, MUSIK – DA WACKELT DIE PENNE wird, wie der Titel ja auch sachte ankündigt, dufte musiziert und fröhlich gesungen, und das im Rahmen eines Paukerfilms, wie sie Ende der Sechziger und Anfang der Siebziger ja hauptsächlich durch DIE LÜMMEL VON DER ERSTEN BANK so kassenträchtig die Leinwände beglückten.
Mit Hansi Kraus wurde ja auch gleich der Oberlümmel höchstselbst engagiert, der hier zusammen mit Kumpan Ilja Richter einen lustigen Sauhaufen von Tänzern und Sängern leitet, die gemeinsam an einem, oh Graus!, modernen Musical arbeiten. Daß der Film 1970 herauskam und hier von „Lärm“ und „Hippies“ geredet wird, darf einen freilich nicht zu der Annahme verleiten, daß Hansi & Ilja eine experimentelle Krautrockband leiten oder sich psychedelischen Klangexperimenten hingeben – oder sonst irgendeiner Musik, die Anfang der Siebziger als halbwegs aktuell empfunden hätte werden können: Hier darf noch die Liebe besungen, „El Condor Pasa“ geplündert und Tom Jones nachgeahmt werden, und mitten im Film fährt Howard Carpendale mit dem Boot über den Traunsee und trällert „Das schöne Mädchen von Seite 1“, ohne auch nur im Geringsten mit der Handlung in Berührung zu kommen. Den permanenten Schlagerbeat muß man sich hier halt, nun ja, beaten lassen.
Hansi Kraus ist übrigens der einzige echte Schüler aus der Truppe – der Rest studiert oder verfolgt Mannequin-Karrieren – aber weil die liebe Inge aus dem Gesangsverein einen ebenso lieben Onkel mit dem Spitznamen „Emma“ hat, der im österreichischen Gmunden ein Internat leitet, fällt die Bande dort ein und musiziert. Onkel Emma (eigentlicher Name: Emmanuel Knieholz) wird übrigens vom ebenso aus der LÜMMEL-Reihe bekannten Rudolf Schündler gespielt, und weil er sich absolut entzückt von Ilja Richters Liedchen „Wo Mädchen sind“ zeigt und daraufhin unbedingt die Musicalisten als Schüler in sein Internat aufnehmen will, darf an seiner geistigen Gesundheit gezweifelt werden.
Leider wurde aber der Beamte Dr. Wimmer (Jacques Herlin) vom Unterrichtsminister instruiert, auf Hansis schulische Bemühungen zu achten. Weil Dr. Wimmer ein neues Erziehungskonzept mit dem Titel „Zurück zu Zucht und Rohrstock“ verfolgt, reist er zusammen mit seiner Kollegin Dr. Schickedanz (Margot Mahler) und dem Sportlehrer Stich (Gunther Philipp – Verzeihung, Dr. Gunther Philipp, soviel Zeit muß sein!) ebenso nach Gmunden, um dort zu unterrichten. Daraus folgen natürlich viele gnadenlos lustige Situationen, in denen die (größtenteils ja vermeintlichen) Schüler die hoffnungslos überforderten reaktionären Pädagogen vorführen – man will ja nicht zuviel verraten, weshalb wir jetzt einfach mal ein paar Begriffe in den Raum werfen: Haschichgas, angesägte Sprungbretter, grüne Farbe aus der Dusche, Stimmenimitation, Einsperrung Dr. Wimmers im Kohlenkeller. Humor wird in den Paukerfilmen ja wenigstens noch ernst genommen.
Obwohl wir ja nun schon viele bekannte Gesichter genannt haben, die in diesem Film versammelt sind, fehlen doch noch zwei Schlüsseldarsteller: Paul Löwinger und Chris Roberts. Löwinger trottelt als Hausmeister des Internats herum und läßt alle anderen Schauspieler – inklusive Jacques Herlin und Gunther Philipp (Dr. Gunther Philipp! Entschuldigung) – schrecklich subtil wirken. Und Schmusesänger Chris Roberts taucht irgendwann als Bruder von Hansis Love Interest auf (einer Lehrerin namens Rosl) – und dann sitzt er in Rosls Klassenzimmer neben einem ungefähr achtjährigen Mädchen und sülzt: „Baby, ich wollt, ich wär‘ / Oh Baby, dein Teddybär“. Dafür wird er aber nicht verhaftet, sondern als große Chance für die Gruppe von Hansi Kraus vorgestellt, die dann zum Schluß auf dem Raddampfer Gisela auftreten darf. Warum haben eigentlich die Kinder im Sommer Unterricht? Müssen die sich auch auf das Nachabitur vorbereiten?
Ebenso zu sehen sind übrigens der britische Schlagerfuzzi Graham Bonney (mit „Der Sommer vergeht“), der deutsche Schlagermann Peter Beil (der singt „Heute Nacht“) und der Stimmenimitator Kurt Stadel (der hier unter anderem Roy Black und Lale Andersen nachmachen darf). Und inszeniert wurde die heitere Sause vom Dinosaurier des österreichischen Films: Franz Antel. Musik, Musik, da wackelt der Magen.
Musik, Musik – Da wackelt die Penne (Deutschland 1970)
Regie: Franz Antel
Buch: Kurt Nachmann
Darsteller: Hansi Kraus, Ilja Richter, Rudolf Schündler, Paul Löwinger, Gunther Philipp, Jacques Herlin, Siegfried Schürenberg, Margot Mahler, Chris Roberts, Kurt Stadel, Graham Bonney, Howard Carpendale, Peter Beil, Mascha Gonska, Katja Weigmann
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