Der Hauptdarsteller heißt Thomas Mann, aber einen Zauberberg darf man hier nicht erwarten: PROJECT X ist eine im Dokustil gedrehte Party-Komödie, bei der drei Freunde ihren Status an der Schule aufwerten wollen, indem sie die Party des Jahrhunderts organisieren – und die gerät so sehr aus den Fugen, daß irgendwann Nachrichtenteams und SWAT-Teams anrücken. Produziert wurde der Spaß von jemandem, der sich mit lautem Krawallfeiern und instinktgetriebenen Männern auskennt: Todd Phillips, seines Zeichens Regisseur von HANGOVER, ROAD TRIP und OLD SCHOOL. Es bleibt unklar, ob er das Projekt ausgesucht hat oder das Projekt ihn.
Die Handlung ist im obigen Absatz eigentlich schon hinreichend beschrieben – viel mehr passiert nämlich nicht. Beziehungsweise: Es passiert allerhand, aber nichts, was sich nicht unter dem Oberpunkt „Die Party gerät außer Kontrolle“ subsumieren läßt. Winz-Rahmenhandlung: Thomas (so heißt die Hauptfigur auch im Film) schmachtet einer feschen Frau auf der Schule hinterher, aber auf der Party (die zu seinem 17. Geburtstag ausgerufen wird) entwickelt sich auch etwas zwischen ihm und seiner besten Freundin Kirby – und nein, an der Kinokasse wurden keine Preise an Besucher ausgegeben, die das Ende dieser komplexen Beziehungsgeschichte vorab erraten haben.
Natürlich steht PROJECT X in einer langen Tradition von Filmen, in denen die ganze Nacht durchgefeiert wird und in denen sich die Motivationen der Figuren hauptsächlich um Saufen, Sex und Spaß drehen. Ende der Siebziger gab es ANIMAL HOUSE (dt. ICH GLAUB, MICH TRITT EIN PFERD!), später kam CAN’T HARDLY WAIT oder – in jüngerer Vergangenheit – SUPERBAD. Und natürlich muß jeder neue Vertreter dieses traditionsreichen Genres dem anarchischen Chaos eins draufsetzen – und diesbezüglich darf man den Hut vor PROJECT X ziehen, der sich wonnig in die frenetische Over-the-Top-Zerstörung steigert: Polizeieinsatz mit Hubschraubern, ein Durchgeknallter mit Flammenwerfer, der die Nachbarschaft abfackelt, Rauchgranaten, ein Auto im Pool – der Film gibt sich so maßlos dem Getümmel hin, daß Charakterzeichnung und -entwicklung ebenso wie der Plot einfach größtenteils wegrationalisiert wurden.
Das befreit den Film einerseits von unnötigem Ballast – man will Chaos sehen, man kriegt Chaos zu sehen – aber gleichzeitig ist es natürlich ein absoluter Genickbruch, wenn die Figuren nicht mal oberflächlich interessant gezeichnet sind und man den sinnlosen Party Animals gar nicht auf diese Jahrhundertfeier folgen möchte. Die drei Hauptfiguren zeichnen sich wirklich durch gar keine Eigenschaften aus – abgesehen vielleicht von Costa, dem Organisator, der schlichtweg ein komplettes Proletenarschloch ist. Nicht, daß die anderen beiden wesentlich feingeistiger wären: In einer Szene sitzt Costa auf der Toilette in der Schule; seine Freunde filmen ihn über die Trennwand der Kabine hinweg, kippen ihm dann von oben einen Mülleimer auf den Kopf und schalten dann beim Herausgehen das Licht aus.
Überhaupt ist der Humor sehr sehr tief: Da wird ein Kleinwüchsiger auf der Party in den Ofen gequetscht, und nachdem man ihn befreit hat, haut er rasend vor Wut allen Anwesenden auf die Weichteile. Ein Nachbar, der sich über die Ruhestörung beschwert, kriegt einen Elektroschocker ans Genick gesetzt; im Reflex dreht er sich um und schlägt dem zwölfjährigen Security-Burschen ins Gesicht – woraufhin er erpreßt werden kann, daß er sich nicht bei der Polizei meldet. Nicht, daß der Humor in einem Film wie ANIMAL HOUSE hochgeistiger Natur wäre – aber dessen subversiver Charme und sein verschroben aufgebauter und mit präzisem Timing ausgekosteter Witz ist nicht erst bei näherer Betrachtung um Meilen niveauvoller (und lustiger!) als der Krawall in PROJECT X.
Wie bereits angedeutet, ist das Geschehen immer aus Perspektive einer anwesenden Kamera mitgefilmt – hauptsächlich durch einen vierten Freund, Dax, der alle Ereignisse brav einfängt (und das mit so unglaublich klarem Ton, daß man nur neidisch werden kann). Später werden aber auch beispielsweise Handy-Videos gezeigt, die von Partybesuchern mitgeschnitten werden. Nun hat das „Found Footage“-Genre bislang kaum wirklich sehenswerte Filme abgeworfen und noch seltener eine gelungene Ästhetik ins Spiel gebracht – und PROJECT X macht auch da keine Ausnahme: Man sieht eben viele verwackelte, vermeintlich authentische Bilder und wünscht sich, der Film würde ohne dieses Reality-Gimmick auskommen. Immerhin funktioniert der „Mitschnitt“-Effekt bei diversen Partysequenzen relativ gut – da ist der Gedanke am natürlichsten, daß Leute mit Handy oder kleiner Kamera diversen Unfug mitfilmen – aber dann tauchen wieder Sequenzen auf, wo man sich fragt, wie die Kamera denn so omnipräsent sein kann, oder wie ein wichtiger Moment zwischen zwei Figuren gleich mit mehreren Einstellungen gedreht werden konnte.
Reden wir noch kurz über den Schluß – wer sich, räusper, überraschen lassen will, ignoriert einfach diesen Absatz: Die Party resultiert in enorm hohen Sachschaden und sogar Vorstrafen für die drei Freunde. Im Epilog sehen wir die drei dann zu triumphaler Musik durch den Schulkorridor gehen und ihre neugewonnene Popularität genießen – durch das ausufernde Fest werden die drei nämlich plötzlich als coole Helden gefeiert. Freilich ist das einfach nur Provokation und Anbiederung: letzteres an die jüngere Zielgruppe des Films, die keine Moralpredigt hören will, und ersteres für die etwas älteren Zuseher, die sich dann über eine „falsche Botschaft“ aufregen dürfen. Und dann folgt auch noch das romantische Happy-End, in dem Thomas seiner Freundin Kirby erklärt, daß soviel zu Bruch gegangen ist, aber er nur die Sache mit ihr wieder geradebiegen will. Kuß und Abspann. Tja, liebe Freunde: Sowas kommt an bei den Frauen – selbst wenn man am Abend zuvor noch mit einer anderen nackten Frau im Bett erwischt wurde. Da haben wir ja doch noch etwas gelernt!
Project X (USA 2012)
Regie: Nima Nourizadeh
Buch: Matt Drake & Michael Bacall
Darsteller: Thomas Mann, Oliver Cooper, Jonathan Daniel Brown, Dax Flame, Kirby Bliss Blanton, Alexis Knapp
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Meine Parties waren nie so aufregend. Oh no, ich habe meine Jugend versäumt.
Aber das mit dem Ende und der Provokation trifft wohl zu, da hätte ich mich wieder schön aufregen können 😛