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[Film] News Movie (2008)

Hier haben wir mal ein Subgenre, das selten bedient wird, und bei dem es schön ist, daß es dennoch weiterlebt: Den Sketchfilm. Richtig viele Streifen gibt es nicht in dieser Untergattung, in der Sketche und alleinstehende Parodien nur durch einen losen Rahmen zusammengehalten werden und dabei auf eine Handlung komplett verzichtet wird – die Monty Pythons haben sowas gemacht (THE MEANING OF LIFE und DIE WUNDERBARE WELT DER SCHWERKRAFT), aber der wahre Klassiker des Prinzips ist natürlich das KENTUCKY FRIED MOVIE, dessen von John Landis inszenierter Anarcho-Witz die Autoren Jerry & David Zucker und Jim Abrahams bekanntgemacht hat, die sich dann später mit (sehr sketchhaft gehaltenen) Parodien wie DIE UNGLAUBLICHE REISE IN EINEM VERRÜCKTEN FLUGZEUG, DIE NACKTE KANONE und HOT SHOTS einen Platz im Komödienhimmel gesichert haben. Eigentlich nur konsequent, daß David Zucker auch einer der Produzenten des vorliegenden Films ist, der bei uns NEWS MOVIE heißt und im Original als THE ONION MOVIE veröffentlicht wurde.

The Onion? Ah ja: Der Film wurde von der Satire-Zeitung The Onion produziert, die seit den späten Achtzigern absurde Schlagzeilen unters Volk bringen, die mitunter schon für echte News gehalten wurden. Seit 1996 sind The Onion im Netz vertreten, und THE ONION MOVIE sollte der Schritt auf die Kinoleinwand werden. Sollte: Der 2003 gedrehte Film stieß nämlich bei Testvorführungen auf wenig Gegenliebe, verstaubte dann einige Jahre im Archiv und wurde schließlich 2008 mit ein paar zusätzlich gedrehten Szenen unzeremoniell veröffentlicht und damit abgehakt. Diese Information könnte hilfreich sein, wenn man sich beim Ansehen über einen Gastauftritt des 2004 verstorbenen Rodney Dangerfield wundert – oder über Sketche zu Themen, die 2008 einfach nicht mehr absolut brandheiß waren.

THE ONION MOVIE reiht also in schönster KENTUCKY-FRIED-MOVIE-Tradition ein buntes Fernsehprogramm aneinander, das natürlich größtenteils aus Nachrichten und Reportagen besteht, aber auch Werbeclips und andere Stories in den Topf wirft – garniert mit einer Winzhandlung nebenher, in der sich der langjährige Nachrichtensprecher des Formats über die Werbeeinblendungen der Firma ärgert, die den Sender gerade gekauft hat, und in der zum Schluß die Menschen im Fernsehstudio von Terroristen als Geiseln genommen werden. Durchaus möglich, daß diese Plotelemente bei den späteren Reshoots hinzugefügt wurden.

Kommen wir zum Problem des Films: Die witzigen Parts sind in der Minderheit – und auch die witzigen Sketche werden teilweise einfach zu lange plattgewalzt. Da gibt es zum Beispiel eine Britney-Spears-ähnliche Sängerin, die mit suggestiven Videos und Songtiteln wie „Take Me From Behind“ und „Shoot Your Love All Over Me“ die Charts stürmt und im Interview als niedliches Girl Next Door erläutert, daß sie noch Jungfrau ist und überhaupt keinen sexuellen Inhalt in ihrer Musik finden kann. Das ist eine Zeitlang witzig – aber nicht mehr, wenn die Songs dann irgendwann zum dritten Mal angestimmt werden. In einem anderen durchaus reizvollen Sketch überfällt ein Schwarzer mit vorgehaltener Waffe eine Bank – aber er will kein Geld, sondern eine Anstellung mit Urlaub und Krankenversicherung. Auch diese Sequenz läuft zu lang: Nachdem der Witz verpufft ist, daß der gute Mann dann inklusive Strumpfmaske und Waffe im Kundendienst der Bank einen Platz gefunden hat, geht der Sketch trotzdem noch einige Zeit weiter, bis der Gag totgeritten ist.

Größer ist leider die Anzahl der Sketche, die überhaupt nicht zünden: Eine Sequenz, in der die Gäste einer Hausparty „Who is the rapist?“ anstelle von „Who is the murderer?“ spielen, findet einfach keinen brauchbaren Witz abgesehen vom Schockelement. Auch ein Sketch, in der ein weißer Hip-Hop-Fan verhaftet wird, weil ein Schwarzer gesucht wird, und ihm dank seines Auftretens einfach niemand glaubt, daß er weiß ist, ist verschenkt, weil er aus der absurden Grundidee nichts macht. Ebenso lahm: Die endlose Szene mit einem Rollenspiel-Fan, der plötzlich in ein tatsächliches Fantasyland versetzt wird und dort vom ersten auftauchenden Monster geplättet wird (die Macher hatten immerhin soviel Humor, das Monster Gygax zu nennen – in Anlehnung an D&D-Erfinder Gary Gygax).

Für die guten Bits muß man sich also immer ein wenig durch lahme Sketche durcharbeiten – und durch eine Reihe von Geschmacklosigkeiten, deren Witzigkeit schwer von der persönlichen Schmerzgrenze abhängt. Aber immerhin gibt es immer wieder nette Einfälle: In einer plötzlich zugeschalteten Kritikerrunde taucht die Beschwerde auf, daß keine positiven afro-amerikanischen Figuren im Film vorkommen – woraufhin beim nächsten Sketch ganz unmotiviert ein freundlicher Schwarzer hereinspaziert, der gleich betont, daß er weder trinkt noch Drogen nimmt, und wissen will, wo die Bibliothek ist. Und ganz groß – zumindest beim ersten Mal, der Sketch taucht nämlich leider immer wieder auf: Der Trailer zum Film COCKPUNCHER, in dem Steven Seagal seine Feinde nach langen leidensvollen Trainingsjahren mit einem gezielten Schlag in die Weichteile außer Gefecht setzen kann. Mit diesem Gastauftritt gewinnt der Martial-Arts-Haudegen (wie ja auch schon mit seinem Cameo in MY GIANT, wo er sich am Telefon für seine fettigen Haare beschimpfen lassen mußte) dank gesunder Selbstironie einen großen Brocken Sympathie. Apropos Gastauftritte: In einem anderen Sketch sammelt Michael Bolton für Kinder in der dritten Welt – die sich dann endlich essentielle Lebenshilfen wie ein Abo des Wall-Street-Journals leisten können.

Nein, NEWS MOVIE ist kein durch die Bank gelungener Film – und an die Größe des Vorbilds KENTUCKY FRIED MOVIE reicht er nicht einmal ansatzweise heran. Aber ganz so wertlos, wie es die Veröffentlichungsgeschichte suggeriert (inklusive der Tatsache, daß für die Regie ein Pseudonym gewählt wurde), ist der Film dann auch wieder nicht. Wer schrägen Humor mag, kann gerne einen Blick riskieren. Und sei es nur für diese schöne Schlagzeile: „Ein stundenlanger Ausfall des Internets stürzte die Nation in einen Anfall von Produktivität.“



News Movie (USA 2008)
Originaltitel: The Onion Movie
Regie: „James Kleiner“ (= Tom Kuntz & Mike Maguire)
Buch: Todd Hanson & Robert Siegel
Darsteller: Len Cariou, Steven Seagal, Michael Bolton, Rodney Dangerfield, Sarah McElligott, Daniel Dae Kim, Gedde Watanabe, Nick Chinlund
Länge: 86 Minuten
FSK: 16

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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