Adrianna Barrington erhält von ihrem Mann Craig eine Karte zum Hochzeitstag – und hält es für einen bösen Scherz, weil Craig vor einigen Jahren an den Folgen eines Autounfalls starb. Er fiel mit Hirnschaden ins Koma, und irgendwann ließ sie die Maschinen ausschalten, die ihn künstlich am Leben erhielten. Jetzt will Adrianna das Gründstück ihres Mannes verkaufen – und auf dem werden die Leichen zweier Frauen gefunden, die vor Jahren verschwunden sind. Und diese Mordserie ist noch nicht zuende …
Eine schöne Thriller-Story ist das, die die US-Autorin Mary Burton hier mit DYING SCREAM konstruiert hat. Lange Zeit tappt man ebenso im Dunkeln wie die Hauptfiguren der Geschichte – auch wenn man als Leser einen gewissen Informationsvorschuß hat: In manchen Kapiteln folgt man Craig, der weitere Frauen entführt und ermordet. Aber wie kann das sein? Wie kann der Mann am Leben sein?
In flotter Sprache, aber überraschend gemächlichem Tempo führt Burton den Leser durch die verschiedenen Wirrungen der Geschichte. Daß sie der Story Zeit läßt, sich zu entfalten, ist dabei durchaus sympathisch – der Plot bleibt spannend, aber die Figuren werden nicht durch die Handlung gehetzt. Überall werden Fährten gelegt und – natürlich! – rote Heringe eingeführt: Hat der aggressive Historiker, der gegen den Verkauf von Craigs Grundstück wettert, etwas mit der Angelegenheit zu tun? Oder vielleicht der Anwalt von Craig, der ein Auge auf Adrianna geworfen zu haben scheint?
Burton selbst ordnet ihr Buch im Genre „romantic suspense“ ein. „Romantic“ deshalb, weil der ermittelnde Polizist Gage Hudson früher mit Adrianna liiert war und sie ihn dann für Craig verlassen hatte – und da kommen im Laufe der Geschichte natürlich alte Gefühle wieder hoch. Das ist durchaus ein verzichtbares Element, weil das ganze interpersonelle Drama damit immer wieder ein wenig Seifenoper-Flair abkriegt – und auch, weil Burton in Flashbacks, in denen das Verhältnis von Gage und Adrianna näher beleuchtet wird, zur Sexautorin auf Groschenheftlevel mutiert.
Im Großen und Ganzen aber darf man sich einem interessanten Krimi widmen, in dem zwar selten direkte Gefahr für die Hauptfiguren besteht, der Fall selbst aber Stoff zum Knobeln gibt. Die Auflösung allerdings ist dann eher Betrug: Nicht nur, daß auch da mit der Bedrohung eher kokettiert wird, als daß Burton sie effektiv auskostet – sondern die Lösung ist nur deswegen möglich, weil Burton uns als Erzählerin sozusagen angeschwindelt hat. Und weil daher alle unsere Überlegungen während des Lesens in die Irre geleitet waren und wir gar nicht auf die Auflösung hätten kommen können, ist das Ende alles andere als befriedigend.