Und noch so ein Fall, wo sich der deutsche Verleih mit viel Schwung von bekannten Vorbildern inspirieren ließ: KEVINS COUSIN ALLEIN IM SUPERMARKT hieß der Film CAREER OPPORTUNITIES bei uns, obwohl die Hauptfigur nun wirklich gar nichts mit Kevin zu tun hatte. Aber was für ALLEIN MIT ONKEL BUCK und JACK ALLEIN IM SERIENWAHN funktionierte, kann natürlich noch für einen weiteren Film ausgenutzt werden – vor allem, wenn der ohnehin von John Hughes geschrieben und produziert wurde, der ja auch als Autor und Produzent von KEVIN ALLEIN ZU HAUS fungierte. Und ganz ehrlich: Komplett daneben liegt der deutsche Verleih inhaltlich nicht, ist doch CAREER OPPORTUNITIES eine Kreuzung aus zwei bekannten Hughes-Mustern: Junge Menschen verschiedener Herkunft lernen sich unter besonderen Umständen kennen und blicken hinter die Fassade des anderen (siehe THE BREAKFAST CLUB), müssen sich dann aber gegen minderbemittelte Einbrecher wehren (KEVIN ALLEIN ZU HAUS). Und John Candy spielt auch mal wieder mit – wenn auch nur in einer kleinen Nebenrolle.
Der Film dreht sich um den Angeber Jim Dodge (Frank Whaley), der gerne aufschneidet bis zum Geht-nicht-mehr, um davon abzulenken, daß er ein ziemlicher Verlierer ist. Er kriegt nur Aushilfsjobs, bei denen er regelmäßig gekündigt wird. Als er seinen neuen Job als nächtliche Reinigungskraft bei einem lokalen Supermarkt antritt, trifft er in dem ansonsten leeren Gebäude auf die schöne Josie (Jennifer Connelly), auf die er schon länger ein Auge geworfen hat. Josie versucht immer wieder, ihren reichen Vater vor den Kopf zu stoßen, und ist im Supermarkt eingeschlossen, weil sie der Aufmerksamkeit halber etwas stehlen wollte und sich dann doch nicht getraut hat. Die beiden fangen an zu reden und stellen fest, daß sie jeweils den anderen um etwas beneiden, das sie selbst nicht haben: Jim hätte gern die Sicherheit von Josie, die dagegen Jim um seine Freiheit beneidet. Während sich aber zwischen den beiden etwas entwickelt, steigen zwei Einbrecher in den Supermarkt ein – und Jim kann die Polizei nicht rufen, weil er keine Schlüssel für den Haupteingang hat …
Die Annäherung der beiden jungen Leute aus verschiedenen Klassen – Jim aus der Arbeiterklasse, Josie aus dem gehobenen Mittelstand – ist ein beliebtes Thema bei John Hughes, der es in Filmen wie THE BREAKFAST CLUB, PRETTY IN PINK und IST SIE NICHT WUNDERBAR? schaffte, die Probleme seiner Figuren ernst zu nehmen und daraus starke Geschichten über das Erwachsenwerden zu spinnen. Auch in CAREER OPPORTUNITIES funktioniert dieser Ansatz ganz gut: Die besten Szenen des Films sind die, in denen Jim und Josie alleine im Supermarkt eingeschlossen sind und Spaß haben, sich über ihre Sorgen und Probleme austauschen und feststellen, daß der jeweils andere nicht ganz das ist, was immer nach außen hin wahrgenommen ist.
Frank Whaley hat Vergnügen an der Rolle des Aufschneiders, der sich in der Limousine zum Putzjob fahren läßt und Kindern auf der Straße von seiner angeblichen Geschäftsreise nach Paris erzählt. In einer sehr witzigen Sequenz sitzt er beim Vorstellungsgespräch im Zimmer des Supermarktchefs (John Candy in einem Gastauftritt), der ihn dank des betont lässigen Auftretens für einen Bewerber auf den Posten des Managers hält und mit ihm großzügig über ein Jahresgehalt von $45.000 verhandelt. Und dann ist da natürlich noch Jennifer Connelly – diese unglaublich schöne junge Frau, die mit ihren weichen Gesichtszügen und dem langen dunklen Haar so bezaubernd und leicht geheimnisvoll aussieht. Connelly – die ein Jahr zuvor in Dennis Hoppers Neo-Noir-Streifen THE HOT SPOT nicht minder aufregend war – funktioniert als Objekt der Begierde ebenso prächtig wie dann als sympathisches Mädchen, das etwas hinter den Angebereien der Hauptfigur entdeckt. Selbst wenn der Film sonst nichts zu bieten hätte, wäre er es wohl wert, ihn wegen Jennifer Connelly anzusehen.
Und dann kommen die Einbrecher. Im Gegensatz zu KEVIN ALLEIN ZU HAUS, wo das Anrücken des Gaunerduos in eine einfallsreiche Slapsticksequenz im Geiste der Chuck-Jones-Animationsfilme mündet, sind die beiden Ganoven hier leider nur bemühte Witzfiguren, die einen Plot hinzufügen, wo es gar keinen gebraucht hätte. Nicht nur, daß die Geschichte mit den Gaunern unnötig ist – sie ist auch kaum witzig und dann völlig abrupt wieder vorbei. Fairerweise muß dazugesagt werden, daß das Skript zu CAREER OPPORTUNITIES vor dem Drehbuch zu KEVIN entstand – also hat Hughes erst im späteren Skript wirklich etwas mit den Gaunern anzufangen gewußt. Der Film selbst wurde vor KEVIN gedreht, aber erst danach fertiggestellt – und das in eiligstem Tempo, ohne daß Hughes den Film so fertig schneiden konnte, wie er es gerne gehabt hätte. Die Unmengen an Momenten im Trailer, die gar nicht im Film auftauchen, sowie der eiligst abgehandelte Schluß und die kurze Laufzeit von 75 Minuten deuten allesamt darauf hin, daß die Geschichte eigentlich wesentlich länger hätte werden sollen und so vielleicht doch ein befriedigenderes Ende hätte finden können. Hughes jedenfalls hat sich später vom Film distanziert.
So kann man KEVINS COUSIN ALLEIN IM SUPERMARKT – um nochmal den deutschen Titel zu bemühen – kaum als großartigen, rundum gelungenen Film bezeichnen. Aber dennoch ist er weit interessanter, als es die durch die Bank schlechten Kritiken suggerieren. Im Herzen ist der Film eine weitere Geschichte, die die Qualitäten von Hughes klassischen Stories aufweist. Und mit Whaley, Connelly und Candy werden genug Szenen geboten, die sehenswert sind – auch wenn der Rest dann mit dem Auftauchen der Einbrecher eher Schiffbruch erleidet.
Kevins Cousin allein im Supermarkt (USA 1991)
Originaltitel: Career Opportunities
Regie: Bryan Gordon
Buch & Produktion: John Hughes
Darsteller: Frank Whaley, Jennifer Connelly, Dermot Mulroney, Kieran Mulroney, Noble Winningham, Barry Corbin, William Forsythe
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