Wenn man über einen Film stolpert, in dem diverse Stars von Rang und Namen mitspielen, von dem man aber noch nie etwas gehört hat, dann kann das gerne mal einen triftigen Grund haben. Zum Beispiel diesen: Der Film ist ein absoluter Heuler. Wie es der Zufall so will, trifft das exakt auf die Komödie WAKING UP IN RENO zu, in der Billy Bob Thornton, Patrick Swayze, Charlize Theron und Natasha Richardson als zwei befreundete Ehepaare in den Urlaub nach Reno fahren. Klingt aufregend, gell? Die amerikanischen Kinobesucher sahen das ähnlich und hielten Abstand von dem Film, als wäre er ansteckend.
Hätten sie doch nur geahnt, daß noch mehr passiert im Film! Billy Bob Thornton verdrückt nämlich hier ein 32-Kilo-Steak. Ach so, und außerdem ist er mit Natasha Richardson verheiratet, hatte aber ein kurzes Verhältnis mit Cherlize Theron – die wiederum mit Swayze liiert ist. Na, ob das mal nicht ans Tageslicht kommt bei diesem schönen Urlaub und dann in Zoff und Schmollerei endet?
Das Problem von WAKING UP IN RENO ist aber nicht die Banalität der Story – es ist die Tatsache, daß das Drehbuch komplett unglaubwürdig konzipiert ist und Regisseur Jordan Brady ohne das geringste Gespür für den richtigen Tonfall inszeniert. Schon die Charaktere sind problematisch gezeichnet: Die vier Figuren sind allesamt so klischéebeladen, als wollte der Film als Satire funktionieren – aber dann soll man die Gestalten durch die Bank ernstnehmen und ihren Problemen und Geständnissen zuhören.
Roy (Swayze) zum Beispiel wird als völliger Simpel dargestellt, der nicht mal mitkriegt, daß Candy (Theron) ihn betrogen hat, als sie sich eigentlich schon verraten hat. Candy wiederum tanzt als schlichtes Blondchen mit breitestem Südstaatendialekt durch die Handlung und will unbedingt ein Kind von Roy – weswegen sie ihn selbst auf der Autofahrt, in Gegenwart der anderen, darauf hinweist, daß sie gerade ovuliert. Die zwei haben dann Sex auf dem Parkplatz, während die anderen beiden daneben warten. Richtig dicke Freunde eben.
Die anderen zwei sind nicht besser: Darlene (Richardson) ist eine komplett unterwürfige graue Maus, die mit Latzhose herumläuft und frustriert ist, daß ihre Ehe mit Lonnie (Thornton) nicht mehr funktioniert. Dafür will sie aber unbedingt den Sänger Tony Orlando kennenlernen, und als Zeichen ihres neuen Selbstbewußtseins am Ende des Films geht sie ganz unverfroren hübsch hergerichtet mal auf ein Konzert von ihm. Oh ja, hier wird die Emanzipation noch ernstgenommen! Lonnie dagegen ist ein zynischer Gebrauchtwagenverkäufer, der jeder Situation völlig unbeeindruckt begegnet – das ist in den ersten paar Minuten witzig, wenn Candy Einrichtungsgegenstände nach ihm wirft und er beiläufig fragt, ob irgendwas nicht stimmt; wenn er später, als seine Untreue auffliegt, gelassen vorschlägt, daß doch Roy und Darlene auch etwas miteinander anfangen sollen, damit wieder Balance in der Vierergruppe herrscht, zweifelt man dann doch etwas daran, daß die Figur ein echter Mensch sein soll.
Diese vier Leute, die so betont bodenständig und einfach und südstaatlerisch vorgestellt werden, vertreiben sich also nun die erste Hälfte des Films mit Nichtigkeiten – das erwähnte Riesensteak zum Beispiel, nach dessen Verzehr Lonnie ins Krankenhaus muß, hat keinerlei Auswirkung auf die Handlung und dient wohl eher dazu, die mühsamen 87 Minuten Spielfilmlänge zu erreichen – um sich dann mal ernsthaft auszusprechen. Natürlich ist kein Ton, den sie von sich geben, interessant oder glaubwürdig, aber das scheint weder das Skript noch den Regisseur zu stören: Die quasseln einfach weiter über ihre Problemchen, als müßte man da jetzt ergriffen auf Erkenntnisse hoffen, und nur kurz nach jeder Menge Geschrei, Geweine, Gezicke und generellem Tohuwabohu sitzen die vier, die sich eben noch wegen des Fremdgehens in die Wolle gekriegt haben, bei einer Monstertruck-Show und vertragen sich wieder. Wie schön.
Jordan Brady – von dem übrigens der durchaus witzige HILFE, ICH HABE EIN DATE! mit Luke Wilson und Denise Richards stammt – inszeniert seine Darsteller, als wäre es ein TV-Drama, ohne jeden Funken und ohne jede Idee. Dafür setzt er zu jeder Gelegenheit schwungvoll-heitere Musik ein, ob sie nun paßt oder nicht: Die vier Freunde streiten gerade über den Vertrauensbruch, und auf dem Soundtrack ertönt lustiges Slapstick-Gezupfe. Zwischen den einzelnen Stationen des Roadtrips nach Reno dürfen übrigens auch lustige Animationen auf einer Landkarte angesehen werden – damit wir auch wissen, daß es sich um eine Komödie handelt. Man spürt gelegentlich, daß Brady eine Art Screwball Comedy vorgeschwebt ist, aber in Abwesenheit von brauchbaren Witzen und interessanten Figuren bleibt das natürlich reine Spekulation. An anderer Stelle wollte er ja dann wohl doch lieber die leise Roadtrip-Charaktergeschichte machen, bei dem alle Figuren etwas dazulernen und vor allem Roy und Darlene endlich über sich hinauswachsen.
Die Darsteller bemühen sich redlich und verdienen freilich durch die Bank besseres Material – das sie ja auch in zahlreichen Filmen bekommen haben. In einer Nebenrolle taucht sogar Penélope Cruz auf (als Edelprostituierte, die dann ganz ohne Bezahlung zum Trost mit Roy tanzt – und vielleicht sogar mit ihm schläft?); in kleineren Parts sind gute Komiker wie Holmes Osborne und David Koechner zu sehen. Was hilft’s, wenn Skript und Regie versagen? Waking Up in Reno, Falling Asleep on the Couch.
Waking Up in Reno (USA 2001)
Regie: Jordan Brady
Buch: Brent Briscoe, Mark Fauser
Darsteller: Natasha Richardson, Billy Bob Thornton, Patrick Swayze, Charlize Theron, Holmes Osborne, Penélope Cruz, David Koechner
Länge: 87 Minuten
FSK: 12
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