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[Film] Popcorn und Himbeereis (1978)

„Great film! Lots of nudity! Awesome!“, schreibt ein IMDB-User namens Buster Koons in seiner auch sonst nicht sehr umfangreichen Rezension – und da braucht man gar nicht groß herumdiskutieren: Die zweite Aussage stimmt, und da schnellt ja bei uns männlichen Zusehern ganz flott nicht nur der kritische Daumen nach oben. „Ein Schmarren“, schreibt dagegen das stets nüchterne Lexikon des internationalen Films, und abgesehen davon, daß sich diese Betrachtungen keinesfalls gegenseitig ausschließen, läßt sich doch beinahe ein sanftes Lächeln im Mundwinkel des Autors der seriösen katholischen Filmkritik wähnen, der vor dieser schönen Lisa-Film-Produktion mit dem dufte jugendlich gehaltenen Titel POPCORN UND HIMBEEREIS einfach nur kapitulieren konnte.

Die zwei wichtigsten Fragen der meisten Lisa-Filme werden hier schnell angegangen: Wieso fahren die Charaktere zum Wörthersee? Und wer wird wie warum verwechselt? (Man könnte großzügig noch eine dritte Frage als roten Faden durch das Gesamtwerk dieser Produktionsstätte ausmachen: Wie lautet der Name der Hotels am Wörthersee, in dem die – Achtung, es kommt, es kommt: – Handlung spielt?) Aber lassen wir uns doch Zeit, diese Verwicklungen ausführlich zu dokumentieren.

Schöne Frauen auf der Suche nach neuen Herausforderungen:
Gesa Thoma (links) und Olivia Pascal.

Vivi (die ansehnliche Olivia Pascal), Mitarbeiterin eines Möbelhauses, ist also unterwegs zur Bank, um 17.000 Mark an Firmengeldern einzuzahlen. Kurz vor dem Kreditinstitut läuft ihr ihre Freundin Bea über den Weg (die nicht minder vorzeigbare Gesa Thoma, die – lassen wir uns kurz von der Trivia ablenken – heute beim Homeshopping-Sender HSE24 moderiert), und Bea hat sich gerade einen neuen Freund angelacht. Weil der alte noch gar nicht abgesägt ist und aber rein zufällig nicht unweit im Straßencafé sitzt, schafft Bea Vivi an, dem armen Kerl Bescheid zu geben, daß der Ofen aus ist. Bea schnappt sich dafür das Geld und verspricht, es einzuzahlen – doch leider taucht vorher schon ihr neuer Freund auf, der ihr erzählt hat, daß er der Sohn von Vivis Chef ist, und sie deswegen mit ins Möbellager nimmt. Unterdessen klingelt das Telefon in der Chefetage, und die aufgebrachte Chefin des Hotels Zavattini am Wörthersee (aha!) beschwert sich, daß ihre Betten noch nicht geliefert wurden. Der Möbelhausboß, Herr Hansen, schickt seinen tatsächlichen Sohn Bobby los, um die Ware aus dem Möbellager zu holen und nach Kärnten zu transportieren.

Bea und der falsche Sohn nehmen also gerade Anlauf, sich auf den Betten zu vergnügen (die noch bekleidete Bea gibt dem Mann einen hilfreichen Hinweis: „Wenn du den Küken die Eierschale abnimmst, kann es viel aufregender werden!“), da fällt auch schon die Tüte mit dem Firmengeld unbemerkt unter die Matratze, und die Betten werden nach unterbrochenem Techtelmechtel abtransportiert. Vivi sammelt Bea in einer Disco auf und erläutert ihr, daß sie das Firmengeld braucht, und Bea zeigt sich von der verlorengegangenen Summe gewissermaßen beeindruckt: „17.000 Mark? Jaja, dafür muß ’ne alte Frau lange stricken“. Weil die Betten schon weg sind, müssen sich Vivi und Bea ins Hotel Zavattini aufmachen, um dort sämtliche Betten nach dem Geld zu durchsuchen.

Gesa Thoma (links) und Olivia Pascal diskutieren über ihr weiteres Vorgehen.

Mit Beas Macker, der sich als Sohn des Chefs ausgibt, haben wir die obligatorische Verwechslung ja nun auch schon angedeutet: Vivi hat nämlich den tatsächlichen Sohn des Chefs nie kennengelernt und hält also jetzt den richtigen Sohnemann, der die Betten transportiert, für einen einfachen Möbelfahrer. Vielleicht geht sie auch deshalb nicht so richtig auf die flotten Anmachversuche des Juniorchefs ein – und das, obwohl Bobby von Benny Schnier gespielt wird, der zwei Jahre vor diesem Film mit seinem Frank-Farian-produzierten Schlagerhit „Amigo Charly Brown“ die Mengen beglückte! (Benny, der in diesem Film ohne Nachnamen angeführt wird, hat übrigens etwas später unter anderem das ZDF-Ferienprogramm moderiert.) Bea ist einstweilen sehr glücklich mit ihrem vermeintlich reichen Freund, da der zur alten Weisheit ihrer Oma paßt: „Lieber reich und gesund als arm und krank“.

So, und wenn wir jetzt noch den guten alten Zachi Noy erwähnen, haben wir eigentlich alle Elemente der – Achtung, es kommt gleich wieder: – Handlung hinreichend erläutert. Zachi Noy, der in allen Teilen der EIS-AM-STIEL-Reihe den lustigen Dicken spielte, zeigt hier, daß er diese Rolle auch in anderen Filmen beherrscht. Vivi und Bea lernen Zachi (bzw. Johnny, wie er im Film heißt) im Zug nach Kärnten kennen, wo er sich heiter an die Mädels heranmacht und einem unsympathischen Deutschen mit dem Namen Otto Bronski den Fahrschein abluchst, nachdem sich der auf sein Wurstbrot gesetzt hat.

Ursula Buchfellner (rechts) erklärt den Kollegen gerade, worum es im Skript geht.

Und, ach! Was erwartet uns nun im Hotel Zavattini für ein lustiges Treiben! Da taucht zum Beispiel Yvonne auf, die einen fast pathologischen Zwang hat, sich ihrer Kleidung zu entledigen (Great film! Lots of nudity! Awesome!). Sie ist die Geliebte von Hotelchef Alexander Grill, der aber leider mit einer dicken Schreckschraube verheiratet ist, die ihn als „Sexualmurmel“ und „Bettschlumpf“ beschimpft – weshalb Yvonne sich zur Tarnung als DJ ausgeben muß, was die liebe Ehefrau natürlich sofort schluckt. Pech für Johnny: Der wollte nämlich eigentlich im Hotel als DJ arbeiten und muß jetzt stattdessen kellnern, wobei er gleich ein komplettes Tablett mit Essen auf den unglückseligen Herrn Bronski kippen kann.

Vivi und Bea sind derweil natürlich hochmotiviert, das verlorengegangene Geld zu finden. „Wer spendiert mir ein Eis?“, fragt Bea daher auch gleich nach der Ankunft. Nachdem Vivi ein paar schnippische Wortgefechte mit Bobby geführt hat, bandelt sie auch gleich mit ihm an, während Bea sehnsüchtig die Ankunft ihres neuen Freundes erwartet („Ach, den hatte ich ja fast vergessen“). Wenn Vivi und Bea nicht gerade zu zweit duschen (Great film! Lots of nudity! Awesome!) oder mit ihren Kerlen schwofen gehen, durchsuchen sie verschiedene Betten – die übrigens allesamt einfache Holzkonstruktionen sind, was die Frage aufkommen läßt, warum die extra in München bestellt werden mußten. Irgendwann schleichen Vivi, Bobby und Johnny in Nonnenkostümen durch ein Kloster, und während die ersteren beiden ein Bett durchsuchen, gesteht Johnny im Glauben, mit Vivi zu reden, einer alten Nonne, die ihm den Rücken zukehrt, seine Liebe und will sie küssen. In so einer Lisa-Film-Produktion wird eben jeder Gag voll ausgekostet – ob man will oder nicht.

Bea Fiedler zeigt, wie Polizistinnen den alltäglichen Berufsstreß kompensieren.

Aber reden wir doch mal über die Politesse Sandra (Bea Fiedler), die im Ort mit strengem Blick Strafzettel verteilt. Ein armer Motorradfahrer, der schon wieder ein Knöllchen an seinem Gefährt findet, regt sich über die böse Gesetzeshüterin auf, woraufhin ihm ein Freund rät: „Na, dann bums sie doch“. Das will er aber nicht – jedenfalls solange nicht, bis sie nach Dienstschluß ihre Uniform auszieht und plötzlich in einem mit dem Wort „gewagt“ durchaus trefflich beschriebenen Tigeroutfit in die Disco geht. „Hallo, Tigermädchen“, sagt der Motorradfahrer also zu ihr, die beiden tanzen und gehen dann zu ihm nach Hause. Am nächsten Morgen wacht er auf, während sie sich gerade anzieht (Great film! Lots of nudity! Awesome!), und muß feststellen, daß sie Politesse ist. Dementsprechend verpaßt sie seinem im Halteverbot geparkten Motorrad auch gleich wieder einen Strafzettel.

Johnny hat derweil ganz eigene Probleme. Im Zimmer nebenan wohnt nämlich das Zimmermädchen Pamela, die von Dolly Dollar gespielt wird und eine Oberweite in einer Größenordnung besitzt, bei der man unweigerlich über Newton nachdenkt (Great film! Lots of nudity! Awesome!). Pamela verliebt sich schwer in Johnny, der aber irgendwie nicht so recht will – doch irgendwann sagt er sich: „Na schön. Besser als gar nichts“. In einer wahnwitzig lustigen Szene macht Johnny übrigens für einen an der Tür lauschenden Freund in seinem Zimmer Sexgeräusche nach, indem er gegen Möbelstücke hämmert und herumbrüllt – und dabei übersieht er, daß Pamela im Bett liegt, obwohl sein Zimmer geschätzte 8 Quadratmeter groß ist. Macht nichts: Pamela will ihn trotzdem (Great film! Lots of nudity! Awesome!).

Herbert Fux (Mitte) macht sich einmal mehr um das österreichische Kino verdient.
Otto W. Retzer (rechts) spielt dank Perücke sozusagen inkognito mit.

Besagter Freund bandelt übrigens mit der Politesse an, die ihm geduldig Sexualunterricht erteilt: In einer unendlich langen Szene räkelt sie sich auf dem Bett (Great film! Lots of nudity! Awesome!) und gibt ihm Instruktionen, während er dumme Fragen stellt („Liebst du mich?“) und im Hintergrund ein Schmachtfetzen in voller Länge ausgespielt wird. Apropos Musik: Von vorne bis hinten gibt’s dufte Discomucke zu hören, die freilich nur deswegen nervt, weil immer dieselben paar Songs in Dauerschleife runtergenudelt werden.

Übrigens spielt auch Herbert Fux mit – und zwar als Pfarrer, der von dem oben schon erwähnten Motorradfahrer und seinem Freund immer wieder rüpelhaft geärgert wird. Irgendwann reicht’s dem Pfarrer und er prügelt sich in einer heiteren Slapsticksequenz mit den beiden Rabauken – von denen übrigens einer von Otto W. Retzer gespielt wird, den man mit Haaren überhaupt nicht erkennt. Zum Glück werden ihm die dann im Laufe des Kampfs heruntergerissen. Später gibt es eine Verfolgungsjagd zwischen Fux und Retzer, und die existiert natürlich nicht nur, um die völlig versumpfte Handlung auf Spielfilmlänge zu bringen – sondern auch, um einen komplett sinnlosen Gastauftritt von Niki Lauda unterzubringen („Da lang!“).

Und wie geht jetzt alles aus? Ha! Als würde ich euch das verraten. Ich sag’s mal so: Great film! Lots of nudity! Awesome! Wenn man mal von Handlung, Hirn und Humor absieht.



Popcorn und Himbeereis (Deutschland 1978)
Regie: F.J. Gottlieb
Buch: „Florian Burg“ (= Erich Tomek)
Musik: Gerhard Heinz
Darsteller: „Benny“ (= Benny Schnier), Olivia Pascal, „Gesa Gabor“ (= Gesa Thoma), Zachi Noy, Bea Fiedler, Ursula Buchfellner, „Christine Gianna“ (= Dolly Dollar), Herbert Fux, Alexander Grill, Rosl Mayr, Otto W. Retzer, Niki Lauda

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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