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[Game / PC] King’s Quest 1: Quest for the Crown (1990)

1990 feierte das Softwarehaus Sierra sein 10jähriges Jubiläum – die Firma war zwar bereits 1979 gegründet worden, aber ihr erstes Spiel MYSTERY HOUSE wurde erst 1980 veröffentlicht. Aus diesem Anlaß legte das Team rund um Firmenchef Ken Williams und Designerin Roberta Williams das Zugpferd des Hauses neu auf: Das 1984 veröffentlichte KING’S QUEST, das den Grundstein für die erfolgreichen Adventure-Reihen der Firma gelegt hatte und als erstes 3D-Adventure gilt, wurde einer Frischzellenkur unterzogen und mit der Engine neugestaltet, die auch schon bei KING’S QUEST IV Verwendung fand. Das Spiel selbst sollte dasselbe bleiben, nur die Präsentation wurde auf den neuesten Stand gebracht.

Es handelt sich bei diesem KING’S QUEST 1 also um ein Beinahe-1:1-Remake, da nur ganz wenige Elemente verändert wurden. Story und Aufbau bleiben identisch: Der Ritter Sir Graham wird von König Edward losgeschickt, die drei verlorengegangenen Schätze des Landes Daventry zu suchen. Auf seinen Streifzügen durch das Land trifft Graham wieder auf dieselben Märchen- und Sagenfiguren und löst dieselben Puzzles, die auch schon im Original von 1984 zu finden waren.

Plan von Sierra war es eigentlich, die ganze Reihe auf einen technisch aktuellen Stand zu bringen, aber das Remake wurde seitens der Spieler gar nicht so gut aufgenommen: Die neue Präsentation sei vergleichbar mit dem frevelhaften Vorgang, alte Schwarz-Weiß-Filme fürs Fernsehen künstlich einzufärben, hieß es mitunter sogar. Wegen der enttäuschenden Verkaufszahlen wurden die angedachten Generalüberholungen von KING’S QUEST II und III abgeblasen.

Das Remake bietet aus heutiger Sicht einen durchaus interessanten Diskussionsansatz: Inwieweit ist es legitim, einen Spieleklassiker auf den technisch neuesten Stand zu bringen? Selbst 1990 war das sechs Jahre zuvor erschienene Original schon hoffnungslos veraltet, auch wenn Sierra mit der alten Engine sogar 1989 noch das (zugegebenermaßen wesentlich komplexere) Spiel GOLD RUSH! veröffentlicht hatte. Heutzutage wirkt auch das Remake wie graue Computervorzeit, weswegen eine Fangruppe 2001 ein inoffizielles Remake präsentierte, das in Sachen Technik an die Sierra-Spiele Mitte der Neunziger angepaßt war. Das zweite Remake kam in der Community gut an, weshalb später Fan-Neuauflagen von den Teilen II und III folgten. Offenbar ist es mittlerweile kein Frevel mehr, ein Spiel technisch aufzupeppen, um es auch für weniger retro-affine Spieler zugänglich zu machen. (Die Kickstarter-Kampagne für das Remake von LEISURE SUIT LARRY – immerhin schon Neuauflage Nummer 2! – erwirtschaftete vor kurzem über $650,000, was erahnen läßt, daß heute vielleicht sogar ein großer Wunsch nach Klassikern in neuem Gewand besteht.)

Natürlich bietet ein Remake nie dasselbe Erlebnis wie ein Original, auch wenn das Gameplay selbst sehr nah am Original bleibt und nur die Aufmachung verbessert wird. Andererseits ist gerade das Erlebnis von Computerspielen zu einem großen Teil sehr in ihrer eigenen Zeit verhaftet und den damaligen technischen Möglichkeiten unterworfen: Ein gutes Spielprinzip kann die Jahre überdauern, aber der Stauneffekt über gewisse technische Aspekte oder Spielprinzipien ist kaum in eine spätere Zeit übertragbar. Das ist ein Problem, das alle Sparten des kreativen Schaffens betrifft – wer kann heute die schockierende Sprache von Salinger oder die unerhörte Inszenierung von Leone noch ebenso wahrnehmen wie die Leser und Zuseher damals? – aber weil im Computerspiel die Technik so bestimmend ist und so viel schneller voranschreitet, entfernen sich alte Klassiker mitunter umso weiter aus der unmittelbaren Rezeption. Und daß Neuauflagen und (nicht nur technische) Verbesserungen Spiele durchaus lebendig halten können, zeigen beispielsweise diverse Fortsetzungen und/oder Remakes der Sid-Meier-Spiele PIRATES und RAILROAD TYCOON.

Ganz unabhängig von der prinzipiellen Frage der Legitimität einer Neuauflage hat das Sierra-Team bei KING’S QUEST 1 (die Zahl ist im Gegensatz zur Originalversion dazugekommen) ganze Arbeit geleistet: Das Spiel macht einen wunderschönen Eindruck. Das Land Daventry erstrahlt in detailliert gezeichnetem Glanz, die einzelnen Orte sind liebevoll und mit Gespür für Atmosphäre gezeichnet. Überall gibt es Feinheiten zu entdecken: Vögel fliegen durch die Wälder, in den Höhlen fallen kleine Wassertropfen von der Decke, Wasserfälle fließen in die Seen, die Spielfigur spiegelt sich im Wasser des Burggrabens wieder, und der aus dem Hexenkessel aufsteigende Dampf formt sich mitunter zu einer Dämonenfratze. Die Figuren sind sauber animiert, und es macht Spaß, das Areal zu erkunden. Auch musikalisch wurde zugelegt: Hauskomponist Ken Allen schrieb verschiedene Stücke, die über die Soundkarte die Stimmung gelungen unterstützen – ein großer Schritt gegenüber dem Original, das nur gelegentlich den PC-Piepser bemühen konnte.

Spielerisch bleibt das Spiel, wie eingangs schon angedeutet, eng am Original. Das Layout des Landes ist beinahe identisch, die Puzzles bleiben gleich – mit der Ausnahme, daß das knüppelharte Ratespiel um den Namen des Gnoms etwas vereinfacht wurde und jetzt besser zum anderswo im Spiel gefundenen Hinweis paßt. Der Fundort eines Gegenstandes wurde verändert, und hier und da weicht das Design der Räume ab – so zum Beispiel die Höhle, in der der Drache haust, oder die Treppe zwischen Daventry und dem Wolkenland. Außerdem ist die Reihenfolge etwas stärker vorgegeben, in der die drei Gegenstände gefunden werden müssen – weil erst nach dem Fund der Truhe und des Spiegels ein Event eintritt, durch das der Schild aufgespürt werden kann. Alles in allem also minimale Anpassungen, die den Daventry-kundigen Spieler kaum beschäftigen dürften. (Ein frustrierter User beklagt sich auf MobyGames darüber, daß das Spiel zu weit vom Original weggeht und er den bekannten Lösungsweg nicht gehen konnte – eine bizarr anmutende Kritik angesichts der Tatsache, daß sich das Spiel wirklich fast 1:1 an das Original hält.)

Und da könnte natürlich das Problem liegen, weshalb das Remake nicht so großen Zuspruch fand: Für die Spieler, die die alte Version von KING’S QUEST schon kennen, gibt es nichts Neues zu entdecken. Man spielt die Geschichte in weniger als einer Stunde durch – eine unterhaltsame Stunde, in der man die Präsentation bewundern kann, aber darüber hinaus bietet die Neuauflage keinen weiteren Anreiz, sich länger damit zu beschäftigen. Und die Spieler, die mit der Reihe nicht vertraut sind, hielten sich seinerzeit vielleicht doch lieber an den aktuellsten Teil und warteten dann auf den später im selben Jahr erscheinenden fünften Teil der Reihe.

Sei’s drum: Als Neuauflage eines wegweisenden und einflußreichen Spiels ist die SCI-Version von KING’S QUEST durchaus gelungen und kann mit einer – für die damalige Zeit – wunderschönen Aufmachung punkten. Aus historischer Sicht bleibt natürlich das Spiel von 1984 das relevante Original, dessen Wichtigkeit das Remake nicht übertragen kann – und aus heutiger Sicht ist die Version von 1990 zwar besser gestaltet, aber immer noch reichlich angestaubt. Trotz der verhaltenen Reaktionen legte Sierra übrigens wenig später doch noch einige weitere Klassiker neu auf, darunter LEISURE SUIT LARRY, SPACE QUEST und POLICE QUEST – die seitens der Käufer trotz opulentestem Äußerem ebenso wenig Zuspruch fanden …



Die Screenshots stammen von der Webseite MobyGames.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    2 Comments

    1. Guten Abend, habe über den Spieleveteranen-Podcast hierhergefunden und fühle mich gleich wohl.
      Vor allem habe ich über diesen Post etwas neues gelernt, ich wusste bis vorhin nämlich gar nicht, dass es eine SCI-Version vom ersten KQ gibt. Ich hatte damals eine Kompilation mit KQ I-III (die AGI-Varianten) und war hin und weg, gleich drei Adventures auf einen Schlag zu bekommen. Und ich erinnere mich mit leichtem Schauder daran, als Gwydion in KQIII durchs Haus zu schleichen, wenn der Zauberer gerade schlief…sehr gut gemacht.

      Toller Beitrag und schöner Blog, ich werde öfters mal reinschauen. Und natürlich viel Erfolg mit "Brot und Spiele", bin schon sehr gespannt.

    2. Danke für den netten Kommentar! Ja, das Paket mit den ersten 3 KQ-Teilen hatte ich mir damals auch zugelegt (die "Gold Box"-Versionen). Da war jedes ein Ereignis für sich. Den damaligen Wunsch, einfach jedes Sierra-Game im Regal stehen zu haben, hege ich ja heute irgendwie immer noch …

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