Buch

[Buch] Dieter Müller & Matthias Feist: King’s Quest I-IV – Völlig aufgelöst (1990)

So. Nachdem ich alter Computerspielhase in letzter Zeit hier die Games längst vergangener Tage habe Revue passieren lassen, kommt jetzt der Moment, wo Opa vom Krieg erzählt: Nach wehmütigem Blick auf 16-Farben-EGA-Grafik in einer Auflösung von 160×200 und einstimmigem PC-Pieps-Sound erinnere ich nämlich jetzt noch kurz an eine Zeit, in der es kein (öffentlich zugängliches) Internet gab und man dementsprechend lange an einer kniffligen Spielsituation festhing.

Was konnte man tun, wenn es im Spiel nicht weiterging? Heute ist der Blick in Online-Lösungen und eigene Foren größtenteils nur eine Minutenfrage, weshalb es umso mehr wie eine Geduldsprobe anmutet, daß einem seinerzeit mitunter wochen- und monatelang nichts überblieb, als alles Mögliche und Unmögliche zu probieren – in der Hoffnung, doch noch auf die Lösung des Problems zu kommen. Die Spielezeitschriften halfen mit abgedruckten Komplettlösungen, und es war durchaus verkaufsfördernd, für knüppelharte Rollenspiele und anspruchsvolle Adventures die Lösung einen Monat vor der Konkurrenz im Heft stehen zu haben. Dementsprechend waren die Magazine – allen voran natürlich die Marktführer Power Play und ASM – mit seitenlangen Tips-und-Tricks-Rubriken bestückt, bei denen man jeden Monat erneut hoffte, daß brauchbare und aktuelle Lösungshilfen enthalten sein würden. Die ASM brachte sogar eine beständige Reihe von Sonderheften heraus, die nur aus Lösungen, Karten und anderen Spielhilfen bestanden.

Weil also der Bedarf an Komplettlösungen groß war – so ziemlich jeder Spieler steckte bei den meisten Adventures irgendwann an einer Stelle fest und war für einen Hinweis dankbar – gab es auch einen eigenen Markt dafür. Weil es zu umständlich und teuer war, die firmeneigenen Hint Books zu bestellen – auch das wäre heute per Internet kaum mehr eine Hürde! – brachten manche Firmen eigene Bücher heraus, die mit entsprechenden Lösungen gefüllt waren. Sowas gab es als Sammelband – zum Beispiel Dr. Raymond Wisemans DAS PC-SPIELEBUCH mit Tips und Lösungswegen für diverse aktuelle Spiele – und auch als auf ein bestimmtes Spiel (z.B. LEMMINGS) oder eine bestimmte Reihe zugeschnittenes Werk. Der Systhema-Verlag konnte mit einer ansprechend aufgemachten Reihe mit dem Leitthema „Völlig aufgelöst“ aufwarten, in der auch das hier besprochene Buch zu den kürzlich vorgestellten ersten vier Teilen der KING’S-QUEST-Reihe erschien.

Auch wenn die einzelnen Bücher der Reihe von unterschiedlichen Autoren geschrieben wurden – dieses hier stammt von Dieter Müller, der auch schon für den Data-Becker-Verlag das ähnlich geartete Buch DIE LARRY-STORY schrieb – war der Aufbau der mit den schönen grün und lila gehaltenen Covern leicht identifizierbaren Buchserie doch meist identisch: Die einzelnen Spiele wurden in einem Fließtext Schritt für Schritt durchgegangen, und einzelne Kapitel und Unterüberschriften halfen zur Orientierung, wenn man wirklich nur an einer ganz bestimmten Stelle festhing und dort nachschlagen wollte. Zusätzlich gab es schön große Bildschirmfotos (in Schwarzweiß) sowie die genauen Befehle, mit denen man sich dem Parser begreiflich machen konnte.

Die Lösungen – die jeweils noch mit einer Kurzauflistung der Aktionen und Eingaben bestückt waren – können hier für sich beanspruchen, daß der Spieler bei Befolgung alle möglichen Punkte im Spiel erhalten wird. Gerade die ersten drei Teile von KING’S QUEST warten nämlich einerseits mit einigen Bonuspunkten auf für bestimmte Aktionen, die zur Lösung nicht unbedingt notwendig sind (zum Beispiel der Versuch, das Lebkuchenhaus der Hexe zu essen), andererseits gibt es für einige Puzzles mehrere Lösungswege, von denen nur einer die volle Punktzahl bringt. Wer das Spiel also durchgespielt hat und nicht alle Punkte erzielen konnte, bekommt hier die Hinweise darauf, was er noch übersehen haben könnte.

Müller und sein Co-Autor Matthias Feist erzählen die Adventures in flottem und gut lesbarem Stil nach, der eigentlich immer Klarheit darüber verschafft, was vom Spieler verlangt ist. Eine Handvoll Fehler haben sich eingeschlichen, aber die sind vernachlässigbar: Der im technischen Teil angegebene Befehl zur Installation der Spiele ist falsch (das Programm für KQ1 bis KQ3 heißt INSTALLH, nicht INSTALL), aber dafür gibt es ja noch die Spielanleitung selbst – und kaum einer wird schon zum Lösungsbuch greifen, wenn er das Spiel bislang noch nicht mal installiert hat. An ein, zwei Stellen wurde leider auch der genaue Befehl vergessen, der eingegeben werden muß, aber auch das ist verzeihlich, zumal hinter den nacherzählten Lösungswegen ja auch noch die Auflistung aller Eingaben einzusehen ist.

Ein schönes Lösungsbuch also, das heute komplett anachronistisch anmutet – alle Hinweise und Karten sind problemlos im Internet zu finden – aber dennoch für Retro-Freunde und KING’S-QUEST-Fans ein schönes (und interessanterweise im Gegensatz zu anderen Lösungsbüchern derzeit gar nicht so billiges) Erinnerungsstück für die Sammlung darstellt. Der Data-Becker-Verlag brachte übrigens im selben Jahr auch ein Buch zu den vier KING’S-QUEST-Spielen heraus: DIE KING’S QUEST SAGA von Ulrike Koj. Und das sehen wir uns im nächsten Eintrag an …

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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