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[Game / PC] King’s Quest: Quest for the Crown (1984)

Diverse Kickstarter-Projekte der vergangenen Wochen und Monate lassen das Softwarehaus Sierra wieder auferstehen: Al Lowe reanimiert seinen Möchtegern-Aufreißer Larry Laffer für ein Remake von LEISURE SUIT LARRY (hier), Jane Jensen, die Designerin der GABRIEL-KNIGHT-Reihe, plant ein neues Adventure (hier), und die Two Guys from Andromeda knüpfen mit dem SPACEVENTURE an ihre legendäre SPACE-QUEST-Reihe an (hier). Daß Adventure-Fans da nicht nur die Augen feucht werden und gerne wiederholt der Spendenbeutel gefüllt wird, zeugt von der nachhaltigen Popularität von Sierra, die in den Achtzigern und Neunzigern neben den genannten Reihen auch diverse andere Adventure-Serien veröffentlichten, die (trotz gerne geäußerter Kritik seitens der Fachpresse) mit ihrer schönen Präsentation und den spannenden Geschichten viele Freunde fanden. Die Firma wurde dann 1996 verkauft, Firmenchef Ken Williams ging in den vorzeitigen Ruhestand und die beliebten Reihen lagen brach. Daß jetzt per Crowdfunding diese alten Spiele mitsamt ihren Designern reaktiviert werden – so gut es eben geht, nachdem nicht alle Rechte verfügbar sind – ist nicht nur für mich alten Sierra-Fan ein Traum, der wahr wird. Das Kickstarter-Fieber ist Anlaß genug, sich einmal wieder den klassischen Sierra-Games zu widmen.

Mit dem 1984 erstmals veröffentlichten KING’S QUEST fing sozusagen alles an – auch wenn Sierra schon zuvor einige Spiele veröffentlicht hatte, war das Spiel doch der Startschuß für das Sierra, das wir kennen, und legte den Grundbaustein für alle weiteren Reihen des Softwarehauses. Gleichzeitig war KING’S QUEST der Urvater des Grafikadventures – wo zuvor Adventures entweder als reine Textspiele oder aber als Textgames mit Bebilderung realisiert wurden, bot KING’S QUEST die erste quasi dreidimensionale Adventure-Grafikumgebung, durch die die Spielfigur selbst gesteuert werden konnte: Der Spieler kann sich mit Hilfe der Cursortasten durch statische Bilder bewegen und dabei vor oder hinter Objekte treten oder um sie herumlaufen. Kommandos wurden nach wie vor per Texteingabe gehandhabt (mit einfachen Befehlen wie „take dagger“ oder „talk to man“), die Antworten des Spiels wurden in kleinen Fenstern eingeblendet. Keine wahnsinnig aufregende Sache im Jahre 2012, aber absolute Pionierarbeit vor 28 Jahren.

Entwickelt wurde KING’S QUEST ursprünglich dank eines Deals mit IBM, die mit einem Spiel die Möglichkeiten ihres neuen IBM PCjr demonstrieren wollten. Sierra, die schon eine Reihe von Adventures programmiert hatten – darunter auch das von Kens Frau Roberta Williams 1980 designte WIZARD AND THE PRINCESS, das mit seiner Fantasystory als Vorläufer der KING’S-QUEST-Saga angesehen werden kann – entwickelte dafür ein neues Spielsystem, das den Spieler wie oben beschrieben in das Geschehen einbinden sollte: Den Adventure Game Interpreter (AGI), wie er später heißen sollte. Die Entwicklung des Spiels war ein ambitioniertes Unterfangen und verschlang eine seinerzeit gewaltige Summe von 700.000 Dollar: Sieben Programmierer arbeiteten unter Leitung von Roberta Williams 18 Monate lang vollzeit an dem Spiel – und das in einer Zeit, wo Computerspiele gerne mal von einer einzelnen Person entwickelt wurden. Der Verkauf des Spiels verlief erst schleppend – aus dem einfachen Grund, daß selbiges auf den PCjr zutraf – aber als Sierra dann Versionen für den normalen PC sowie für den Tandy 1000 nachlieferte, zahlte sich das finanzielle Risiko aus: Das Spiel wurde zum Bestseller, zog diverse Fortsetzungen und Neuauflagen nach sich – sogar drei Fantasy-Romane sponnen die Geschichte der Reihe weiter! – und erlaubte es der ohnehin schon erfolgreichen Firma Sierra, zu Giganten auf dem Adventure-Markt zu werden.

Die Geschichte von KING’S QUEST (das erst in einer Neuauflage 1987 den vollständigen Titel KING’S QUEST: QUEST FOR THE CROWN erhalten sollte) ist dabei relativ einfach: Im Königreich von Daventry sind dem gütigen Herrscher König Edward durch List und Tücke drei magische Gegenstände abhanden gekommen: Ein magischer Spiegel, der die Zukunft voraussagen kann, ein magischer Schild, der vor Angriffen schützt, sowie eine magische Truhe, die stets mit Schätzen gefüllt ist. Edward, der als alter Witwer keine Nachkommen hat, schickt seinen treuen Ritter Sir Graham auf die Suche nach diesen Gegenständen und verspricht ihm im Falle der erfolgreichen Rückbeschaffung den Thron. Und so macht sich der Spieler als Sir Graham auf, um Daventry zu erkunden und die magischen Artefakte zu finden.

 

Nun ist das Besondere an KING’S QUEST aber nicht die knappe Background-Story (die im Originalrelease von 1984 noch kürzer war als in der Neuauflage von 1987), sondern die Tatsache, daß Designerin Roberta Williams ihre Welt und die damit verbundenen Puzzles in Anlehnung an die Mythen-, Märchen- und Sagenwelt aufbaut. Da wird einem Riesen mit einer Steinschleuder der Garaus gemacht, eine Hexe in einem Lebkuchenhaus schnappt sich unvorsichtige Abenteurer und ein Gnom stellt ein Rätsel, bei dem man seinen Namen erraten muß. Die Rätsel und Geschehnisse halten sich dabei nicht sklavisch an die bekannten Vorlagen – es muß kein Pfad aus Brotkrumen gelegt werden, um vom Hexenhaus aus wieder zurückzufinden – aber eine Kenntnis dieser Geschichten und Motive hilft durchaus, im Spiel zügig und schlüssig voranzukommen. Obwohl man natürlich auch als Märchen-Unerfahrener magische Samen im Zweifelsfalle einfach mal aussäen und an der daraus wachsenden Bohnenranke in den Himmel klettern würde …

Ein nettes Feature ist dabei, daß es für manche Probleme mehrere Lösungswege gibt, von denen manche mehr Punkte wert sind als andere – und daß es Bonuspunkte zu holen gibt, die für die Lösung des Spiels nicht dringend gebraucht werden. So gibt das Spiel zum Beispiel Punkte dafür, wenn man auf die Idee kommt, am Lebkuchenhaus zu knabbern („eat house“), auch wenn das sonst keine Auswirkungen hat. Und für diverse der biestigeren Puzzles gibt es leichtere Wege, die aber dafür entweder weniger Punkte oder sogar Punktabzug geben. Ebenfalls schön: Die Reihenfolge, in der die drei magischen Gegenstände gefunden werden, ist nicht vorgegeben, da das Land größtenteils frei durchschritten werden kann und man somit immer da weitermachen kann, wo einem gerade ein Geistesblitz kommt.

Nun müssen – vor allem aus der Perspektive des Jahres 2012 heraus – aber auch ein paar kritische Worte gesprochen werden, da KING’S QUEST nicht gar so gut gealtert ist wie manch andere Spiele dieser schönen Computerspielzeit. Daß die Grafik heutzutage eher grob und die Animationen irgendwo zwischen niedlich und hilflos rangieren, ist freilich zu erwarten und täte der Freude nicht so viel Abbruch. Problematischer ist, daß das Spieldesign heute etwas antiquiert wirkt, weil so ziemlich jedes später erschienene Adventure diese Grundlage verbessert hat: In den meisten Bildschirmen des Spielareals gibt es exakt eine Sache zu tun bzw. ein Rätsel zu lösen – abgesehen von manchen Orten, an denen schlichtweg gar nichts Sinnvolles gemacht werden kann. Die besagten Rätsel rangieren dabei zwischen ganz banalen Item-Aufgaben (man findet versteckte Gegenstände im Bild) und etwas schwereren Kombinationsaufgaben, die aber auch zum Großteil (gerade mit Kenntnis der zugrundeliegenden Märchen) flott gelöst werden können. Mit ein paar Ausnahmen: Das Lösung der angesprochenen Namensfindung ist so vage angedeutet (und mit bloßem Märchen-Wissen alleine nicht machbar), daß das Puzzle in späteren Versionen des Spiels vereinfacht wurde.

Eine eher biestige Eigenschaft des Spiels ist die – seinerzeit in sehr vielen Adventures verbreitete – Tatsache, daß es Sackgassen gibt, bei denen ein Weiterkommen unmöglich ist und ein alter Spielstand geladen werden muß, um diese Sackgassen zu verhindern. Das liegt meistens daran, daß irgendein Gegenstand zu einem Zeitpunkt nicht mitgenommen wurde, der dann in einer späteren Situation benötigt wird und nicht mehr besorgt werden kann – sei es, weil der Gegenstand nur einmal verfügbar war, oder weil man dann nicht mehr zu diesem Areal zurückkehren kann. Auch KING’S QUEST – in dem der Spieler sowieso gut daran tut, oft abzuspeichern, weil Sir Graham gerne mal ein kurzes Leben beschieden ist – kann mit einigen solchen Momenten aufwarten, wo es dann passieren kann, daß man einige Strecken des Spiels nach dem Laden des alten Savegames nochmal durchspielen muß. Fairerweise darf gesagt werden, daß diese Sackgassen in anderen Spielen noch weit exzessiver eingebaut wurden.

Und noch eine Unart der Sierra-Adventures findet gleich hier seinen Beginn: Die nervtötende Geschicklichkeitssequenz, in der die Spielfigur penibelst genau durch ein tödliches Gelände gesteuert werden muß. In KING’S QUEST ist es das Klettern an der schon erwähnten Bohnenstange, die über mehrere Bildschirme hinweg pixelgenau erfolgen muß, weil der Spieler sonst in den Tod stürzt. Es muß Adventure-Spieler geben, die diese Aufgaben als spannend und spielenswert empfunden haben, sonst wären diese Zwischenspielchen wohl nicht in so vielen weiteren Sierra-Games in den unterschiedlichsten Varianten wieder aufgetaucht …

Aber gut: Als Urgroßvater des Genres darf sich KING’S QUEST einige Holprigkeiten erlauben und hat trotzdem seinen Platz im Pantheon der Computerspiele mehr als verdient. Und mit Abstrichen ist das Game auch heute noch ein durchaus lohnenswertes Erlebnis, wenn man klassische Adventures mag: Die Antihelden der anderen Sierra-Reihen (LEISURE SUIT LARRY, SPACE QUEST) mögen im Vergleich spannendere Charaktere sein, aber Roberta Williams Spiel mit den Märchen- und Sagenmotiven hat immer noch seinen ganz eigenen Reiz und leise augenzwinkernden Witz.



Die Screenshots stammen von der Seite www.mobygames.com.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

    1 Comment

    1. Ich wurde wohl zu spät geboren…

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