Das Gesetz der Fortsetzung gilt nicht nur in Hollywood: Auch im Computerbereich folgt einem erfolgreichen Spiel gerne flott eine Fortsetzung. Nichts dagegen einzuwenden, solange die Geschichten stimmen: Gerade im Adventure-Bereich bietet es sich ja an, die erschaffenen Welten weiter auszubauen und die Helden auf neue Abenteuer zu schicken, die die bisherigen Erzählfäden weiterspinnen. Der Erfolg von Sierras Adventure-Game KING’S QUEST stellte sicher, daß nur ein Jahr später ein Sequel publiziert wurde, in dem wir uns einmal mehr mit Sir Graham (dank der Geschehnisse in KQ1 zum König avanciert) auf die Reise begeben. Es sei gleich zu Beginn verraten: KING’S QUEST II: ROMANCING THE THRONE übernimmt die Stärken des Vorgängers ebenso wie größtenteils die Schwächen.
Nachdem Graham am Ende vom ersten Teil den Thron von König Edward erbte, ist wieder Friede und Wohlstand ins Land Daventry eingekehrt. Somit hat König Graham also nun ausreichend Zeit, sich um eine Königin zu bemühen – um dann auch langfristig gesehen die Frage der Thronnachfolge klären zu können. Er lädt Frauen von nah und fern zu sich ins Schloß, aber keine von ihnen entzückt sein Herz – bis er im magischen Spiegel (eines der Artefakte, die wir im Vorgänger wiederbeschafft haben) die schöne Valanice sieht, die von der Hexe Hagatha gefangengehalten wird. Graham entflammt sogleich für die ihm gezeigte Maid und macht sich auf ins ferne Land Kolyma, um seine zukünftige Königin zu retten.
Und das geschieht wieder mit demselben Spielsystem wie bei Teil 1: Man steuert die Figur mit den Cursortasten durch die einzelnen Bilder und tippt kurze Befehle, die der Parser dann hoffentlich versteht („look around“, „take basket“). Die Grafiken sind auf demselben Niveau wie beim Vorgänger – will heißen: blockige 16-Farben-Screens, die ein wenig angestaubt wirken, aber durchaus liebevoll und mit Charme gezeichnet sind.
Einmal mehr kann das großflächige Areal relativ frei erkundet werden, wobei auch in diesem Teil gilt, daß es in den meisten Screens exakt einen Gegenstand zu finden oder eine Aktion zu erledigen gibt. Neu ist diesmal, daß sich gewisse Ereignisse erst abspielen, wenn man bestimmte Informationen erhalten oder diverse Rätsel gelöst hat – somit kann es sich lohnen, die Gegend hier und da mehrfach zu erkunden. So wie es im Erstling drei Gegenstände zu finden galt, müssen hier drei Schlüssel gesucht werden, die drei magische Türen öffnen, durch die man dann in die fremde Dimension kommt, in der Valanice gefangengehalten wird. Weil die Türen hintereinander stehen, ist das Spiel diesmal etwas linearer ausgefallen als noch der Vorgänger, weil dadurch vorgegeben ist, welche Puzzles zuerst gelöst werden müssen.
Eine richtige Story hat Designerin Roberta Williams somit auch diesmal nicht geschrieben, aber dafür baut sie ihre aus Märchen-, Fantasy- und Sagengestalten zusammengesetzte Welt mit Witz und Kreativität weiter aus. Es gibt eine Meerjungfrau und ein Seepferd, das einen zu König Neptun bringt; man trifft auf Rotkäppchen und den bösen Wolf im Haus der Großmutter; man findet eine Wunderlampe und einen fliegenden Teppich; und man besucht ein von einem Vampir bewohntes gruseliges Schloß. Wer in diesen Motiven bewandert ist, wird bei den meisten Puzzles wissen oder ahnen, was zu tun ist (was macht man wohl mit einer Wunderlampe, wie schützt man sich wohl vor einem Vampir?); weil die Puzzles sich großteils aus dem Finden und Einsetzen von Gegenständen zusammensetzen, ist das Spiel so oder so eher als milde knifflig anzusehen und nicht als komplexes Schwergewicht. Das hängt natürlich auch mit Speicherplatzgrenzen zusammen, die manche Einfälle von Williams eingeschränkt haben. So bezeichnet sie selbst sowohl KQ1 wie auch KQ2 als „treasure hunts with lots of simple goals […] and fun puzzles to add to the challenge“.
Auch in KING’S QUEST II ist ständiges Speichern oberste Pflicht, weil Graham auch hier tausend Tode stirbt. Das bedeutet aber gleichzeitig, daß man ins Spielgeschehen hineingezogen wird: Der Besuch im Vampirschloß ist trotz der doch schon sehr veralteten Technik eine immens spannende Angelegenheit, weil man um das Wohlergehen seines Helden bangt und so überraschend tief in die Fantasy-Welt eintaucht. Freilich gibt es auch wieder einige Stellen, wo man einen Gegenstand dabei haben muß und aber nicht mehr zurückgehen kann, um ihn zu holen – aber wie schon beim Erstling halten sich diese Probleme in Grenzen und können durch gewissenhaftes Erkunden klar umschifft werden.
Ein Element aus dem ersten Teil wurde übrigens nicht übernommen – beziehungsweise nicht so richtig: Die vermaledeite Geschicklichkeitssequenz. Wo man in KQ1 noch am Rande des Nervenzusammenbruchs pixelgenau eine Bohnenranke hinaufklettern durfte, verkneift sich KQ2 diese nervtötenden Szenen und bietet nur ein paar Treppen, bei denen bei allzu ungenauem Schritt der Sturz in den Tod droht. Man könnte dazu neigen, Williams und ihrem Team dafür dankbar auf die Schultern zu klopfen – wenn nicht das ein Jahr später erschienene KING’S QUEST III wieder neue Kletterabenteuer für nervenstarke Abenteurer in Petto hätte …
Nüchtern betrachtet bietet KING’S QUEST II sozusagen mehr desselben – es ist eine neue Geschichte um Graham, an der vieles an den Vorgänger erinnert. Aber auch wenn in diesem Text so oft der Vergleich zum Erstling gezogen wird, kann das Spiel doch als ebenso schöner Adventureklassiker wie der erste Teil angesehen werden – eine spannende Reise in eine Phantasiewelt, die mit genug Augenzwinkern erstellt wurde, daß die Hexe Hagatha auch schon mal mit dem Batmobil aus ihrer Höhle gefahren kommt.
Die Screenshots stammen von der Website www.mobygames.com.
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