Für die Uneingeweihten hier flott die Handlung der vorigen beiden TRANSFORMERS-Filme: Gute und böse Roboter schlagen im ewigen Kampf die halbe Erde zu Schrott. Die Handlung des dritten Teils knüpft direkt an die Vorgänger an: Sie sind noch nicht fertig damit!
Halten wir an dieser Stelle noch einmal den grundlegenden Ansatz fest, nach der man die TRANSFORMERS-Reihe einordnen sollte: Wenn ein Film auf einem Kinderspielzeug basiert – und zwar einem, wo sich Roboter in Autos und Flugzeuge und andere Transportvehikel verwandeln – dann hat die Filmversion das intrinsische Recht, hauptsächlich Kindsköpfe jeglichen Alters anzusprechen und auch von einem ebensolchen inszeniert zu werden. Und nein, Michael Bay ist kein Kind im Sinne von Steven Spielberg, der sich den staunend-neugierigen Blick bewahrt hat – er ist der ungezogene Fratz, der umso mehr Spaß hat, je lauter und wüster es zugeht, der alles ohne Maß haben will, und der am meisten Spaß mit seinen Spielsachen hat, wenn er sie mit dicken China-Böllern in die Luft jagen kann.
So ist auch DARK OF THE MOON – so der Untertitel der amerikanischen Version – gleichzeitig ein hohles Stück Blech und ein herrlich überdrehtes Stück Popcornbrillanz, und das natürlich stets beides gleichzeitig über synapsenreizende, dezibelsprengende zweieinhalb Stunden Laufzeit. Freilich ist der Streifen viel zu lang – wie auch schon die vorigen beiden: Kein Film über sich prügelnde Roboter braucht epische 150 Minuten Erzählzeit. Aber das Zuviel-von-allem-und-dann-bitte-noch-mehr-obendrauf-Prinzip ist letztlich ein wesentlicher Bestandteil der TRANSFORMERS-Reihe, die ihre unterhaltsamen Höhenflüge allein deswegen erreicht, weil sie sich zu keinem Zeitpunkt einer Beschränkung unterwirft.
Schon der Beginn deutet im Handumdrehen die Weltgeschichte um, als wäre sie die Comicstrip-Vorlage für einen Superheldenfilm: Weil ein Schiff der Transformers, genannt „Die Arche“, 1969 auf den Mond kracht, ruft Präsident Kennedy flugs das Wettrennen um den Start ins All aus – und es ist alleine schon wunderbar, wie unbekümmert hier echte Archivaufnahmen von Kennedys Beratern mit neuer Synchronisation versehen werden. Dann sehen wir Neil Armstrong auf dem Mond herumspringen, wo er mit seinen Kollegen in einem Zeitfenster ohne Funkkontakt das Alienraumschiff inspiziert – und nur wenige Schnitte später von Präsident Nixon für seinen Einsatz für Amerika medial gelobt wird.
In der Jetztzeit erfahren die wenigen auf der Erde lebenden Autobots von dieser geheimen Mission – die braven Roboter vom Planeten Cybertron, die zu Autos und Lastwägen verwandelt quasi nach Asimovschen Gesetzen der Menschheit bei Konfliktsituationen helfen und bei einem Spezialeinsatz in Tschernobyl Säulen aus der „Arche“ finden. Daß diese unter uns lebenden gigantischen Blechgesellen immer noch von der amerikanischen Regierung als Geheimprojekt unterhalten werden können, ruft angesichts der massiven Zerstörungen in den vorangegangenen Filmen großen Respekt vor den Fähigkeiten der entsprechenden Organisationen hervor – aber vielleicht hat die ägyptische Regierung sich ja auch nie gewundert, warum und von wem ihre Pyramiden derart demoliert wurden. Die Autobots starten also zum Mond, um aus dem Raumschiffwrack den darin befindlichen Ur-Bot Sentinel Prime zu bergen und per Leuchtkristall wiederzubeleben.
Während all dieser Geschehnisse kämpft Sam, der Held der Vorgängerfilme, mit seinem eigenen kleinen Kriegsblues: Zweimal die Welt gerettet, von Präsident Obama mit Medaille versehen, und jetzt keine wahre Aufgabe mehr und auch keinen spannenden Job in Aussicht. Extrem mitfühlen können wir mit ihm nicht, wird er doch gleich zu Beginn von Victoria’s-Secret-Model Rosie Huntington-Whiteley geweckt, die in einer Einstellung eingeführt wird, bei der das 3D-Kino endlich seine Bestimmung gefunden hat: Zu sehen sind die nackten Beine und der nur knappst bekleidete Po, und alles zusammen marschiert die Treppe herauf, bis die Kamera dann zurückgehen und das blonde Supermodel komplett begaffen darf – das übrigens einen ausgestopften Hasen in der Hand hält und verkündet: „This is your new lucky bunny.“ Sams neuer Bunny löst nämlich die dunkelhaarige und nicht minder als Pin-Up-Traum abphotographierte Megan Fox aus den vorigen Filmen ab, die nach einem Interview, in der sie Michael Bay mit Adolf Hitler verglich, bei Michael die Einsicht anregte, daß es schöne Frauen wie Sand am Meer gibt und er sich lieber ein gefügigeres Häschen für Teil 3 suchen sollte.
Sam heuert also in der Postabteilung einer Firma an, dessen Chef von John Malkovich gespielt wird – vermutlich aus keinem anderen Grund als dem, daß man mit der Anwesenheit von Malkovich ein wenig angeben kann. Dort kriegt er von einem fast aufdringlich albernen Asiaten (Ken Jeong) einen Satz Pläne in die Hand gedrückt, weil der Sams Photo von einer Verschwörungswebsite kennt. Nur wenige Augenblicke später verwandelt sich Jeongs Monitor in eine Art Geier-Roboter, der den freundlichen Asiaten aus dem Fenster befördert – was bei der Höhe des Gebäudes den angenehmen Nebeneffekt hat, daß Jeong ab sofort nicht mehr in der weiteren Geschichte teilnehmen wird, und Malkovich zu dem Satz anregt: „Zurück zur Arbeit! Davon, daß ihr aus dem Fenster guckt, steht er auch nicht wieder auf.“
Sam hetzt mitsamt Trophäenfreundin hochalarmisiert zu einem Warenhaus, in der die geheime Regierungs-Roboter-Einheit unter Leitung von Frances McDormand untergebracht ist, die aber Sams Hilfe schroff abweist, während im Hintergrund Astronaut Buzz Aldrin (der echte!) die respektvolle Bekanntschaft mit Autobot Optimus Prime machen darf – als „fellow space traveller“. Der wiederbelebte Sentinel Prime – sozusagen das Vorgängermodell von Optimus – warnt unterdessen, daß die gefundenen Säulen dafür verwendet werden können, daß die finsteren Decepticons – jaja, die bösen Bots – ihre komplette Armee reaktivieren und auf die Erde holen können. Nach einigem Hickhack geschieht auch genau das, und die zahllosen Blechburschen nehmen die Erde in Beschlag – ganz vorn dabei auch der Dauerschurke Megatron, der schon in beiden Vorgängerfilmen eins auf die Zwölf gekriegt hat und hier mit dementsprechend demoliertem Kopf agiert. In einem Anfall von Symbolik schlägt Megatron der Lincoln-Statue in Washington den Kopf ab, bevor er sich selbst auf den steinernen Sessel hockt.
Nutzen wir die Gelegenheit doch kurz, um über Sentinel Prime zu reden, der von Leonard Nimoy gesprochen wird und exakt so aussieht. Der alte Roboter knurrt reaktionäre Parolen über das Überleben der Roboterrasse und darf an einer Stelle sogar sagen: „Das Wohl vieler wiegt schwerer als das Wohl eines Einzelnen.“ Als wären die Worte aus dem Munde Nimoys noch nicht genug Glücksfutter für die einschlägig aufgeklärten Fans, darf auch einer der Mini-Autobots im Fernsehen eine alte Folge RAUMSCHIFF ENTERPRISE ansehen und abwinken: „Das ist die Folge, wo Spock durchdreht.“ Prompt macht der Spockbot auch exakt das: Er hat nämlich einen geheimen Deal mit den Decepticons abgeschlossen und verrät seine Autobot-Freunde.
Was folgt, ist die ausufernste Zerstörungsorgie, die seit langer Zeit ein Kino von innen besucht hat. Die Aliens fallen über Chicago her – das wird mit ein paar flotten Schnitten erzählt – und bereiten von dort aus die Invasion der gesamten Erde vor, und es liegt an Sam und seinen menschlichen wie blechernen Freunden, das Ganze zu stoppen. Die große Finalschlacht fängt knapp nach der Anderthalb-Stunden-Marke an und dauert dann beinahe eine komplette Stunde – eine atemlose, gigantomanische, mit Tonnen und noch mehr Tonnen von Spezialeffekten und Explosionen und Geschossen und großflächigem Radau vollgepropfte Stunde, in der so permanent und beständig und unnachgiebig der Demolierung gefrönt wird, daß man geneigt ist, sich in Anerkennung vor dieser inszenatorischen tour de force aus dem Kinosessel für eine Standing Ovation zu erheben.
Und auch wenn diese Zusammenfassung dieser Großschlacht, von deren Krawall ein anderes Studio ganze fünf Jahre seine gesamte Blockbuster-Palette tragen könnte, sich übertrieben und unendlich ermüdend liest: Es ist eine absolute Meisterleistung. Maßlos, natürlich, und viel zu lang, ganz klar, aber doch so kreativ konzipiert und aufregend realisiert, daß man vor so viel – ja, so viel was eigentlich? So viel VIEL! – nurmehr staunen kann. In einer längeren Sequenz laufen Sam und seine Freunde in einen Wolkenkratzer, um von der erhöhten Position heraus die Teleportersäule abschießen zu können, aber dann wird das Gebäude von einem schlangenähnlichen Roboter namens Shockwave buchstäblich auseinandergenommen – und auch wenn die Szene uns handlungsmäßig kaum weiterbringt, ist das in der Mitte auseinanderbrechende Hochhaus mit den darin befindlichen Personen einfach ein so mitreißendes Spektakel, daß man kaum darüber nachdenkt.
So könnte TRANSFORMERS 3 tatsächlich der gelungenste aus der Reihe sein: Part 1 punktete bei allem Bombast mit der zugrundeliegenden Geschichte um einen Jungen und sein erstes Auto; Part 2 war so überdreht und bizarr, daß er hochvergnüglich, aber gleichzeitig auch sagenhaft dämlich war. Nun wollen wir mal nicht behaupten, daß TF3 letzteres nicht auch wäre – was sonst sollte ein Zweieinhalb-Stunden-Epos sein, in dem Roboter aus dem All die Erde demolieren und unser Held der US-Armee in all den Schlachten nicht ein einziges Mal einen Helm aufsetzt? – aber er ist ebenso ein aufregendes, involvierendes Spektakel, das noch dazu größtes Vergnügen beim Umdichten unserer Geschichte hat.
Und noch einen wichtigen Punkt sollten wir machen: Michael Bays Inszenierung. Daß Bay gerne als „schlechter Regisseur“ wahrgenommen wird, liegt natürlich daran, daß er mit Vorliebe großen Radau ohne weiteren Tiefgang auf die Leinwand bringt. Bei genauer Betrachtung zeigt sich seine Regie aber als absolut gekonnte, einfallsreiche sowie technisch hochausgefeilte Inszenierung, die eben im Rahmen des Krawallkinos stattfindet: Gerade im Vergleich zu anderen Hochfrequenzschnitt-Reißern und 3Desorientierungs-Spektakeln zeigt TRANSFORMERS 3, wie klar Bays Arbeit konzipiert und durchgeführt ist – im Gegensatz zu willkürlich plazierten Effektspektakeln wie ZORN DER TITANEN oder raumtiefenlosen 3D-Effekten wie bei UNDERWORLD: AWAKENING oder FLUCH DER KARIBIK 4 ist bei Bays Bots jede Handlung klar im Raum definiert; die Schnitte mögen schnell sein, aber sie erzählen exakt den Fortlauf einer Aktion, und die 3D-Bilder zeigen, daß die einzelnen Objekte im größeren Kontext durchaus im Raum arrangiert sind und nicht einfach nur für jedes Bild nach vorne oder hinten geschoben werden. Daß Bays Stil von Kritikern dahingehend beschimpft wird, daß er „visuell keinen Sinn“ ergibt oder nichts klar im Raum plaziert sei, beruht schlichtweg auf einem Vorurteil.
Und weil TF3 erwartungsgemäß einen Duckschen Geldspeicher voll Taler eingespielt hat, plant das Studio auch schon Teil 4. Ja, Michael Bay wird es wieder krachen lassen. Vielleicht hat er das Gefühl, daß er sich diesmal noch zu sehr zurückhalten mußte.
Transformers 3 (USA 2011)
Originaltitel: Transformers: Dark of the Moon
Regie: Michael Bay
Buch: Ehren Kruger
Darsteller: Shia LaBeouf, Rosie Huntington-Whiteley, Frances McDormand, John Turturro, John Malkovich, Josh Duhamel, Tyrese Gibson