Eine Gruppe von langjährigen Freunden, ihre Beziehungsprobleme und die Beobachtungen darüber, wie sich Freundschaften über die Jahre verändern: Es klingt nach einer etwas wehleidigen Buchversion des Films DER GROSSE FRUST, dessen Grundprämisse – eine Reihe von Charakteren in ihren Dreißigern erinnert sich an die guten alten Zeiten und gleicht die damaligen Vorstellungen mit der heutigen Realität ab – ja immer wieder gerne erzählt wird, für jede Generation, für jede mögliche neue Figurenkonstellation. Aber Mike Gayles achter Roman aus dem Jahr 2008 fühlt sich ganz anders an als die im Damals eingefrorenen Krisenmenschen von Kasdans Geschichte – er erzählt mit viel Witz und souveräner Konstruktion eine bittersüße Ensemblegeschichte über die mit der Liebe verbundenen Hoffnungen und Enttäuschungen.
LIFE AND SOUL OF THE PARTY dreht sich prinzipiell mal um drei Paare – obwohl deren Beziehungsgeschichten kompliziert genug sind, daß man noch einige weitere Paare hinzurechnen müßte. Da gibt es Melissa, die zwar mit Billy zusammen ist, aber ihrem Exfreund Paul hinterhertrauert – obwohl der sie schon längst abserviert hat und jetzt mit der viel jüngeren Hannah zusammenlebt. Dann sind da die seit 10 Jahren verheirateten Chris und Vicky, die zusammen ein Kind haben und zufrieden in ihre Zukunft schauen – bis Chris eine Affäre mit Polly anfängt, der Freundin seines Freundes Tony. Das dritte Paar sind Cooper – der Bruder von Chris – und Laura: Cooper plant Hochzeit und Hauskauf, während Laura das Gefühl nicht loswird, noch einmal frei sein und um die Welt reisen zu wollen.
Die Geschichte dieser Personen (und derer, die sonst in ihrem Beziehungsgeflecht verstrickt sind) wird anhand von einigen Parties aufgezogen, bei denen alle zusammentreffen und wir über ihre Erzählungen erfahren, was in der Zwischenzeit passiert ist. Das Buch beginnt mit der Hauseinweihungsparty von Melissa und Billy, wo Melissa einen Anruf kriegt, daß Paul bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist, und springt dann ein knappes Jahr zurück zu einer Neujahresfeier, wo Paul ihr gerade erklärt, daß er sie doch noch liebt und mit ihr zusammen sein will. Erzählt werden die Figuren abwechselnd aus der Ich-Perspektive: Einige Seiten lang erzählt Melissa, danach wechselt die Erzählung zu Vicky, dann zu Billy, danach zurück zu Melissa – und so baut sich nach und nach ein Bild der verschiedenen Beziehungen zusammen, bis dann die Party vorbei ist und wir einen Monat nach vorne springen, zur nächsten Feier. Neben den genannten Figuren blicken wir für einige Abschnitte ebenso in die Köpfe von Chris, Hannah und Cooper.
Das mag kompliziert und mühsam klingen, aber die leichte erzählerische Hand von Gayle zeigt sich daran, daß es in der Tat schon nach ein paar Seiten Eingewöhnung absolut einfach und auch spannend ist, dem Geschehen zu folgen. Und das nicht nur trotz der springenden Erzählperspektiven, sondern auch trotz nicht immer im Hier und Jetzt angesiedelter Geschichten: Mitunter besteht der Part einer Figur hauptsächlich darin, sich für einige Seiten lang an etwas zu erinnern, das früher passiert ist, und das für uns so ein anderes Licht auf die Gegenwart wirft. Die Konstruktion ist dabei nie erzwungen oder anstrengend, sondern erlaubt es uns im Gegenteil, alle Figuren besser kennenzulernen, ihre Gründe und Bedürfnisse besser zu verstehen – und manchmal sogar, einen Moment aus zwei Blickwinkeln zu betrachten, wenn etwa in einem Gespräch zwischen Melissa und Chris zunächst erstere und dann plötzlich letzterer der Erzähler ist und wir sowohl verstehen, warum Melissa vor den Kopf gestoßen ist, als auch mitbekommen, daß Chris das gar nicht wollte.
Nach nur kurzer Zeit puzzelt sich so also nicht nur ein komplexes Bild der Beziehungen ab, die die Figuren untereinander haben, sondern die einzelnen Charaktere werden einem auch sehr vertraut und man nimmt Anteil an ihren Geschichten. Und auch hier erzählt Gayle absolut souverän: Wo die Geschehnisse in der Zusammenfassung eine klischéehafte Seifenoper suggerieren, sind die Liebesprobleme der Figuren in Wahrheit scharf beobachtete und perfekt eingefangene Episoden aus dem Leben. Da ist manches witzig, einiges tragisch, und vieles irgendwo dazwischen, und es ist stets so eingefangen, daß sich ein Wiedererkennungseffekt einstellt. Und auch wenn Gayle ein Romantiker ist, der seine Figuren gerne an die große Liebe glauben läßt: Er macht es ihnen nie einfach und konzentriert sich hauptsächlich auf die Enttäuschungen, die die unerwiderte Liebe mit sich bringt.
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