Mit dem Erfolg der James-Bond-Reihe tauchten Mitte der Sechziger plötzlich eine ganze Reihe von kleineren Agentenfilmen auf, die von Ian Flemings Held mehr als deutlich inspiriert waren. Auch wenn viele der Produktionen italienischer Herkunft waren – wo man ja mit dem Aufgreifen erfolgreicher US-Trends über viele Jahrzehnte hinweg selten zimperlich war – waren die meisten dieser Filme doch europäische Ko-Produktionen mit Ländern wie Deutschland, Frankreich, Spanien, Österreich und sogar Jugoslawien.
Die Einordnung von VOLLMACHT FÜR JACK CLIFTON ist ein wenig kompliziert, obwohl sie für das Verständnis des Films keinesfalls benötigt wird. Es ist der zweite Film aus einer von Sergio Grieco unter dem Namen „Terence Hathaway“ inszenierten dreiteiligen Reihe rund um den Agenten 077 (!) – der erste war JACK CLIFTON – MISSION BLOODY MARY (1965), der dritte dann IM NETZ DER GOLDENEN SPINNE (1966), bei dem Alberto De Martino Co-Regie führte. Nun kam allerdings in Deutschland der erste Teil erst nach dem zweiten heraus (VOLLMACHT FÜR JACK CLIFTON am 22.10.1965, MISSION BLOODY MARY dann nur einen Monat später am 26.11.1965), und freilich wird die Angelegenheit keinesfalls dadurch vereinfacht, daß schon im Jänner 1965 bei uns ein Film mit dem Titel JACK CLIFTON JAGT WOSTOK III herauskam – ebenfalls mit Ken Clark, aber im Original eigentlich ein Film rund um den Agenten Francis Coplan (Originaltitel: COPLAN, AGENT SECRET FX 18). Und nachdem wir herausgefiltert haben, daß dieser Film nur dank des deutschen Verleihs zu dieser Serie zu zählen scheint, können wir auch noch darauf hinweisen, daß Agent 077 in den Originalfilmen keinesfalls Jack Clifton, sondern vielmehr Dick Malloy heißt.
Aber all die cineastische Verwirrung ist egal, handelt es sich doch bei VOLLMACHT FÜR JACK CLIFTON (bzw. im Original AGENTE 077 DALL’ORIENTE CON FURORE bzw. im Englischen FROM THE ORIENT WITH FURY – die Bond-Verwandschaft wird also schon im Titel überdeutlich gemacht) um ein ganz eigenständiges und charmant altmodisches Agentenabenteuer, bei dem es prinzipiell egal ist, ob der Held Clifton, Malloy, Bond oder Mützenhuber heißt. Der Plot dreht sich um eine Superwaffe, die mittels Betastrahlen Gegenstände desintegrieren – sprich: wegpulvern – kann. Eine Bande von Schurken kidnappt den Erfinder der Waffe und arbeitet daran, ihn zum tatsächlichen Bau des Geräts zu motivieren. Agent Clifton bzw. Malloy wird also auf den Plan gerufen, den schändlichen Missetaten der Organisation Einhalt zu gebieten.
„Er ist gerade im Urlaub“, heißt es soeben noch im Hinblick auf Clifton, und nach kurzem Schnitt sehen wir den guten Mann diverse Rabauken in einer Bar verkloppen – wobei er nebenher noch Zeit hat, seine blonde Begleiterin zu küssen und telefonisch den Einsatzbefehl seines Chefs entegegenzunehmen. Das vergnügliche Augenzwinkern, mit dem Clifton eingeführt wird, setzt sich dann auch im weiteren Film fort, wo der Superagent eine Reihe von wunderbaren Gadgets einsetzt, unter denen sich nicht nur ein mit Maschinenpistolen in den Rücklichtern bestücktes Auto befindet, sondern auch ein Hosenträger mit Morsesender, eine (rauchbare!) Zigarre mit eingebautem Dietrich, sowie ein Gürtel mit versteckter (aber eher auffällig zu bedienender) Kamera – die kurze Zeit später sogar einen kleinen entwickelten Photostreifen ausspuckt!
Natürlich gehören zu jedem vernünftigen Bond-Film – beziehungsweise: zu jedem, der so einem nacheifert – diverse fesche Frauen, und auch hier kann der Agent seinem britischen Kollegen das Wasser reichen: Er trifft im Laufe des Films auf Margaret Lee (ebenso Agentin, die zur Tarnung seine Ehefrau spielen darf), Fabienne Dali (die Gespielin des Bösen, der er ein paar schallende Ohrfeigen verpaßt, nachdem sie versucht hat, ihn mit einem Giftpfeil aus einem Zigarettenetui zu töten), die nachnamenlose Michaela (bzw. Mikaela, die als Zwischendurch-Eroberung in das Abenteuer verwickelt wird), sowie die blonde Evi Marandi (die Tochter des entführten Professors) – und mit letzterer flirtet er wahrscheinlich nur deswegen nicht, weil sie mit einem Mann namens Boris Molotov (!) liiert ist.
Die Action – diverse Schlägereien, einige Schießereien und ein paar Verfolgungsjagden – ist für das geringe Budget sauber und temporeich gestaltet, die Handlung hat dagegen einen fast reizvoll beiläufigen Charakter – nicht nur, weil die entsprechenden Szenen recht schnörkellos inszeniert sind, sondern auch, weil Ken Clark als Clifton schlichtweg immer die Ruhe weg hat. Weil der Mann so souverän mit allen Angriffen umgeht, kann man natürlich nicht unbedingt behaupten, der Film sei spannend – und zugegebenermaßen hätten ein wenig Straffung sowie ein etwas abwechslungsreicherer Soundtrack (der von Piero Piccioni zwar lässig komponiert ist, aber einfach viel zu oft wiederholt wird) dem Film doch noch etwas auf die Sprünge geholfen. Daß die Kämpfe immer mit denselben paar Helfern des Bösen ausgefochten werden, trägt dagegen schon wieder zum Charme des Unterfangens bei.
Diese Abstriche nehmen dem Film aber nicht wirklich etwas weg – die Angelegenheit bleibt ein vergnügliches Abenteuer für Agentenfreunde, die mit gemächlichem Tempo umgehen können. Und freilich lohnt sich das Ansehen alleine schon für den Endkampf, wo der bis dahin immer unterkühlte Oberbösewicht plötzlich mit großen Augen und irrem Gelächter mit dem Betastrahler durch die Gegend ballert und dabei gegnerische Waffen, Steine, Hütten, Polizisten, und – nachdem ihn Jack Clifton mit der Harpune getroffen hat – leider auch sein eigenes Boot mitsamt Gespielin mit blau leuchtendem Effekt pulverisiert. Da muß der sonst so gelassene Agent dann doch mal blinzeln und sich kurz wundern. Das glaubt ihm zuhause sicher mal wieder keiner!
Vollmacht für Jack Clifton (Italien/Frankreich/Spanien 1965)
Originaltitel: Agente 077 dall’oriento con furore
Alternativtitel: From the Orient with Fury
Regie: „Terence Hathaway“ (= Sergio Grieco)
Darsteller: Ken Clark, Margaret Lee, Fabienne Dali, Evi Marandi, Philippe Hersent, Michaela (= Mikaela), „Alan Collins“ (= Luciano Pigozzi)
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