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Sirene I (1990)

Ich liebe Unterwasserfilme. Ich liebe Filme mit wabbrigen Gummialiens. Und ich liebe spannende, clever inszenierte kleine B-Filme. Sagen wir mal so: SIRENE I erfüllt zwei von drei Voraussetzungen.

Der Film, der bei uns auch U1 – TAUCHFAHRT DES TODES heißt und im Original entweder THE RIFT oder ENDLESS DESCENT genannt wird, war Teil der großen Welle (man beachte den subtilen Wortwitz!) an Unterwasserfilmen, die Ende der Achtziger über den Filmmarkt hereinbrach. Neben Camerons großem Vorbild THE ABYSS gab es 1989 Sean S. Cunninghams DEEP STAR SIX, LEVIATHAN von George P. Cosmatos und den Corman-produzierten LORDS OF THE DEEP. Ein Jahr später schwamm noch dieser schöne Film hinterher, eine spanisch-amerikanische Koproduktion, dirigiert von Juan Piquer Simón.

Das Unterseeboot „Sirene 1“ verschwindet spurlos in einem Seegraben, weswegen das Schwesternschiff „Sirene 2“ losgesandt wird, um der Sache nachzugehen. Nachdem sich das Schiff noch im Experimentalstadium befindet, wird dem Konstrukteur Wick Hayes nicht nur die Schuld gegeben (obwohl er schon längst nicht mehr für die Firma arbeitet und seine Baupläne geändert wurden) – er wird auch prompt als Berater für die neue Mission hinzugezogen! Hayes, der von Jack Scalia gespielt wird (der sich in späteren Jahren in allerlei Videotheken-Radau wie T-FORCE, DARK BREED und NUCLEAR HURRICANE durchschlagen durfte), legt sich auch prompt zum Auftakt mit Schiffskapitän R. Lee Ermey an, der exzentrischerweise darauf besteht, daß seine Befehle ohne Widerworte erledigt werden und in Krisensituationen wenig Gehör für einen ehemaligen Konstrukteur zeigt, der sich aufgrund von Designänderungen beleidigt zeigt.

Nach kurzer Zeit empfängt das U-Boot das Signal der Black Box der verschollenen „Sirene 1“ und taucht in eine Meeresspalte auf 30.000 Fuß Tiefe. Das sind umgerechnet über 9.000 Meter, aber der experimentelle Teil der „Sirene“-Klasse äußert sich wohl darin, nicht schon bei 1.000 Metern vom Wasserdruck zerquetscht zu werden. Weil die Kameras draußen Algen zeigen, obwohl in solcher Tiefe gar keine Photosynthese stattfinden könnte, wird flugs ein Taucher namens Sven herausgeschickt, der sich ein wenig umsehen soll. Ich persönlich glaube ja, daß ein Taucher bei 9 Kilometer Tiefe wenig Freude bei der Arbeit haben dürfte, aber was verstehe ich denn schon davon.

Sven schwimmt also ein wenig durch den Ozean und schneidet eine Alge ab, weil ihn die Schiffsbiologin um eine Probe gebeten hat (besagte Biologin war übrigens einst mit Wick Hayes liiert, und wenn diese Backgroundstory einen dramaturgischen Sinn hätte, würde ich glatt darauf bestehen, das schon einmal gesehen zu haben). Dann erschrickt er ob einer im Wasser treibenden Leiche. Er wird über Funk gefragt, was los sei, und jetzt involviere ich den Leser einfach mal und lasse ihn raten, welche Antwort Sven gibt:

A) „Hier treibt eine Leiche im Wasser. Übel zugerichtet. Ob die von der ‚Sirene 1‘ stammt?“
B) „Ich glaube, hier draußen ist es gefährlich! Bitte um Erlaubnis, an Bord zurückkommen zu dürfen!“
C) „Das erzähle ich euch später“.

Sven wird also nur kurze Zeit später von irgendetwas gefressen, was die Crew des U-Bootes stutzig macht. Noch verwunderter sind sie über den Angriff einer gigantischen, hell leuchtenden Amöbe (eventuell auch nur ein weißes, löchriges Tuch, das über das Modell des U-Bootes geworfen wird). Wick Hayes reißt das Kommando an sich und vertreibt das Vieh mit einer „Polarisierungsumkehrung“ – ich stelle mir dazu eine Vorrichtung im U-Boot vor, mit der man entweder „Strom innen“ oder „Strom außen“ einstellen kann.

Das U-Boot taucht weiter in die Spalte und findet schließlich eine Unterwasserhöhle, in der es auch einen nicht überfluteten Teil mitsamt Sauerstoff gibt. Mittels Schlauchboot paddeln einige der Crewmitglieder ans Ufer und beginnen, durch ein labyrinthisches Höhlensystem zu irren – wo flugs glibbrige Wesen aus den Spalten kriechen und die Arbeitsbedingungen drastisch verschlechtern. An Bord geht es unterdessen nicht minder aufregend zu: Die mitgebrachte Algenprobe hat sich inzwischen des Labors bemächtigt und infiziert Crewmitglieder bei Berührung durch eine Art Mutationsgen.

In den Tunnels findet der von den Kreaturen dezimierte Trupp, von denen sich keiner auch nur im Geringsten daran erinnert, ähnliche Geschehnisse schon im Kino in Camerons ALIENS gesehen zu haben, eine Forschungsstation, wo eine verschrumpelte Leiche vor einem Computerterminal sitzt. Hayes interessiert sich aber weniger für den Verstorbenen, sondern vielmehr für die hochmoderne 3,5″-Diskette, die sich im Laufwerk befindet. Zufrieden kehren sie zum U-Boot zurück – wobei einer noch von einem Killeraal weggeknuspert wird – und sehen sich dort das Videofile an, das auf der Diskette gespeichert war. Das Video ist recht kurz (was will man auch erwarten von maximal 1,44 MB Dateigröße), erläutert aber hinreichend, daß es sich bei der Forschungsstation um ein geheimes Labor der Regierung handelt, in der mit einem sogenannten „DNA-Beschleuniger“ die „Transgenetik“ erforscht wird. Ich glaube, es wäre einfacher und praktischer, eine geheimes Forschungslabor im Weltraum aufzubauen als in 9 Kilometer Tiefe auf dem Meeresboden, aber vielleicht haben die Forscher ja auch dafür plädiert, nach Feierabend schwimmen gehen zu können.

Hayes, der Kapitän, die Biologin und Anhang machen sich also erneut auf in die Höhlen, um den DNA-Beschleuniger zu finden und zu zerstören, bevor immer mehr mutierte Viecher den Ozean überschwemmen und an die Oberfläche geraten, wo dann womöglich Fortsetzungen
entstehen könnten. Leider wird der DNA-Toaster von einer Art Riesensonnenblume bewacht, die mit Tentakeln bewaffnet ist und den geschwätzigen schwarzen Matrosen frißt, der den kompletten Film über geglaubt hat, er sei Eddie Murphy.

Nur wenige Explosionen später ist das Gerät Geschichte, und die drei Überlebenden paddeln zurück zum U-Boot. Dummerweise werden sie dort gar nicht mehr reingelassen, weil ein brillentragender Matrose sich als Verräter entpuppt, der keine Spuren hinterlassen will. Glücklicherweise kennt Hayes als Konstrukteur einen geheimen Zugang zum U-Boot (der daraus besteht, die Anhebung auf der Luke gegen den Uhrzeigersinn zu drehen), und drinnen darf dann der große Showdown gegen den Saboteur beginnen. Dazu verraten wir freilich nur, daß nicht alle Besatzungsmitglieder den morgigen Tag erleben werden und unsere Helden mit einem Fluchtshuttle entkommen können, während sich ein anderer für sie dramatisch aufopfert.

Man kann nicht ruhigen Gewissens behaupten, daß dieses sparsam ausgestattete Monstermovie mit den billigen Effekten gut sei. Auf das Adjektiv „vergnüglich“ können wir uns da schon viel eher einigen. Aber ich habe ja auch ein Herz für Filme, in denen harte Kerle mit Fönfrisur in 30.000 Fuß tiefen Höhlen gegen Gummiviecher kämpfen und damit die Welt vor DNA-Beschleunigung retten können. Und in denen die richtige Antwort nur C) sein kann.

Sirene I (Spanien/USA 1990)
Regie: „J.P. Simon“ (= Juan Piquer Simón)
Drehbuch: „J.P Simon“ (= Juan Piquer Simón), Mark Klein, David Coleman
Kamera: Juan Mariné
Musik: Joel Goldsmith
Darsteller: Jack Scalia, R. Lee Ermey, Ray Wise, Deborah Adair, Edmund Purdom
FSK: 16

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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