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Nightmare Beach (1988)

Mitunter schafft es das Lexikon des Internationalen Films, seine Warnungen für den Filmfreund abseits des Mainstreams wie eine Empfehlung klingen zu lassen. Zu NIGHTMARE BEACH steht geschrieben: „Motorrad-Rocker, Strandmiezen, blöde Sprüche und in ihrer dumpfen Brutalität schon wieder lächerliche Tötungsszenen garantieren ein gehöriges Quantum an Verdummung.“ Wow. Das kann man quasi 1:1 auf die DVD-Hülle packen, inklusive dem Hinweis, daß sich hinter dem Namen des Autoren & Regisseurs, „Harry Kirkpatrick“, kein geringerer als Umberto Lenzi verbirgt, und schon wandert Geld über den Ladentisch.

WELCOME TO SPRING BREAK, wie der Streifen im Original auch heißt, verbindet zwei lukrative Genres: den Strandfilm und den Slasher. Da geht also ein ominöser Motorradfahrer in Florida umher und bringt diverse Teilnehmer des Spring Breaks um, wenn die nicht gerade halbnackt über den Strand laufen, und es besteht der Verdacht, daß sich hinter dem maskierten Irren der noch vor dem Vorspann auf dem elektrischen Stuhl hingerichtete Motorradrocker Diablo verbirgt, der wegen Mordes angeklagt war. Ein Footballspieler geht der Sache zusammen mit einer Barfrau auf den Grund, nachdem sein bester Freund verschwindet und schwarzgegrillt im Leichenschauhaus auftaucht.

Nun hat die Kombination aus Strand und Horror durchaus Vorteile: Über etwaige Handlungslöcher und langatmige Einführungsszenen kann man schwungvoll mit üppigster Bebilderung schöner, gut gebauter Menschen hinwegtäuschen. Uns Männern fällt dann gar nicht auf, daß die Handlung stockt, solange da ein Wet-T-Shirt-Contest über den Bildschirm flimmert und blonde Mädchen sich in knappsten Bikinis räkeln. Vielleicht habe aber auch nur ich so ein schlichtes Gemüt.

Das soll natürlich nicht heißen, daß nichts passiert. Der finstere Rocker hat eine Spezialvorrichtung hinten auf seinem Motorrad, die quasi auf Knopfdruck zum elektrischen Stuhl umfunktioniert wird, wie eine ahnungslose Anhalterin schon früh feststellen muß. Überhaupt greift der Finsterling vorwiegend zur Elektroschock-Therapie und reißt dafür auch schon mal das Stromkabel aus der Wand, um es einer Frau an den üppigen Funkkopfhörer zu halten. Nur bei einem Opfer, das handlungsmäßig nicht näher identifiziert werden kann, gibt er sich plötzlich sehr viel Mühe: Er schlägt sie mit einem Metallhaken nieder, schleppt sie in eine nahegelegene Fabrik, kettet sie dort an und fährt dann den großen Industrieofen so weit hoch, bis das Mädel in einem garstigen Effekt dahinschmilzt. Während der Täter den ganzen Film über stumm sein Werk verrichtet, darf er doch nach seiner Identifizierung den Helm abnehmen und die Heldin anraunzen: „Du bist eine böse Schlampe.“

Mittlerweile ist der Held auf der Flucht vor Polizeichef John Saxon, der, wie sich herausstellt, Diablo nur als Sündenbock für den ungeklärten Mord an der Schwester der Barfrau verwendet hat und selbiges jetzt mit unserem netten Footballspieler vorhat – der den großartigen Plan faßt, daß die Barfrau doch einfach so lange durch die Stadt fahren soll, bis der Mörder auftaucht, und ihn dann per Funk verständigen soll, damit er eiligst herangedüst kommen kann. Unterdessen randalieren die Demons, die stadteigene Rockergang, ein wenig und überfallen das Polizeirevier, wo ein netter Beamter am Telefon einem Anrufer gerade erklärt, daß sowieso alle Streifen gerade damit beschäftigt sind, die Spring-Break-Partymeute in den Griff zu kriegen.

Es ist ein durchaus solider Film, den Lenzi hier präsentiert – ein handwerklich sauberer Slasher, von denen es weitaus schlimmere und langweiligere Exemplare gibt. Einzig die Musik von Ex-Goblin Claudio Simonetti ist grauenhaft: Da wird jedes Auftreten des Killers mit einer Art Power-Synthrock untermalt (vermutlich, weil die Rockergang analog mit ganz bösem Hair Metal inklusive Fliegersirenengesang begleitet wird), der ein wenig so klingt, als gäbe es in einer superduften Teeniekomödie gleich Dresche von dem bösen Dicken.

Aber dennoch ist der Spaß überraschend ansehbar. Das mag nach keiner enorm positiven Empfehlung klingen, aber wenn wir uns bei einem Streifen schwer begeistern, der letztlich schlichtweg okay ist, dann kommt irgendwer noch auf den Gedanken, er müßte NIGHTMARE BEACH auf seine Must-Watch-Top-Priority-Liste setzen.

Und ehrlich, ich hätte es gerne sehr geschickt in das Review eingewoben, daß der Hauptdarsteller Nicolas de Toth der Sohnemann von HOUSE-OF-WAX-Regisseur André de Toth ist, schon kurze Zeit nach NIGHTMARE BEACH seine Schauspielkarriere an den Nagel gehängt hat und heute als Cutter von eher obskuren Streifen wie TERMINATOR 3, STIRB LANGSAM 4 und WOLVERINE seine Brötchen verdient. Aber wo bringe ich diese Info nur sinnvoll unter?
 

Nightmare Beach (Italien 1988)
Originaltitel: Welcome to Spring Break
Regie: „Harry Kirkpatrick“ (= Umberto Lenzi)
Drehbuch: „Harry Kirkpatrick“ (= Umberto Lenzi)
Darsteller: Nicolas de Toth, Tony Bolano, Sarah Buxton, Paul Gleason, Lance Le Gault, John Saxon

Die deutsche DVD von Eyecatcher Movies wartet mit deutschem und englischem Ton auf und ist ungeschnitten. Diese ungeprüfte und indizierte Fassung kann über den OFDB-Shop erworben werden.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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