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Interview: Thomas Nash (alCREWholic)

Charaktergesicht Thomas Nash ist nicht nur seit einigen Jahren in Österreichs Independent-Filmszene als Schauspieler und Autor umtriebig – z.B. in der von ihm geschriebenen Kurzfilm-Komödie POPCORN oder in der wunderbar schräg-trashigen Bunker-Liebesgeschichte DIKTATOREN KÜSSEN BESSER – sondern produziert auch eigene Musik, vornehmlich im elektronischen Bereich. Nach einigen kleinen Releases in Eigenregie – darunter die wahnwitzige Psychedelik-Single „Mr. Moon“ – hat er jetzt einen neuen Song namens „One Night Stand“, den er zusammen mit Mike Rofone unter dem Projektnamen „alCREWholic“ aufgenommen hat. Das Video dazu stammt von Christian Hörlesberger:

Was für eine Nummer! Ein geschmeidiger Reggae-Groove, der wohl stundenlang so weitertuckern könnte; dazu leicht abgehobener Singsang und ein hübsch sinnfreier Text, der mit seiner Mischung aus ironischem Augenzwinkern und simpler Reimerei auch aus der Neuen Deutschen Welle hätte stammen können. Zeit für ein Interview mit Nash!

Thomas, das ist ein echt souveräner Groove, den ihr da unters Volk bringt. Ist der Song bzw. die Idee dazu so partyselig entstanden, wie man meinen könnte? Wie sind Lied und das alCREWholic-Projekt zustandegekommen?

Es haben mich tatsächlich ein paar Gläser Wein zu dem Text inspiriert, zumindest zur dritten Strophe „Zwei Flaschen Wein und eine Flasche Sekt, und so weiter und so fort und alles ist perfekt!“ Allerdings war ich nicht in Gesellschaft, sondern alleine in meinem Wohnzimmer. Ich habe diese Strophe dann ungefähr dreißig Mal voller Inbrunst gegen die Wand gesungen und mir ging’s verdammt gut dabei. Der Text ging mir dann aber auch in den nächsten Wochen und Monaten nicht mehr aus dem Kopf, also dichtete ich weitere drei Strophen hinzu. Gleichzeitig hatte ich schon seit längerem einen Groove im Kopf, der ebenfalls nicht und nicht verschwand, also dachte ich: „Okay, der klebt an mir wie ein Gecko an der Wand, der will einfach nicht entfleuchen, also muss er gut sein.“ Ich habe dann diesen Text mit dem Groove verbunden und fand sofort, dass das eine sehr interessante Mischung ergab. Zu diesem Zeitpunkt, das war Sommer 2008, war aber noch nicht geplant, eine Nummer daraus zu machen, vielmehr webte ich die 4. Strophe in einen Dialog des Drehbuchs DON RUDOLFO ein, welches im Februar 2009 von bild[er]folge als Kurzfilm verfilmt wurde.

Als ich dann im Mai 2009 Mike Rofone am Set der Kurzfilmkomödie SECRET SERVICES kennenlernte und er mir von seinem Studio berichtete, fragte ich ihn, ob wir nicht gemeinsam den Abspannsong von DON RUDOLFO komponieren wollen. Er willigte ein, und schließlich entstand nicht nur ein Abspannsong, sondern eine komplette Single. Es war also kein von Anfang an geplantes Projekt. Später stieß dann noch Andreas Ladik aka Burning Vibes zu uns dazu und komponierte einen Remix, den es nun auch auf der Single-CD gibt.

Der Song klingt ganz anders als deine bisherigen musikalischen Unterfangen, wo ja sehr viel im Techno-Trance-Bereich war. Siehst du trotzdem eine Linie zu den vorigen Tracks?

Das für mich interessanteste Musikgenre ist die elektronisch-orientalische Musik, und der Kamasutramix (Track 4 auf der Single) geht auch sehr in diese Richtung. Bei „One Night Stand“ war mir aber klar, daß das eine leichtfüßige Partymucke werden soll, wobei es ja in Wahrheit ein Genremix ist: Wir sind mit der Musik immer noch im elektronischen Bereich unterwegs, und auch der Text, obwohl er sich wie ein Ballermanntext anhört, ist nicht wie ein Ballermanntext gesungen, sondern eher distanzierter, sphärischer. Aber ja, der Song unterscheidet sich schon grundsätzlich von allem, was ich bisher gemacht habe, wobei das bei „Mr. Moon“ auch schon so war. Ich mag es, verschiedene musikalische Stile auszuprobieren und gegebenenfalls zu mischen. So entsteht dann auch mal was Neues.

Das Interessante an dem Stück ist, daß man es als Ironie sehen kann, wenn man will – quasi als Sauflied-Persiflage. Aber man muß nicht, man kann es auch einfach als Partysong verwenden. Ist diese Ambivalenz beabsichtigt? Wie ironisch seht ihr selbst den Song?

Es ist beides. Es ist definitiv Ironie dahinter, und es ist auch einfach nur ein Partysong. Unser Ziel war es, dass die Nummer Spaß macht.

Der Text ist ja sehr einfach und erinnert damit nicht nur an deinen früheren Song „Mr. Moon“ mit seinem fast dadaistischen immer wiederholten Nonsenssatz, sondern auch z.B. an viele Songs der Neuen Deutschen Welle, zum Beispiel von Trio, Grauzone oder Arno Steffen. Gibt es für einen Song wie „One Night Stand“ textliche Bezugspunkte? Wie wichtig sind Texte in Popsongs?

Ich bin ja eigentlich absolut kein Text-Hörer, daher gibt es da auch keine Bezugspunkte. Für mich rocken Beat und Melodie. Der Text selbst, das gesungene Wort, hat für mich wenig Gewicht. Viel ausschlaggebender ist da schon das Wie, wenn gesungen wird. Ich fühle mich ja vor allem in der elektronischen Musikszene wohl, und da werden ja üblicherweise eher wenig Worte verloren. Aber ich glaube, daß es viele Leute gibt, denen der Inhalt des Gesungenen wichtiger ist als die Komposition an sich, und die dann „One Night Stand“ aus diesem Blickwinkel heraus betrachten.

Eine Reaktion, die ich auf den Song gehört habe, lautete: „Nash geht auf’s Ballermann-Niveau“. Was denkt ihr euch dazu?

Diese Schlussfolgerung kann ich nachvollziehen bei einem Text wie diesem, wir haben ja selbst oft gewitzelt, daß wir einen dirty, funky Housesong mit Skihüttentext kreieren, wobei wir bis zum Schluß nicht gewusst haben, wo wir „One Night Stand“ eigentlich einordnen sollen. Ein Ballermannsong ist es jedenfalls nicht wirklich. Filmkomponist Gerrit Wunder etwa meinte dazu: „Dadurch, dass der Gesang mit dieser Distanziertheit und Ironie rüberkommt, entsteht ja schon wieder eine intellektuelle Qualität.“

Wie entstand das Video? Wo habt ihr gedreht?

Nachdem uns klar war, dass wir „One Night Stand“ als Single rausbringen werden, wollten wir auch ein Musikvideo dazu drehen. Der Entstehungsprozess war ein längerer, aber am Schluß hatten Mike und ich ein ziemlich dichtes Drehbuch, für das wir wiederum Christian Hörlesberger begeistern konnten, ein Muskvideo-affiner Regisseur. Ich habe schon 2003 bei einem seiner Musikvideodrehs mitgespielt.

Die Innenszene wurde in Wien gedreht, im Café Liberty, das uns dankenswerterweise vom Regisseur Erik Etschel zur Verfügung gestellt wurde, und die Außenszenen drehten wir in Bisamberg und Hagenbrunn, Niederösterreich.

Auch beim Video gilt wohl, daß man es ironisch sehen kann, aber nicht muß: Letzten Endes zeigen da die coolen Partyleute dem hilflosen Nerd, wie man richtig feiert und damit dann auch flachgelegt wird. Oder man sieht die augenzwinkernde Überzeichnung der leeren Dauerpartymentalität. Wie seht ihr das?

Beim Video war vor allem eines wichtig: Es muß Spaß machen, sich das anzusehen. Die freche, aber auch ironische Partygrundstimmung mußte rüberkommen, und Christian Hörlesberger hat es voll auf den Punkt gebracht. In seinem Regiekonzept an die Crew schrieb er: „One Night Stand ist eine kranke Sommerparty-Nummer, die ein ebenso verrückt-krankes Video erfordert.“ Wobei ich das Video ja jetzt gar nicht so krank finde, mit „krank“ verbinde ich eher etwas Morbides, und das Musikvideo ist ja eigentlich ein richtiger Gute-Laune-Clip ohne irgendeine Art von düsterer Beinote. Das letzte Drittel erinnert mich auch irgendwie stark an Studentenparties um zwei Uhr nachts, die kullern dann auch schon hackedicht am Boden herum und haben immer noch eine Bierdose in der Hand. Studenten werden sich in dem Video sofort wieder erkennen, hahaha.

Wie sind die bisherigen Reaktionen auf den Track?

Ziemlich zufriedenstellend. Uns war natürlich von vornherein bewußt, daß es Leute geben wird, die den Track für fragwürdig halten, und das muß auch so sein und ist gut so. Es ist ja auch eine Ode an den Alkohol und das soll ruhig kontrovers diskutiert werden. Insgesamt haben wir aber viel positives Feedback erhalten, von „erfrischend neu“ über „absolut partytauglich“ bis zu „mit guter Promotion könnte es der Track echt zu was bringen“. Interessant auch, das die Nummer sowohl bei Kindern und Jugendlichen wie auch bei der Generation von 50+ gut anzukommen scheint. Gerade die 50+-ler haben mich aber überrascht, das war jetzt nicht gerade das angepeilte Klientel.

Wird es mehr Songs von alCREWholic geben? In welche Richtung würde das gehen?

Wenn es ein Nachfolgeprojekt geben wird, dann wahrscheinlich wieder etwas aus der Dance/Trance/Electronic-Richtung. Im Moment ist es aber erst mal wesentlich, „One Night Stand“ auf den Markt zu bringen.

Besten Dank an Thomas für das Gespräch! Die Single kann auf verschiedenen Portalen heruntergeladen werden – iTunes, Amazon (Link siehe unten) – oder als tatsächliche CD über die Bandwebsite bestellt werden. Thomas Nash selbst ist auf www.thomasnash.at/ zu Hause.

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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