FilmWühlkiste

SCHULMÄDCHEN-REPORT, 4. TEIL – WAS ELTERN OFT VERZWEIFELN LÄSST: Es wird unbeirrt weiter aufgeklärt

Schon der Beginn des dritten Teils war ja ein wenig großspurig. Part 4 poltert noch lauter los: Ein Sprecher steht vor einer riesigen Wand, die mit Plakaten der Vorgänger tapeziert ist, und lächelt uns an. „Tja, meine Damen und Herren, da sind wir wieder. Sie werden sich sicher an uns erinnern, wenn Sie zu den 30 Millionen gehören, die die ersten drei SCHULMÄDCHEN-REPORT-Filme in 28 Ländern zu einem Welterfolg machten.“ In der Tat hatte sich Produzent Wolf C. Hartwig schon mit den Vorgängern dumm und dämlich verdient (die Adjektive erscheinen mir im Hinblick auf die Filme richtig gewählt). Wie das Nachschlagewerk DER NEUE DEUTSCHE FILM 1960-1980 von Robert Fischer und Joe Hembus zu berichten weiß, wollte man Hartwig die Auszeichnung der deutschen Kinobranche, die Goldene Leinwand (die für einen Film mit mindestens drei Millionen Zusehern verliehen wird), zunächst verweigern – wohl, weil man sich schämte, dass der größte Geldregen im deutschen Kino ausgerechnet von Sexfilmen herrührte. Hartwig setzte seinen Anspruch dann durch und kassierte in einem Aufwasch gleich drei der Auszeichnungen – für jeden Teil der Serie.

Weil ja nicht nur aus heutiger Sicht der aufklärerische Gestus der Filme hinterfragt werden darf und die einzelnen Aussagen der wiedergegebenen Geschichten mitunter höchst problematisch sind, versucht Teil 4 mit dem eher willkürlich gewählten Untertitel WAS ELTERN OFT VERZWEIFELN LÄSST (Kinostart nur 7 Monate nach Teil 3) gleich zu Beginn, den Kritikern vorzugreifen: „Kaum ein Film wurde je so angegriffen wie jeder einzelne dieser Serie. Dabei sind fast alle gezeigten Szenen authentischen Unterlagen entnommen. Das Leben schreibt nun mal die interessantesten Drehbücher“. Jaja, nickt da jeder 60-jährige Herr wissend und legt die Bild-Zeitung beiseite. Und dann wird sogar eingeräumt: „Natürlich wollen wir nicht behaupten, dass sich alle Schulmädchen so verhalten, wie wir es Ihnen zeigen. Aber es wäre auch unsinnig, vor Tatsachen die Augen zu verschließen.“ Nun denn, auf in die vierte authentische Runde rund um die jungen Luder und die armen älteren Herren, die gar nicht wissen, wie ihnen da geschieht.

Elfi (Karin Götz) will sich ein gutes Abiturzeugnis sichern.

Gleich zum Einstieg sehen wir eine herzerwärmende Geschichte über die Schülerin Elfi, die kurz vor dem Abitur steht, aber in ihren Mathematikleistungen zu wünschen übrig lässt. Zunächst befindet sich Elfi im Klassenzimmer, wo sie über die Warnungen des Lehrers nur witzelt, danach beobachten wir sie in einem Boot liegend, wie sie gerade von ihrem Freund bestiegen wird. „Elfi gibt sich sehr selbstsicher. Woher hat sie diese Selbstsicherheit?“, fragt der Sprecher, aber die Beantwortung können wir uns wohl nur aus dem Betrachten des maritimen Beischlafs herausholen. Elfi jedenfalls macht am nächsten Tag ihrem Lehrer den Vorschlag, dass er ihr die Fragen für die Abiturprüfung vorab zukommen lässt und sie ihn dafür auch im Geiste der Serie belohnt. „Sie sind wahnsinnig“, spricht der Pädagoge, aber sie ist ihm argumentativ überlegen: „Sie sind feige. Sie sind kein Mann.“

Das kann der Herr natürlich kaum auf sich sitzen lassen! Beim kleiderlosen Herumturnen auf dem Bürofußboden zeigt sich sofort, wie sehr für diesen Lehrer die Arbeit eine Herzensangelegenheit ist: „Du musst immer bei mir bleiben“, bittet er Elfi und versichert ihr: „Es gibt viele Lehrer, die ihre Schülerinnen geheiratet haben.“ Schade nur, dass Elfi nach dem bestandenen Abitur wieder mit ihrem Freund von dannen zieht und der arme Lehrer nun seine Zukunftspläne zerstört sieht. Jaja, da verhält man sich höchst anständig und bietet eine Heirat an, und dann brechen einem die Frauen das Herz. Zum Glück dürfte es nächstes Jahr wieder eine neue Abiturklasse mit schwächelnden Schülerinnen geben. (Es soll übrigens nicht verschwiegen werden, dass dieselbe Schauspielerin – Karin Götz – schon im zweiten Teil als eine damals noch dunkelhaarige Schülerin Elfi einen armen Pädagogen verführte und in den Selbstmord trieb. Hoffentlich ist Elfi nicht nach dem Abitur auch noch auf die Uni gegangen. Karin Götz spielte außerdem in Teil 3 die liebe Renate, die sich ihrem Vater an den Hals warf, um seine Ehe zu retten.)

Marina Blümel und der falsche, aber dafür umso gründlichere Schularzt.

Kommen wir flugs zur zweiten Episode: Es geht um den alten Trick älterer Herren, sich als Schularzt auszugeben und von Tür zu Tür zu wandern, um die jungen Mädels eingehend untersuchen zu können. (Eine Rahmenhandlung gibt es diesmal nicht, und die Straßeninterviews wurden mitsamt Friedrich von Thun ausgemustert – man wollte sich wohl auf das Wesentliche beschränken.) Da stellt sich also ein netter Mann an der Haustür als Doktor vor, und das liebe Mädchen wundert sich auch nur ganz kurz, bevor es sich für die Examination freimacht. „Der Luftdruck stimmt“, freut sich der vermeintliche Arzt beim Befühlen der Brust. Die Schülerin darf sich nun nackt auf das Sofa legen, mit dem Bauch nach unten, und fragt, nachdem er auf sie draufgeklettert ist: „Herr Doktor, ist das Ihr Thermometer?“ Da sieht man einmal mehr, wie dringend doch hier Aufklärungsfilme benötigt werden.

Ein junges Paar ist ob dieser Geschichte derart begeistert, dass der Freund sich kurzerhand ebenso als Schularzt ausgibt, um mit seiner Freundin (die reizende Ulrike Butz) trotz der strengen Eltern alleine sein zu können. Während die beiden also oben im Haus tätig sind, brüllt unten der Papa das Fußballspiel im Fernsehen an („Na Mensch, nun donner´n doch rein!“). Dann hat der Patriarch allerdings einen Bandscheibenvorfall, und die Mutter holt den vermeintlichen Schularzt nach unten. „Was können wir da bloß machen, Herr Doktor?“, fragt sie. „Da gibt’s nur eins: Lassen Sie sich einen Arzt kommen“, sagt der. „Ja natürlich, Herr Doktor! Das ist die Idee!“

Der Plan von Angelika (Ulrike Butz), dass ihr Freund als falscher Schularzt ins Elternhaus kommen soll, ist aufgegangen.

Aber so ein SCHULMÄDCHEN-REPORT wäre ja kein SCHULMÄDCHEN-REPORT, wenn nicht auch wieder die ganz üblen Hämmer mit heuchlerischster Betroffenheit präsentiert werden würden: In der nächsten Episode dreht sich die Handlung um Caroline, eine schwarze Schülerin (adoptiert und mit viel Liebe von den Eltern aufgezogen, oh ja), die von den anderen Mädels an der Schule gehasst und mit rassistischen Kommentaren eingedeckt wird. Die Jungs würden zwar gerne mal bei ihr landen, aber freilich will keiner mit ihr gesehen werden – bis auf den aufrechten Sascha Hehn natürlich, ihren sensiblen Freund, der sie auch ganz doll liebhat und sich in Wald und Wiesen mit ihr vergnügt.

Dann wird Caroline aber von den Mitschülerinnen (allesamt gerade nackt unter der Gemeinschaftsdusche) zu einer vermeintlichen Party eingeladen, wo sie von diversen Schulkameraden vergewaltigt wird. „Wir halten es für außerordentlich wichtig, Ihnen diese Szene in aller Deutlichkeit zu zeigen“, wird uns im Off erklärt, denn: „Sie steht symbolisch für die Vielfalt der Probleme zwischen Rassen und Völkern, mit denen selbst die klügsten Politiker bisher nicht fertig geworden sind“. Ganz genau, wir sind ja hier, um etwas zu lernen. Aber was nur? Der Sprecher schwingt auch die psychologische Keule: „Den weißen Mädchen passt es nicht, dass die Jungens der Schwarzen mehr sexuelle Aufmerksamkeit widmen als ihnen. Sie müssen die vermeintlichen Vorzüge der Fremden zerstören, erst dann ist ihre Welt wieder in Ordnung.“ Bevor der Kommentator noch mehr Unfug von sich geben kann, kommt aber schon Sascha Hehn und rettet seine Freundin. „Du kommst schon drüber weg“, tröstet er sie unglaublich einfühlsam. Und dann verrät uns der Sprecher noch das traurige Ende der Beziehung: Irgendwann hatte auch Sascha Hehn genug von den ständigen Hänseleien, und dann hat er Caroline einsam zurückgelassen und zog in die SCHWARZWALDKLINIK.

Eine durch und durch verdorbene Schulklasse.

Der Report ist aber noch lang nicht fertig. Da wird uns eine Schulklasse vorgestellt, wo die Schüler und Schülerinnen nicht den literaturwissenschaftlichen Ausführungen ihrer Lehrerin folgen wollen, sondern unaufmerksam sind, Zettel mit aufgezeichneten Penissen herumreichen und sich unter dem Pult befummeln. „Ist diese Schulklasse verdorben?“, fragt uns der Sprecher, der sich höchstwahrscheinlich noch nie in einer tatsächlichen Klasse mit pubertierenden Schülern befand. Er beruhigt uns bzw. die leidgeplagten Erziehungsberechtigten dann aber sofort: „Man muss sich hüten, von Auswüchsen auf die Allgemeinheit zu schließen“. Na, Gott sei Dank.

Nach dem Unterricht folgt eine unglaublich realistische Diskussion der Schüler, in der die Jungs einen grandiosen Plan aushecken, um für alle ordentlich Geld zu besorgen: Die Mädels schaffen an, die Jungs kümmern sich um das organisatorische Drumherum. Der Wortführer ist dabei sehr überzeugend: „Ein Mädchen hat doch von Natur aus ein prima Kapital, zwischen den Beinen und auch oben. Und Kapital soll man doch arbeiten lassen, oder?“ Was kann man da noch sagen? „Das Vergnügen habt ihr doch auch noch“, fügt der Zuhälterlehrling hinzu. Das überzeugt!

Wenig später begutachten die Jungs die zu veräußernde Ware: „Ist doch alles dufte. Das ist schönstes Kalbfleisch“, lobt einer. Dass eine noch Jungfrau ist, stört keinesfalls – im Gegenteil, die Dame wird gleich als erstes im Café an einen interessierten Kunden verhökert („Am besten, ich nehm´ sie gleich mit“), und nur kurze Zeit später bricht der Wohlstand aus. Zu üppigen Montagen hören wir nun, wie der Sprecher ein „gleichgültiges Elternhaus“ und eine „unfähige Lehrerin“ anprangert – und natürlich die kapitalistische Gesellschaft, in der ständig der Konsum angepriesen wird und die Schüler und Schülerinnen deshalb glauben, Geld haben zu müssen. Und weil die Montage gar nicht enden mag, wird noch eingeräumt: „Wir mussten Ihnen diese Szenen zeigen, weil unser Bericht über die Gefahren, denen Schulmädchen ausgesetzt sind, sonst nicht vollständig gewesen wäre“. Alles klar, das sehe ich natürlich ein.

Rinaldo Talamonti ist derweil mit der Vierten im Bunde beschäftigt.

Es wird flott eine heitere Episode dazwischengeschoben, in der vier Mädels im Schwimmbad einen Italiener aufreißen, der von Rinaldo Talamonti gespielt wird – dem Hauptdarsteller der GRAF-PORNO-Reihe von Alois Brummer. Der arme Bursche muss sich ständig unter den Wasserfall stellen, um sich abzukühlen und den Verlockungen der Damen zu widerstehen. Im Wald gibt er dem Drängen der Schülerinnen dann endlich nach – aber der Italiener entpuppt sich als so standhaft, dass die vier irgendwann vor Erschöpfung das Weite suchen.

Danach bekommen wir eine ausführliche Geschichte serviert, in der die 16-jährige Barbara in ihren 18-jährigen Bruder Wolfgang verliebt ist, mit dem sie sich übrigens ein Zimmer teilt – Anlass für den Sprecher, die schlechte Wohnsituation in Deutschland zu monieren. Barbara träumt einen langen psychedelischen Trip, in dem sie zu summender Hammond-Orgel und funky Getrommel mit ihrem Vater schläft, dann ein Mädchen, das zuvor von ihrem Bruder erobert wurde, im Nonnenkostüm sieht (das freudig abgestreift wird), und schließlich in der Wüste von einem Erschießungskommando exekutiert wird. Am nächsten Morgen verführt sie ihren Bruder. Und doch geht die Geschichte gut aus: Sie lernt kurze Zeit später einen anständigen jungen Mann kennen, und alle werden glücklich.

Der hübschen Christina Lindberg bereitet die viele Aufklärung schon Albträume.

Überhaupt wird zum Schluss alles gut: In der letzten Episode weigert sich die von Ingrid Steeger gespielte 18-jährige Sibylle, mit ihrem Freund zu schlafen, weil sie noch nicht so weit ist. Der wird prompt im Café von der 16-jährigen Anne aufgerissen (Carmen Jäckel, die in Teil 3 die „Lolita“ spielte), die ebenfalls noch Jungfrau ist und diesem Zustand endlich ein Ende bereiten will. (Sie hat sich vorab eingehend über die Defloration informiert und dabei gelernt: „Wenn die Frau dabei Ekel empfindet, kann sie später auch lesbisch werden.“ Da mag man den Aufklärungsfilmern vielleicht doch einen guten Aufklärungsfilm ans Herz legen.) Der nette Mann hilft also aus und kehrt dann zu Ingrid zurück, bei der er sich nun wieder in Geduld und Rücksichtnahme übt. Vier Wochen später will dann auch Ingrid, und die beiden leben fort als glückliches Paar. Anne dagegen grübelt im Gespräch mit den Freunden: „Das ewige Durch-die-Gegend-Bumsen, wenn da nicht noch was dabei ist, das ist auch nicht abendfüllend“. Und das, obwohl ihr Gesprächspartner ihr vorher noch erklärt hat: „Bumsen hat Zukunft“.

Anlass für abschließende Worte des Sprechers: In ein paar Jahren wird auch Anne die Abenteuerlust verlieren, denn „dann kommt die Sehnsucht nach dem Partner für alle Bereiche des Lebens, und dann ist die Sexualität allein wirklich nicht abendfüllend“. Ich sag’s ja immer: Zum Schluss wird geheiratet. Und ohne Kerl weiß so ein armes Mädchen ja gar nicht, was es mit dem Leben anstellen soll.

Was uns wohl die restlichen 9 Teile der Serie beibringen werden?

Schulmädchen-Report, 4. Teil – Was Eltern oft verzweifeln läßt (Deutschland 1972)
Regie: Ernst Hofbauer
Drehbuch: Günther Heller
Kamera: Klaus Werner
Musik: Gert Wilden
Darsteller: Christina Lindberg, Ingrid Steeger, Ulrike Butz, Sascha Hehn, Gunther Möhner, Karin Götz, Carmen Jäckel
Länge: 84 Minuten
FSK: Keine Abgabe an Kinder oder Jugendliche

Die Screenshots stammen von der Kinowelt-DVD.

Mehr über den SCHULMÄDCHEN-REPORT

Zwischen Schmuddelgeschichten und Zeitgeist-Millionenerfolg: In meinem Buch DER SCHULMÄDCHEN-REPORT: VON AUFKLÄRUNG UND ANDEREN RÄUBERPISTOLEN, erschienen in der Edition Popkultur, berichte ich ausführlich über alle 13 Teile der Aufklärungsreihe. Es ist ein ebenso heiter wie kritischer Streifzug durch alles, was Schulmädchen und Filmproduzenten wirklich treiben.

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Homepage der Edition Popkultur

Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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