Eigentlich ist Jerry Bruckheimer ein richtig altmodischer Produzent. Er mag das amerikanische Kino seit den Achtzigern mit seinen Filmen stark geprägt und auch gewandelt haben – lautstarke Actionkomödien, schnelle Thrills, gestylter Look, absolutes Popcorn-Entertainment – aber bei genauerer Betrachtung und Subtraktion der zeitgemäßen Oberflächen macht Bruckheimer Kino wie zu Hollywoods ganz alten Tagen: überlebensgroße Stars in nicht minder großen Geschichten, Stauneffekte, eskapistische Abenteuer – ganz klar ein Kino der Schauwerte, aber eben auch eins, das mit genau jenen Mitteln lockt wie seinerzeit die Filme, die Hal B. Wallis und David O. Selznick zusammenstellten.
Somit ist auch PRINCE OF PERSIA im Grunde seines Herzens ein altmodisches Spektakel, das früher mit Errol Flynn oder Douglas Fairbanks besetzt worden wäre (in letzterem Fall hieß der Film übrigens DER DIEB VON BAGDAD): Ein nobler Held, eine schöne Prinzessin, finstere Schurken, tödliche Abenteuer und prächtige Kulissen. Nur, daß die mittlerweile hauptsächlich aus dem Computer kommen – im mehrfachen Sinne: PRINCE OF PERSIA ist die Verfilmung einer Computerspielreihe, die 1990 mit einem tückischen Jump’n’Run begann (die ersten beiden Teile habe ich unlängst wieder gespielt: siehe hier). Eigentlich nur konsequent, wenn man also jeder zweiten Einstellung auch ansieht, daß sie im Rechner erstellt wurde.
Weil in der legendären Stadt Alamut eine große Waffenschmiede vermutet wird, greift Prinz Dastan (Jake Gyllenhaal) zusammen mit seinen beiden Brüdern und der königlichen Armee die Stadt an und nimmt die dort regierende Prinzessin Tamina (Gemma Arterton) gefangen. Auch wenn keine Waffenschmiede gefunden werden kann, nimmt die Armee die Stadt ein. Kurze Zeit später wird der König mit einem vergifteten Mantel ermordet – und weil der Verdacht auf Dastan fällt (der noch dazu kein königliches Blut in sich trägt, sondern als Kind vom König adoptiert wurde), muß der zusammen mit Tamina fliehen. Dann stellt sich heraus, daß es gar keine geheime Waffenschmiede gab, sondern der Usurpator hinter einem mystischen Dolch her war, mit dessen Hilfe man den Lauf der Zeit verändern kann – und der jetzt im Besitz von Dastan ist.
Eine recht simple Geschichte also – die Identität des tatsächlichen Königsmörders ist keine tatsächliche Überraschung – die mit modernem politischen Seitenhieb erzählt wird: Erst unlängst fiel ja eine Streitmacht über ein Land her, weil ihnen getürkte „Beweise“ zu vorhandenen Massenvernichtungswaffen präsentiert wurden. Dezidiert modern ist auch die Gestaltung der Actionsequenzen – schon als Kind springt und klettert Dastan über die Dächer der Stadt, daß jedem Parkourkünstler das Herz aufgeht; Geschwindigkeit und Physik dieser Leibesertüchtigung ist auch eher im Jump’n’Run-Universum als in der Realität verortet. Die aufblühende Beziehung zwischen Dastan und Tamina ist modern und doch filmgeschichtlich fundiert: Da keifen sich die beiden zwar mit Phrasen an, die mehr nach 20. als nach 6. Jahrhundert klingen („Du bist nicht mein Typ!“), aber das dauernde Gekabbel der beiden – er ist überheblich, sie zickt herum – fühlt sich an wie im guten alten Hollywood, wo man ja auch weiß: Je weniger sich Held und Heldin mögen, desto mehr lieben sie sich.
Natürlich ist das gesamte Abenteuer prächtigst bebildert: große Bauten, noch größere Städte, Wüste, Schluchten, Höhlen, riesige Armeen, Prunk und Schönheit, und die Kamera fliegt immer herum, darüber hinweg, oder mittendurch. Ebenso natürlich wirken die meisten Bilder unecht, je prächtiger sie aussehen, weil wir immer wissen, wieviel davon aus dem Computer stammt; weil uns mit all den Kameraspäßen immer bewußt gemacht wird, daß solche Fahrten und Momente ja gar nicht echt entstehen können – und weil keine der physischen Aktionen wirkliche Realität suggeriert. So gesehen bringen die teuren CGI-Bilder kaum ein Mehr an Illusion als die guten alten Matte Paintings. Trotz heißlaufender Computer zeigt sich zwischendurch aber doch immer noch, wie souverän Kameramann John Seale mit Farben und Licht zeichnet: Der Film besitzt eine immense visuelle Wärme.
Gyllenhaal ist selbstverständlich kein Perser, und sein verträumter Schlafzimmerblick mag nicht die einleuchtendste Wahl für die Heldenfigur eines Orient-Abenteuers darstellen – aber gerade sein anstrengungsfreier Charme trägt den Film dann doch überraschend gut. Arterton darf wie gemalt schön aussehen und in ihren ständigen Attacken gegen Dastan eine reizende Leia gegenüber seinem Han Solo spielen, und Ben Kingsley kann – wie jeder gute britische Schauspieler – durch seine bloße Anwesenheit eine gewisse Klasse suggerieren. Und dann fegt gelegentlich Alfred Molina durch das Bild, als steuerhinterziehendes Schlitzohr, das in der Wüste illegale Straußenrennen veranstaltet – der in jedem Popcorn-Abenteuer verankerte Comic Relief, der hier dank Molinas Spiellaune wunderbar aufgeht.
Freilich hat PRINCE OF PERSIA soviel Substanz wie Sand, den man mit offenen Fingern festzuhalten versucht. Das liegt in der Natur der Sache. Aber er funktioniert in seiner Laufzeit als prachtvoller Eskapismus: Der Film transzendiert sein Popcorn-Genre in keinster Weise, aber er erfüllt es absolut souverän. Nur zur Klasse von Bruckheimers FLUCH DER KARIBIK fehlt etwas: Das unberechenbare Element. Aber findet mal einen Produzenten, der es für eine kommerziell brauchbare Idee hält, die ganze Geschichte aus Sicht des herumpolternden Steuerhinterziehers zu erzählen.
Prince of Persia – Der Sand der Zeit (USA 2010)
Originaltitel: Prince of Persia: The Sands of Time
Regie: Mike Newell
Drehbuch: Jordan Mechner (screen story), Boaz Yakin, Doug Miro, Carlo Bernard (screenplay)
Kamera: John Seale
Musik: Harry Gregson-Williams
Produzent: Jerry Bruckheimer
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Gemma Arterton, Ben Kingsley, Alfred Molina
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