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Freitag, der 13. (2009)

Im Bonusmaterial loben die Schauspieler Regisseur Marcus Nispel in den höchsten Tönen. Eine der Darstellerinnen erläutert: „I love how, in the middle of a scene, if he wants something else, he’ll tell you.“ Und dann sehen wir Nispel am Set, wie er jemandem erklärt: „You really gotta show me fear on this one, okay?“

Diesen inszenatorischen Kniff des bemerkenswerten Meisters werde ich mir selbstverständlich sofort notieren. Erstens: Schauspielern sagen, was man will. Und zweitens: Horrorfilm wird erst dann richtig super, wenn die Darsteller Angst zeigen. Wir haben noch so viel zu lernen!

Schade eigentlich, daß der dazugehörige Film gar nicht so aufregend ist. Nispels FREITAG DER 13. wird als Reboot der Originalserie verkauft, die es immerhin auf 10 Filme, ein Spin-Off (FREDDY VS. JASON) und eine nur dem Namen nach dazugehörige Fernsehserie brachte. Nur: Wozu rebooten? Die meisten der Originalfortsetzungen waren in sich schon Reboots, weil selten Figuren aus den Vorfilmen überlebten, Jason immer zerhackstückt wurde und dann im nächsten Film wieder putzmunter war, und prinzipiell auf eine Kontinuität verzichtet wurde. Die Freitag-Sequels waren Versionen, keine Fortsetzungen. Genau das ist jetzt dieses Remake auch, das sich auch nicht rein am Erstling orientiert (wo ja Jasons Mama noch für die Morde verantwortlich war), sondern auch Elemente der anderen Filme in den Mixer wirft.

In den Making-ofs läuft die Marketingmaschinerie natürlich auf Hochtouren. Brillant, genial, unglaublich, magisch – die Superlative fliegen einem nur so um die Ohren. Nispel wird als einziger Regisseur hochgejubelt, der etwas von Schockmomenten versteht; die Autoren erläutern, es handle sich um eine Origin-Geschichte im Stile von BATMAN BEGINS (sicherlich glauben sie, daß es wahr wird, wenn man es nur laut genug sagt), obwohl das im fertigen Film nur bedeutet, daß die Handlungsinformationen des ersten Films komprimiert vor dem Vorspann wiedergegeben werden. Und der Jason-Darsteller Derek Mears, selbst ein Jason-Fan, redet sich die Rolle schön und erläutert die Charakterfeinheiten einer Figur, die es in mittlerweile 12 Filmen nicht über die Beschreibung „unaufhaltsame seelenlose Mordmaschine“ herausgebracht hat. Selbst der Terminator ist eine komplexere Figur.

Lassen wir also einmal die heiße Luft der Werbung beiseite. Worum ging’s bislang immer in FREITAG DER 13.? Richtig, ein fieser Killer verarbeitet Teenager zu Schaschlik. Was erwartet man von einem Film der Reihe? Richtig, viele nette Teenager, die dazu da sind, um sich in kreativen und blutigen Szenen zu Schaschlik verarbeiten zu lassen, wenn sie nicht gerade Drogen nehmen und/oder miteinander schlafen. Sex & Violence. Der Erstling mag noch als furchteinflößender Schocker konzipiert worden sein, aber spätestens ab dem dritten Teil war die Serie ein Partyereignis und, nunja, eine Serviceleistung. Ein bißchen wie ein neues Slayer-Album.

Von daher läßt sich am Film freilich wenig Kritik anbringen, die nicht auch auf sämtliche anderen Teile der Reihe zutreffen würde. Natürlich ist Nispels Film viel professioneller inszeniert als alle früheren Filme; das Terrorkino hat mittlerweile eben ein handwerkliches Level erreicht, das die Billigproduktionen der Achtziger im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen läßt. Nispels Jason fegt über den Bildschirm, mit Tempo und zackigen Schnitten, das Licht blitzt, der Soundtrack wummert einem die Schocks um die Ohren, díe Ausstattung ist perfekt grausig, das Blut schimmert klebrig von der Leinwand herunter. Da haben freilich die Survivalhorrorfilme der letzten Jahre ihre Spuren hinterlassen mit all ihren Folterszenarien; und eigentlich ist das nur recht und billig, wurzelt diese jüngere Horrorwelle doch in exakt jenen Slasher- und Angstfilmen, zu denen 1980 der erste FREITAG DER 13. gehörte und die sich damals von der Filmkritik den Stempel des „Kotztütenkinos“ aufdrücken lassen mußten. Als Klassiker und Wegbereiter wurden sie natürlich erst so viel später angesehen.

Nispels Film ist also eigentlich ein FREITAG auf der Höhe der Zeit, aber wißt ihr was? Ich bin der Sache sehr müde. Vielleicht liegt es daran, daß ich keine 18 mehr bin und die Heerscharen von Teenagern, die in den Wäldern unserer Welt verhackstückt werden, einfach nicht mehr aufregend finde. Natürlich sind im Horrorfilm die Figuren letzten Endes immer Kanonenfutter, aber diese Art von Slasher läßt für mich als Zuseher keinen Platz mehr: Wo soll mir denn das Schicksal von Figuren am Herz liegen, die ich nur mit „die große Blonde“ und „der Kiffer mit der Brille“ identifizieren kann, weil sie auch schon wieder sterben, bevor ich irgendetwas über sie erfahre? Und wie soll mich die Geschichte von Teenagern im Wald auf der Flucht vor einem Killer noch fesseln, wo ich sie doch schon ein paar Dutzend mal gesehen habe, in immer phantasieloseren Streifen? Das ist ein Vorwurf, den sich Nispel gefallen lassen muß: Die perfekte Inszenierung hilft nichts, wenn die Geschichte schon vor 25 Jahren viel zu oft im Kino zu sehen war.

Ich liebe den originalen FREITAG DER 13. Manche der Fortsetzungen sind unterhaltsam, aber den Erstling halte ich für einen wirklich gelungenen Film. Natürlich spielt da auch ein wenig Nostalgie herein, weil ich ihn zu einer Zeit gesehen habe, wo ich den Horrorfilm entdeckt habe und mit großen Augen diese vielen Streifen angesehen habe, die mir teilweise durchaus Angst gemacht haben. Das war ebenso eine Zeit, in der ich den Wunsch entwickelt habe, selber Filme zu machen. Vielleicht betrachte ich den ersten Film also mit Verklärung, aber letzten Endes betrachten wir ja jeden Film immer durch unsere Erfahrungen, Leidenschaften und Wünsche – kurz: durch uns selbst – gefiltert.

Unter diesem Vorbehalt stelle ich die Behauptung auf, daß der so ungeschliffen inszenierte Originalfilm stilistisch so viel interessanter ist als das professionelle, aber völlig gesichtslose Remake: In Cunninghams Film ist für den Zuseher noch Platz. Die Kamera betrachtet lange genug, um sich in die Bilder hineindenken zu können. Und der Terror schlägt da zu, wo wir ihn nicht immer erwarten: Zum Beispiel, wenn die als Hauptfigur eingeführte Person wie in PSYCHO sehr früh dem Killer zum Opfer fällt. Gerade das ungleichmäßige Tempo – lange Sequenzen, in denen nur Bedrohung gezeigt wird; später dann eine lange panische Flucht – involviert viel mehr als der mechanische Rhythmus des Neulings, der schlichtweg keine Geduld dafür hat, über einen gewissen Zeitraum hinweg einmal nichts passieren zu lassen.

Ich liebe Horrorfilme. Ich liebe es, wenn ein Film einfach nur Adrenalin produziert. Aber wenn ich das nächste Mal einen Film sehe, wo Teenager im Wald von einem seelenlosen Killer verfolgt werden, schreie ich – nicht aus Angst!

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Christian Genzel
Christian Genzel arbeitet als freier Autor und Filmschaffender. Sein erster Spielfilm DIE MUSE, ein Psychothriller mit Thomas Limpinsel und Henriette Müller, erschien 2011. Außerdem drehte Genzel mehrere Kurzfilme, darunter SCHLAFLOS, eine 40-minütige Liebeserklärung an die Musik mit Maximilian Simonischek und Stefan Murr, und den 2017 für den Shocking Short Award nominierten CINEMA DELL' OSCURITÀ. Derzeit arbeitet er an einer Dokumentation über den Filmemacher Howard Ziehm und produziert Bonusmaterial für Film-Neuveröffentlichungen. Christian Genzel schreibt außerdem in den Bereichen Film, TV und Musik, u.a. für die Salzburger Nachrichten, Film & TV Kamera, Ray, Celluloid, GMX, Neon Zombie und den All-Music Guide. Er leitet die Film-Podcasts Lichtspielplatz, Talking Pictures und Pixelkino und hält Vorträge zu verschiedenen Filmthemen.

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